Kündigung des Softwarepflegevertrages als Verstoß gegen "Treu und Glauben“
Unternehmer, die ihre Geschäftsprozesse über Datenbanken und andere Software unterstützen, investieren oft große Summen für dieses Softwarelösungen. Die Entscheidung für eine bestimmte Software stellt daher oft für viele Firmen eine Weichenstellung dar, mit der sie sich auf Jahre an eine Softwarelösung binden.
Inhaltsverzeichnis
Der Unternehmer hat somit ein elementares Interesse daran, seine Investition in die Software langfristig zu sichern. Aus diesen Gründen ist Pflege (oft auch Wartung) der Software für deren gesamte Nutzungsdauer unverzichtbar. Die Kündigung des Pflegevertrages zur Unzeit kann das Unternehmen in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten führen.
Denn nur mit der Unterstützung des Softwarehauses durch Softwarepflege ist sicher gestellt, dass die Funktionsfähigkeit der Software für ihren gesamten geplanten Lebenszyklus aufrecht erhalten wird. Es empfiehlt sich daher für den Softwarenutzer, möglichst asymmetrische Kündigungsfristen zu vereinbaren, die ihn in die Lage versetzen, den Pflegevertrag vorzeitig zu kündigen, den Vertragspartner aber zur Pflege für den gesamte Lebenszyklus der Software zu verpflichten.
Was gilt aber, wenn solche Klauseln nicht vereinbart wurden und das Softwarehaus zur Unzeit den Pflegevertrag kündigt?
In diesem Fall ist der Kunde entweder zum kostspieligen Umstieg auf eine neue Version der Software oder auf ein anderes Produkt gezwungen.
Sind solche Kündigungen wirksam?
Der folgende Beitrag will die Wirksamkeit von Kündigungen untersuchen, die auf Grund einer entsprechenden Klausel im Pflegevertrag vor Ablauf von fünf Jahren nach Überlassung der Software erfolgen. Es wird hierbei davon ausgegangen, dass Überlassung und Pflege aus einer Hand erfolgt. Um Irritationen über die Verwendung der Begriffe „Pflege“ und „Wartung“ sei angemerkt, dass diese Begriffe in diesem Bereich als Synonyme gelten, und wir im Folgenden den „moderneren“ Begriff Softwarepflege verwenden.
1. Berechtigung zur Kündigung auf Grund des Pflegevertrages
Ist im Pflegevertrag eine Kündigungsmöglichkeit (z.B. drei Monate zum Jahresende) eröffnet, dann ist das Softwarehaus grundsätzlich berechtigt, diese Möglichkeit zu ergreifen. Es fragt sich aber, ob derart kurze Kündigungsfristen rechtlich zulässig vereinbart werden können.
1.1 Verstoß gegen die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
Eine Kündigungsklausel könnte aus AGB-rechtlicher Sicht unwirksam sein, wenn die kurze Kündigungsfrist gemäß §§ 307 ff BGB unwirksam wäre. Hierzu müsste es sich aber bei dem Pflegevertrag um vorformulierte Geschäftsbedingungen handeln, die mit dem Nutzer nicht verhandelt wurden. Dann wäre insbesondere § 309 Nr. 9 BGB einschlägig.
Es ist jedoch zweifelhaft, ob § 309 Nr. 9 BGB überhaupt im geschäftlichen Verkehr zwischen Unternehmern Anwendung findet, da die Vorschriften auf Verträge mit Verbrauchern zugeschnittenen sind. Die Frage der Qualifizierung des Vertrages als AGB kann aber dahinstehen, da eine AGB-rechtliche Unwirksamkeit nicht in Betracht kommt. Gemäß § 309 Nr. 1 BGB sind im nichtunternehmerischen Bereich Regelungen bei Dauerschuldverhältnissen unwirksam, die unzulässige Verlängerungen des Vertragsverhältnisses vorsehen. Da die Kündigungsregelung aber eine Verkürzung des Vertragsverhältnis statuiert, ist § 309 Nr. 9 BGB nicht einschlägig. Die Kündigungsregelung ist daher AGB-rechtlich nicht zu beanstanden.
