KG Berlin zur Nährwertdeklaration: Anzeige von Informationen über Vitamine vor übrigen Nährwertangaben ist wettbewerbswidrig
Die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) regelt europaweit einheitlich die Kennzeichnung von Lebensmitteln. Dabei trifft der Rechtsakt präzise Vorgaben zu Art, Form und Inhalt der Pflichtinformationen auf Lebensmittelverpackungen. Unter anderem gilt hiernach seit Ende 2016 die Pflicht zur Ausweisung einer inhaltlich korrekten Nährwertdeklaration, für die spezifische Gestaltungsregeln zu beachten sind. Deren Missachtung stellt grundsätzlich einen abmahnbaren Wettbewerbsverstoß dar. Das Kammergericht Berlin hat nun in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss v. 22. Oktober 2019 - Az. 5 U 2/19) die Darstellung der Nährwertdeklaration auf nimm2-Verpackungen des Herstellers Storck für ungenügend und daher wettbewerbswidrig erklärt.
Inhaltsverzeichnis
I. Die Rechtslage
Art. 34 der LMIV trifft Regelungen über die Darstellungsform der verpflichtenden Nährwertangaben für Lebensmittel. Unter anderem regelt dabei Absatz 1, dass alle Nährwertangaben im selben Sichtfeld und als Ganzes in einem übersichtlichen Format und gegebenenfalls in der in Anhang XV der Verordnung vorgegebenen Reihenfolge zu erscheinen haben.
Absatz 2 bestimmt dahingegen, dass die Angaben dabei, sofern genügten Platz vorhanden ist, in Tabellenform darzustellen sind, wobei die einem Nährstoff zugewiesenen zahlenmäßigen Mengenangaben untereinanderstehen müssen. Bei Platzmangel könnten sie auch hintereinander aufgeführt werden.
Enthaltene oder zugefügte Vitamine dürfen zusätzlich auf der Packung aufgeführt werden. Grundsätzlich dürfen sie jedoch erst am Ende der Tabelle des Produktes nach den gesetzlich vorgeschriebenen Nährwertangaben aufgelistet werden.
Detaillierte Informationen zu den Vorgaben und zur Umsetzung der Nährwertkennzeichnungspflichten nach der LMIV stellt die IT-Recht Kanzlei in diesem Leitfaden bereit.
II. Der Sachverhalt
Die Klägerin, die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., nahm den Hersteller Storck als Beklagten auf Unterlassung in Anspruch.
Sie behauptete dabei, die Darstellung der Nährwertangaben auf den nimm2-Verpackungen verstieße gegen Art. 34 Abs.1 und 2 der LMIV. Auf der Verpackung für „nimm2 Orangen- und Zitronenbonbons“ waren unter der Überschrift „Jedes nimm2 enthält zusätzlich eine Kombination von Vitaminen“ zwei Tabellen abgedruckt. In der linken Tabelle waren die Anteile der Vitamine dargestellt, in der rechten Tabelle waren die gesetzlich vorgeschriebenen Nährwertangaben des Produktes aufgelistet. Art. 34 Abs. 1 und 2 LMIV verpflichteten aber zur Anführung von Nährtwertangaben über Vitamine erst am Ende der Deklaration über die gesetzlich immer vorgesehenen Nährstoffe Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz.
Das Landgericht Berlin verurteilte den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung. Hiergegen hatte der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
III. Die Entscheidung des Gerichts
Das Kammergericht Berlin hat die Berufung von Storck zurückgewiesen und den Unterlassungsanspruch der Klägerin bestätigt.
Das Landgericht habe zutreffend einen Verstoß gegen Art. 34 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 LIMV bejaht. Demnach müssten die Nährwertangaben auf Verpackungen in einer bestimmten Reihenfolge erfolgen. Angaben über Vitamine dürften erst am Ende der Tabelle nach den gesetzlich vorgeschriebenen Nährwertangaben aufgelistet werden.
Die Richter befanden, dass die Darstellung der Vitamine in der linken Tabelle dem nicht gerecht werde. In Europa lese man Tabellen grundsätzlich von links nach rechts und von oben nach unten. Dies bedeute aber, dass der Verbraucher, wenn er sich über die Nährwertangaben informieren wolle, üblicherweise die linke Tabelle zuerst wahrnehme. Hier nehme er zuerst von dem Vitamingehalt Kenntnis und werde erst beim Weiterlesen auf der rechten Tabelle über die gesetzlich verbindlichen Nährstoffgehalte (etwa den hohen Zuckeranteil) informiert.
Die Richter entschieden, dass die Gestaltung der Produktaufmachung des Beklagten im Übrigen auch dafürspreche, dass die die konkrete Form der Nährwertdeklaration für Werbezwecke sogar beabsichtigt sei. Es sei nämlich kein anderer Grund dafür ersichtlich, von der üblichen und vorgeschriebenen Reihenfolge abzuweichen.
Zutreffenderweise habe das Landgericht in dem Verstoß gegen Art. 34 LMIV eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG gesehen, die sicherstellen soll, dass Verbraucher ihre Kaufentscheidungen eigenverantwortlich nach ihren individuellen Ernährungsbedürfnissen treffen könnten.
Der Verstoß gegen die Formvorgabevorschriften der LMIV sei auch dazu geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Es handele sich gerade nicht nur um einen irrelevanten Bagatellverstoß, da durch die Gestaltung der Verpackung die nicht unerhebliche Gefahr bestehe, den Blick des Verbrauchers zuerst auf den Vitamingehalt zu lenken und ihn so in die Irre zu führen.
IV. Fazit
Verstöße gegen die rigiden Lebensmittelkennzeichnungspflichten sind ein beliebtes Ziel von Abmahnungen. Auf die korrekte Darstellung der Nährwertangaben ist daher unbedingt zu achten. Tricksereien in der graphischen Gestaltungsweise werden von den Gerichten in der Regel streng gemaßregelt.
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