Kommentar der IT-Recht Kanzlei zur "Preis auf Anfrage"-Entscheidung des LG München I
Die Entscheidung des LG München I schafft ein Dilemma für Händler, die „konfigurationsbedürftige“ Waren in ihrem Sortiment haben und an Letztverbraucher verkaufen.
Ist der Händler dabei vor der Erstellung eines konkreten Angebots auf Input seitens des Lieferanten bzw. des Herstellers angewiesen, etwa hinsichtlich der Verfügbarkeit oder des konkreten Kombinations- bzw. jeweiligen Tagespreises, kann dieser in aller Regel nicht mittels einer Echtzeitkalkulation arbeiten. Dann ist es dem Händler nicht möglich, dem Interessenten bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dessen Konfigurationsvorgang den Gesamtpreis der zusammengestellten Ware zu nennen.
Diese fehlende Preisangabe stellt dann nach der Ansicht des LG München I regelmäßig einen abmahnbaren Wettbewerbsverstoß dar, der auch nicht dadurch „geheilt“ werden kann, dass dem Interessenten diese Preisangabe – zeitlich verzögert – auf Anfrage nachgeliefert wird.
Sofern die Ansicht des LG München I Schule macht, wird es künftig nahezu unmöglich sein, Waren mit komplexen Konfigurationsmöglichkeiten rechtssicher zu präsentieren. Mit der Begründung des LG München I verwischt die Grenze zwischen bloßer Werbung für eine Ware und dem „Anbieten“ einer Ware im Sinne der PAngV.
Die fehlende Nennung des Preises – als wohl wesentlichstem Kriterium für eine informierte Verbraucherentscheidung – ist nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei ein geeignetes Kriterium, bloße Werbung für eine Ware sauber von einem „Anbieten“ einer solchen Ware im Sinne der PAngV abzugrenzen. Wird kein Preis genannt, ist jedermann klar, dass erst noch eine weitere Hürde – nämlich die Bestimmung des Preises – zu nehmen ist, bevor es zu einem Abschluss des Geschäfts kommen kann. Ein Interessent kann also gerade nicht davon ausgehen, dass er nur noch „Ja“ sagen muss, damit das Geschäft zustande kommt.
Das Gericht stellt hier angebliche Verbraucherinteressen über berechtigte Unternehmerinteressen und verkennt, dass dadurch im Ergebnis dem durch die Möglichkeiten des Internets mittlerweile gegebenem hohen Niveau der Preistransparenz sogar geschadet werden wird. Können solch komplexe Warenkonfiguratoren mit dem LG München I nicht mehr rechtssicher betrieben werden, wird die Konfiguration künftig – wie in früheren Zeiten – wieder telefonisch oder per Email erfolgen müssen. Dies verzögert die Preisfindung nur noch weiter nach hinten und schafft zusätzlichen Aufwand und Kosten sowohl für Verbraucher, als auch Unternehmer.
Das Gericht verlangt hier vom Händler etwas, was er in der Regel schlicht nicht leisten kann. Auch im vorliegenden Fall hat die Beklagte dargetan, dass es ihr schlicht unmöglich ist, die geforderten Angaben zum geforderten Zeitpunkt zu tätigen.
Der Entscheidung des LG München I kann nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei nur dadurch begegnet werden, indem bereits bis zum Abschluss des Konfigurationsvorgangs der Gesamtpreis der konfigurierten Ware angezeigt wird, oder – sollte dies wie so oft - nicht möglich sein der Konfigurationsvorgang schlicht nicht abgeschlossen werden kann, bis der Händler die entsprechende Bestätigung vom Lieferanten bzw. Hersteller hat.
In letzterem Falle sollte der Händler den Interessenten gut sichtbar bereits vor bzw. spätestens bei Einleitung des Konfigurationsvorgangs darauf hinweisen, dass er in jedem Fall zunächst mit dem Lieferanten bzw. Hersteller Rücksprache halten muss, ob die Ware in der konfigurierten Gestalt überhaupt geliefert werden kann bzw. derzeit verfügbar ist. Vor Beendigung des Konfigurationsvorgangs sollte dem Interessenten dann mittels deutlichem „Warnhinweis“ angezeigt werden, dass der Händler hier erst noch mit dem Lieferanten bzw. Hersteller Rücksprache halten muss, um klären zu können, ob die Ware nach den Wünschen des Verbrauchers konfiguriert werden kann und auch lieferbar ist. Sollte der Verbraucher eine solche Klärung wünschen, müsste im Konfigurator eine entsprechende Funktion vorhanden sein, diese Anfrage zu veranlassen und der Hinweis erscheinen, dass der Verbraucher im Zeitraum X eine Rückmeldung vom Händler erhält, und anhand dieser Rückmeldung der Konfigurationsvorgang abgeschlossen werden kann (z.B. durch Mitteilung eines Konfigurationscodes oder eines Links).
Im Rahmen dieser Mitteilung muss dem Interessenten zugleich der Gesamtpreis der Ware genannt werden und dieser auch in den – erst dann abschließbaren – Konfigurationsvorgang eingespielt werden.