1.2 Verstoß gegen "Treu und Glauben", § 242 BGB
Die Rechtsprechung hat wiederholt entschieden, dass die Überlassung einer Software, das Softwarehaus nicht nur zur Lieferung und Installation, sondern aufgrund einer selbständigen leistungsbezogenen Nebenpflicht aus § 242 BGB „Treu und Glauben“ auch zur Pflege für eine bestimmte Zeit verpflichtet.
Eine Kündigung des Pflegevertrages könnte daher gegen Treu und Glauben verstoßen. Das wäre dann der Fall, wenn es die Verkehrssitte geböte, einem Partner Pflegeleistungen über einen längeren Lebenszyklus zu gewährleisten um so seine Investitionen in ein Produkt nicht zu gefährden. Grundsätzlich wird es im Bereich von Pflegeverträgen den Parteien überlassen, eine individuelle vertragliche Absprache über die Vertragsdauer und ihre Länge zu treffen.
Eine generelle Pflicht für Softwareunternehmen Pflegeleistungen über den gesamten "Lebenszyklus" einer verkauften Software sicherzustellen, besteht nach einer neueren Entscheidung des Oberlandesgerichtes (OLG) Koblenz (Urteil vom 12.01.2005, Az. 1 U 1009/04) daher nicht. Das OLG Koblenz geht in dieser Entscheidung davon aus, dass es in der Eigenverantwortung der Parteien liege, eine Mindestpflegezeit frei zu vereinbaren. Daraus folge, dass das Kündigungsrecht für die ersten drei bis fünf Jahre nicht ausgeschlossen werden könne. Die Begründung dieser Auffassung wird durch die Gewohnheiten in dem Bereich von Pflegeverträgen gestützt, wie sie in den neuen "Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Pflege von Standardsoftware" (EVB-IT-Pflege S, festgelegt sind.
Dort ist unter Ziffer 4 (Leistungsdauer, Kündigung) vorgesehen, dass, soweit keine individuelle Vertragslaufzeit vereinbart worden ist, eine Kündigung mit einer Frist von drei Monaten erfolgen kann. Damit steht auch hier die Festlegung der Vertragsdauer maßgeblich im Ermessen der Vertragsparteien.
Das OLG Koblenz kommt daher zu der Schlussfolgerung, dass es in dem Bereich von Pflegeverträgen soweit die Vertragsparteien Unternehmer sind, grundsätzlich kein berechtigtes Vertrauen dahin geben kann, dass ohne individuelle Vereinbarung eine Pflege der eingesetzten Software garantiert werde und das Kündigungsrecht während dieser Zeit ausgeschlossen sei.
Zu einem anderen Ergebnis kommt das Landgericht (LG) Köln in seiner bekannten aber älteren Entscheidung vom 16.10.1997, Az. 83 O 26/97. Danach kann aufgrund einer selbständigen leistungsbezogenen Nebenpflicht aus § 242 BGB eine Pflegeverpflichtung für einen bestimmten Zeitraum bestehen. Diesen Zeitraum setzt das LG Köln mit "Lebenszyklus" der Software zuzüglich 5 Jahre an, berechnet ab dem Zeitpunkt, ab dem diese Software letztmals am Markt angeboten wurde (LG Köln, Urteil vom 16.10.1997, Az. 83 O 26/97, Abs. 21).
