LG Düsseldorf: Verstoß auf weiterer Website ist kerngleicher Verstoß
Immer wieder wird darüber gestritten, ob ein ähnlicher Verstoß gegen eine zuvor abgegebene Unterlassungserklärung auch direkt die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe auslöst. Diese sogenannten kerngleichen Verstöße stellen einen klassischen Fall wettbewerbsrechtlicher Streitigkeiten dar. Das LG Düsseldorf (Urteil v. 13.11.2019, Az. 34 O 21/19) befasste sich in diesem Zusammenhang mit der Frage, ob eine hinsichtlich einer bestimmten Webseite abgegebene Unterlassungserklärung auch Verstöße auf anderen Internetseiten umfasst und somit direkt die Zahlungspflicht der vereinbarten Vertragsstrafe auslöst.
Verletzung / Kern / Vertragsstrafe - was ist geschehen?
Ein Verband zur Förderung gewerblicher und selbständiger Interessen ging gegen den Betreiber einer Arztpraxis vor. Der Streit drehte sich um die Werbung mit Festpreisen für ärztliche Behandlungen. Die Angabe solcher Festpreise stellt nämlich einen Wettbewerbsverstoß gem. § 3a UWG i.V.m § 5 Abs. 2 S. 1 GOÄ dar, wonach Gebühren für ärztliche Leistungen unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen sind.
Der Betreiber bot in seiner Praxisklinik, unter anderem Fettabsaugungen und Fetttransferbehandlungen am menschlichen Körper an. Außerdem trat der Betreiber der Arztpraxis unter zwei Internetpräsenzen www.A.de und www.B.de auf, wo er entsprechend für seine Tätigkeiten warb. Eine solche wettbewerbswidrige Werbung wurde ihm zum Verhängnis:
Auf einer der beiden Websites warb er mit folgendem Angebot:
"Fettabsaugung einer Region" für 2.000 €"
Es folgte eine Abmahnung und Verhandlungen über den Inhalt der abzugebenden Unterlassungserklärung. Schließlich einigten sich die Parteien auf folgende Unterlassungserklärung:
"dass die Beklagte es ab dem 12. März 2018 unterlassen wird, unter www.A.de für ästhetischplastische Chirurgie in der exakt nachfolgend dargestellten Gestaltung mit Pauschalpreisen zu werben: [Einblendung der ursprünglich angegriffenen Werbung mit Festpreisen ]."
Später warb der Beklagte erneut in wettbewerbswidriger Weise, dieses Mal jedoch unter der Domain www.B.de. Der Kläger machte in der Folge die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe geltend. Er war der Ansicht, mit der Werbung auf der Webseite www.B.de verstoße der Beklagte gegen den zwischen den Parteien geschlossenen Unterlassungsvertrag. Die Unterlassungserklärung des Beklagten umfasse nicht nur den Internetauftritt www.A.de, sondern auch www.B.de. Der Beklagte habe mit einem Festpreis geworben, ohne differenzierte Kosten nach GOÄ darzustellen.
Entscheidung des LG Düsseldorf: Wenn sich der Kern gleicht...
Das LG Düsseldorf (Urteil v. 13.11.2019, Az. 34 O 21/19) urteilte, dass sich der Beklagte mit Abschluss des Unterlassungsvertrages über den bloßen Wortlaut des Vertrages hinaus gegenüber dem Kläger verpflichtet hat, nicht nur auf der Webseite www.A.de, sondern auf allen Webseiten und in allen Medien entsprechend zu werben.
Grundsätzlich sei hinsichtlich der Unterwerfungserklärung im Rahmen der Unterlassungserklärung die sogenannte Kerntheorie einschlägig. Danach lasse eine auf die konkrete Verletzungsform bezogene Unterwerfungserklärung die Wiederholungsgefahr auch für solche Varianten des Verhaltens entfallen, die mit der konkreten Verletzungsform kerngleich sind. Dies gelte auch dann, wenn der Gläubiger in seiner Abmahnung eine abstrakte über die konkrete Verletzungsform hinausgehende Unterwerfung gefordert hat, der Unterwerfungsschuldner sich aber auf eine konkrete Verletzungsform beschränkt.
Es sei vorliegend unerheblich, dass der Beklagte in seiner Erklärung die Unterwerfungserklärung auf die Webseite www.A.de beschränkt hat. Der Unterlassungsvertrag schließe die Wiederholungsgefahr für alle kerngleichen Verstöße auf allen Webseite aus. Für den Schuldner stelle sich bei der Formulierung der Unterwerfungserklärung die Frage, ob er sich bei dem, was er zu unterlassen verspricht, streng an der konkreten Verletzungsform orientieren kann oder ob er – um sicherzugehen, dass die Wiederholungsgefahr entfällt – eine abstrakte Formulierung wählen muss. Grundsätzlich gelte jedoch auch im Rahmen der Unterwerfungserklärung die Kerntheorie. Daher müsse eine auf die konkrete Verletzungsform bezogene Unterwerfungserklärung die Wiederholungsgefahr auch für Varianten des Verhaltens entfallen lassen, die mit der konkreten Verletzungsform kerngleich sind.
Zwar handelt es sich bei strafbewehrten Unterlassungserklärungen um Verträge, die nach den allgemeinen Bestimmungen auszulegen sind und somit auch eine Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform (Ausschluss der Erfassung kerngleicher Handlungen) ermöglichen. Zur Annahme einer solchen Beschränkung müssen jedoch besondere Umstände vorliegen, die eine solche Auslegung rechtfertigen.
Das Gericht stellte fest, dass es den Parteien ganz ersichtlich nicht um das Medium der Werbung, sondern um das inhaltliche "wie" der Werbung ging. Deshalb sei der Verstoß auf der Website www.B.de kerngleich zum im Unterlassungsvertrag aufgenommenen Verstoß auf Website www.A.de mit der Folge, dass dies direkt die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe auslöse.
Fazit: Alles muss überall raus
Ein kerngleicher Verstoß gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung umfasst nicht nur die konkret genannte, sondern auch gleichartige bzw. leicht abgewandelte Handlungen. Wenn nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ein kerngleicher Verstoß begangen wird, steht dem Gläubiger des Unterlassungsvertrags gegen den Schuldner direkt ein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe zu. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, durch entsprechende Vereinbarung ebensolche kerngleiche Verstöße auszuschließen. Ist ein solcher Ausschluss wirksam vorgenommen, muss bei einem ähnlichen Verstoß erneut abgemahnt werden und eine weitere strafbewehrte Unterlassungserklärung hinsichtlich des neuen, kerngleichen Verstoßes eingeholt werden.
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