Dies führt einen – meist mittels erheblichen Aufwands programmierten und aktuell gehaltenen Konfigurator – natürlich in gewisser Weise ad absurdum.
Die – zugegebenermaßen praxisfremde – Ansicht des LG München I, dass ein „Anbieten“ im Sinne der PAngV regelmäßig auch dann vorliegt, wenn gar kein Preis als „essentiale negotium“ für die dargestellte Ware genannt wird dürfte dann jedenfalls nicht gegen den Händler verwendbar sein, wenn im Rahmen der „Konfiguration“ noch gar nicht feststeht, ob diese „Konfiguration“ überhaupt möglich ist, also die Ware wie angedacht überhaupt geliefert werden kann.
Steht neben dem Preis auch die Beschaffenheit der Ware nicht fest, dürfte auch das LG München I kaum zu der Ansicht gelangen, dass damit bereits eine Ware im Sinne der PAngV „angeboten“ wird.
Damit dreht sich der Händler gewissermaßen im Kreis, verschafft sich jedoch Luft, die geforderten Angaben liefern zu können.
Hüten sollten sich Händler dann natürlich zudem vor reißerischen Angaben wie „Bestpreis“ oder „günstigster Preis bei uns garantiert“, da dadurch in Bezug auf das Preiskriterium bereits eine Aussage getroffen wird, der Verbraucher zudem in besonderer Weise angelockt und damit ein gesteigertes Interesse an einer (zeitnahen) Vergleichsmöglichkeit in Bezug auf den tatsächlichen Gesamtpreis der so beworbenen Ware hat.
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© Janina Dierks - Fotolia.com
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2 Kommentare
Bisher bin ich davon ausgegangen, dass man als Gewerbetreibender selbst entscheiden kann, mit wem, in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen man Geschäfte macht.
Wenn mein Geschäftsmodell vorsieht, einen hochelitären und auschliesslichen Kreis von AMEX Centurion Inhabern zu meinen Kunden zu machen und sonst niemanden, dann kann ich das also nicht dadurch machen, in dem ich als einziges Zahlungsmittel die AMEX Centurion Karte zulasse. Keine Barzahlung, keine Überweisung und auch kein Paypal. Nur Centurion.
Es scheint auch so, dass ein Gewerbetreibender nicht steuernd daraufhinwirken darf, welches Zahlungsmittel in seinem Laden (auch Online-Shop) verwendet wird. Barzahlung bedeutet, dass abends mehr oder weniger große Geldbeständen zum Nachttresor der Bank gebracht werden müssen; die im übrigen häufig für die Bareinzahlung Gebühren verlangt. Lastschrift bedeutet ein mindestens 6 wöchiges Ausfallrisiko, für den Fall, dass die Lastschrift vom Kunden storniert wird. Dieses Risiko kostet Geld, das offensichtlich nicht fair und verursachergerecht auf die entsprechenden Kunden umgelegt werden darf.
Der deutsche Betreiber eines Online-Shops muss mittlerweile über die Jahre teuer erkauften Kundenservice wieder abschaffen, weil die Gerichte in Ihrem eigenen Gesetzeswald nicht mehr durchblicken. So wird mittlerweile die Tell-A-Friend Funktion als unzulässige, zustimmungspflichtige Werbung eingeordnet und ist abmahnfähig. Was soll das?
Mittlerweile scheint der Verbraucherschutz so weit zu gehen, dass es ein verbrieftes Recht auf Shopping zu geben scheint. Die Gewerbetreibenden müssen sich, neben all den sinnvollen und sinnlosen Informationspflichten scheinbar auf jedes Geschäft zu den Bedingungen der Verbaucher einlassen. Wenn sie es nicht tun, handeln sie nach Ansicht einiger Richter immer öfter Wettbewerbswidrig.
Wenn der Gesetzgeber nicht langsam die Abmahnmöglichkeiten deutlich einschränkt, und wenn die Gerichte bei ihrer Rechtsprechung nicht irgendwann mal Augenmaß ansetzen und nicht immer pauschal Verbraucherrecht als einzig schutzwürdig ansehen, dann wird über kurz oder lang den deutschen Gewerbetreibenden die Luft zum atmen genommen. Dann werden innovative Geschäftsmodelle nicht in Deutschland entwickelt. Deutschland bleibt dann auf ewig zur Servicewüste verdonnert. Nicht, weil unsere Gewerbetreibenden keinen Service bieten wollen, sondern weil sie nicht dürfen.
Auch die deutschen Kunden werden sich dann zunehmen Geschäften im Ausland zuwenden, bei denen sie ernst genommen werden, von denen sie Selbstbestimmung erfahren und von denen sie nicht wie Kleinkinder behandelt werden, die vor sich selbst geschützt werden müssen, weil sie nicht wissen, wie man sich die Schuhe zubindet.
Ein bisschen Mündigkeit stünde uns gut und unsere Kunden werden sie ganz bestimmt verkraften.