Das LG begründet dies damit, dass nach dem Vertrags- und Leistungszweck bei dem Erwerb der Software die Nutzungsmöglichkeit der Programme für eine gewisse Zeit gesichert sein muss. Das LG führt hierzu aus:
„Die Kammer hält….. unter Berücksichtigung der - gesetzlichen - Gewährleistungsfrist und einer angemessenen Frist für die Wartung der komplexen Indus-Programme einen weiteren Zeitraum von 5 Jahren für interessengerecht. Bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien kann die Beklagte, auch wenn die Klägerin die Indus-Programme länger nutzen will und kann, nicht verpflichtet werden, die - durch neue Programme abgelösten - Indus-Programme mehr als 5 Jahre über deren "Lebenszyklus" hinaus zu warten und dafür extra personelle und sachliche Mittel bereitzuhalten. Es darf nämlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich auch bei den von der Klägerin erworbenen Software-Paketen um Produkte handelt, die ständig weiterentwickelt und - in relativ kurzen Zeitabständen - durch neue Produkte ersetzt werden. Maßgebend für die Dauer der Pflegepflicht der Beklagten kann daher nicht die tatsächliche Nutzungsdauer, die Amortisation oder die Dauer der steuerlichen Abschreibung der Programme, sondern nur deren "Lebenszyklus" zuzüglich einer angemessenen Frist sein.“
Das LG Köln kommt daher zu dem Schluss, dass aufgrund des berechtigten Interesses des Auftraggebers der Pflegevertrag durch den Auftragnehmer nicht durch eine ordentliche Kündigung beendet wurde und der Auftragnehmer zur Wartung verpflichtet blieb.
Die im Urteil des LG Köln festgelegte Mindestlaufzeit wird aber von der herrschenden Meinung in der Literatur als unverhältnismäßig kritisiert. Auch das OLG Koblenz lehnt in der oben genannten Entscheidung eine derart weitgehende Pflegeverpflichtung ab, weil nicht auf das konkret zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis abgestellt werde, sondern auf die Verfügbarkeit des Produkts auf dem Markt.
Das OLG Koblenz geht allerdings ebenfalls von einer Pflegeverpflichtung für den Zeitraum des Lebenszyklusses des konkret eingesetzten Programms aus. Der Nutzer kann demnach die berechtigte Erwartung haben, dass die Softwarepflege für den Zeitraum von etwa fünf Jahren ab Nutzungsbeginn bei dem betreffenden Kunden sichergestellt sein muss.
In dem vom OLG Koblenz zu entscheidenden Sachverhalt spielte dies jedoch im Ergebnis keine Rolle, da dieser Zeitraum bei Kündigung weit überschritten war. Daher sah das OLG Koblenz die Kündigung als wirksam an.
1.3 Verstoß gegen vertragliche Aufklärungspflichten
Aber auch wenn das Softwarehaus zur Kündigung berechtigt wäre, könnte es wegen schuldhafter Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungs- und Beratungspflicht zum Ersatz des durch seine Kündigung entstandenen Schadens gemäß §§ 280 Abs.1 i. V. m. 241 Abs.2, 311 Abs. 2 BGB verpflichtet sein. § 241 Abs. 2 BGB regelt, dass jedes Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten kann. Aus dieser Regelung hat die Rechtsprechung, insbesondere bei überlegender Sachkunde eines Vertragspartners, manigfaltige Aufklärungs- und Beratungspflichten herausgelesen, die auch bereits im vorvertraglichen Bereich gelten.
Eine solche Pflicht zur Aufklärung bestünde z.B., wenn das Softwarehaus bei Vertragsabschluss bereits gewusst hätte, dass die Pflege des überlassenen Programms in Kürze eingestellt würde. Dann hätte es seinen Vertragspartner auf diesen Umstand aufmerksam machen müssen. Der hätte dann entweder die Chance gehabt, sich für ein anderes Produkt zu entscheiden oder längere Kündigungsfristen auszuhandeln.
Steht fest, dass eine Beratungspflicht verletzt wurde, kann der Kunde gemäß § 280 BGB den Ersatz des durch die Kündigung entstandenen Schanden verlangen. Dies gilt nicht, wenn das Softwarehaus beweisen kann, dass es die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Der zu ersetzende Schaden könnten die Umstellungskosten des Kunden sein.
2. Fazit
Obwohl eine Kündigungsklausel in einem Pflegevertrag scheinbar Sicherheit gibt, ist die Rechtsposition des Kündigenden nicht so eindeutig, wie dies auf den ersten Blick scheint. Wehrt sich der Softwarenutzer, hat er große Chancen, sich gegen das kündigende Softwarehaus durchzusetzen, wenn die Kündigung vorzeitig, das heißt vor dem Ablauf von 5 Jahren nach Nutzungsbeginn erfolgt. Auch besteht bei geeigneter Konstellation das Risiko, wegen Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
0 Kommentare