OLG Hamm: Wettbewerbswidrige Verwendung der Bezeichnung „Bio“ bei Kosmetikprodukten

OLG Hamm: Wettbewerbswidrige Verwendung der Bezeichnung „Bio“ bei Kosmetikprodukten
von Mag. iur Christoph Engel und Miriam Englisch
06.09.2012 | Lesezeit: 3 min

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„Bio“ und „Öko“ liegen im Trend, und das nicht mehr nur bei Lebensmitteln – auch bei Kosmetika wird immer öfter auf eine naturnahe Gewinnung und entsprechend vorteilhafte Eigenschaften der Produkte verwiesen. Allerdings sollten diese Kosmetika dann auch halten, was das Kürzel „Bio“ dem Verbraucher verspricht, wie das Oberlandesgericht Hamm kürzlich entschied. Die Grenze zogen die Richter hier bei einem mindestens 50%igen Anteil an natürlichen bzw. pflanzlichen Inhaltsstoffen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 27. März 2012, Az. I-4 U 193/11).

Neben natürlichen/pflanzlichen Inhaltsstoffen enthalten gerade Kosmetika „natürlich“ auch chemische Zusatzstoffe, die nicht unbedingt der Vorstellung des Verbrauchers von „Bio“ oder „Öko“ entsprechen dürften; andererseits sind die Zeiten, in denen Make-up noch mit zerriebenen Hölzern und angerührter Erde angelegt wurde, inzwischen passé. Dennoch werden die Begriffe „Bio“ oder „Öko“ von vielen Unternehmen als beliebte Werbemittel eingesetzt, um dem Wunsch der Verbraucher nach einem gesünderen Lebensstil entgegenzukommen.

Wo nun für die wettbewerbsrechtliche Verwendbarkeit der Begriffe eine sinnvolle Grenze zwischen 100% Bio und 100% Chemo zu ziehen ist, darüber hatte unlängst das OLG Hamm zu entscheiden. Zu beurteilen war ein „Bio-Oil“, welches in der Realität jedoch alles andere als „Bio“ war sondern sich eher als chemische Keule entpuppte. Tatsächlich war das Öl überwiegend aus chemisch-industriellen Inhaltsstoffen zusammengesetzt; über diesen Umstand wurde auf der Webseite, über die das Kosmetikprodukt vertrieben wurde, auch nicht weiter aufgeklärt.

Das OLG Hamm entschied hierzu, dass die Bezeichnung „Bio-Oil“ für ein solches Kosmetikprodukt wettbewerbswidrig ist, da eine falsche Vorstellung  beim Verbraucher erzeugt werde; dieser mache sich über den Inhalt des Kosmetikprodukts eine bestimmte Vorstellung hinsichtlich der Inhaltsstoffe, die der tatsächlichen Zusammensetzung nicht entspreche (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 27. März 2012, Az. I-4 U 193/11; mit weiteren Nachweisen):

„Die Bezeichnung „Bio-Oil“ vermittelt dem Verbraucher den Eindruck, dass das so bezeichnete Kosmetikum zumindest überwiegend, das heißt 50%+X, aus natürlichen/pflanzlichen Inhaltsstoffen zusammengesetzt ist. […] Die Silbe ‚Bio‘ spricht die Verbraucher genau auf den Gesichtspunkt der Herkunft der Inhaltsstoffe an, nämlich darauf, ob die Inhaltsstoffe natürlicher/pflanzlicher oder chemischer Herkunft sind.“

Zwar wisse der Verbraucher auch, dass chemische Zusätze notwendig seien um die Haltbarkeit eines Kosmetikprodukts zu verlängern, jedoch gehe er bei einem „Bio“-Produkt davon aus, dass es überwiegend aus natürlichen und pflanzlichen Inhaltsstoffen zusammengesetzt sei. Die Silbe „Bio“ verliere ansonsten jeglichen Sinn. Der Verbraucher sei durch die Bezeichnung „Bio-Oil“ folglich getäuscht und in die Irre geleitet worden, wodurch ein Wettbewerbsverstoß im Sinne des UWG vorliegt.

Es ist folglich festzuhalten, dass Kosmetikprodukte nur mit der Bezeichnung „Bio“ beworben werden sollten, wenn diese auch zum größten Teil – laut OLG Hamm also „50%+X“ – aus natürlichen bzw. pflanzlichen Inhaltsstoffen hergestellt wurden. Dieses sozusagen salomonische Urteil stellt nach seinem Wortlaut jedoch nur ein absolutes Minimum  an Verbrauchervorstellung fest: Das „Bio-Oil“ ist nach diesem Judikat definitiv kein „Bio“-Produkt; es ist nicht auszuschließen, dass die hier angedeutete Fifty-fifty-Grenze in der zukünftigen Rechtsprechung noch weiter in Richtung 100% Bio rutscht. In der „50%+X“-Formel sollte das X also durchaus für eine große Zahl stehen, ansonsten ist die Verwendung der Silben „Bio“ oder „Öko“ mit wettbewerbsrechtlichen Risiken behaftet.

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