Kennzeichnung von Leuchten im Online-Handel: Gravierende gesetzliche Widersprüchlichkeiten
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"Wegfall der verpflichtenden Energieverbrauchskennzeichnung für Leuchten zum 25.12.2019!"
Die Kennzeichnung von Leuchten unterfällt grundsätzlich dem Regelungsbereich der EU-Verordnung Nr. 874/2012, die mit Wirkung ab dem 01.03.2014 weitgehende Informationspflichten für Händler vorsieht. Für den Bereich des Online-Handels wurde diese durch die EU-Verordnung Nr. 518/2014 abgeändert und um ein vermeintlich zusätzliches Pflichtenprogramm erweitert. Dabei hat der europäische Gesetzgeber jedoch den Regelungsumfang des originären Rechtsaktes offensichtlich außer Acht gelassen und mithin inhaltlichen Überschneidungen, Wertungswidersprüchen und Rechtsunsicherheit die Tore geöffnet. Im folgenden Beitrag zeigt die IT-Recht-Kanzlei die folgenschweren Probleme auf, mit denen sich Online-Händler von Leuchten durch das Zusammenspiel aus Ausgangs- und Ergänzungsverordnung nunmehr konfrontiert sehen.
1. Die ausgehende Rechtslage nach EU-Verordnung Nr. 874/2012 für Online-Händler
Nach Art. 4 Abs. 2 lit. a) i) des obenstehenden Rechtsaktes sind Händler gehalten, in jeglicher Werbung sowie in allen offiziellen Preisangeboten oder Ausschreibungsangeboten, in denen energiebezogene Informationen oder Preisinformationen zu einer bestimmten Leuchte bekannt gegebenen werden, sämtliche Informationen, die das Etikett gemäß Anhang I Abschnitt 2 der Verordnung enthält, vollumfänglich bereitzustellen. Zwar muss nicht auf das tatsächliche Energielabel zurückgegriffen werden, weil insofern auch eine Darstellung in Textform für ausreichend befunden wird.
Allerdings hat ein derartiger Umfang der Kennzeichnungspflichten drastische Auswirkungen für den Online-Handel, weil der Wortlaut der Verordnung (vgl. „jegliche“ bzw. „alle“) auch Preisangebote und Werbung im Internet einbezieht.
a) Bei Online-Angeboten
So fallen in den Geltungsbereich der Obliegenheiten sämtliche Online-Präsenzen von Händlern, in denen Leuchten mit Preisangabe angeboten werden. Den Kennzeichnungspflichten ist also zum einen bei Angeboten nachzukommen, welche der Händler in seinem eigenen Online-Shop verwaltet, und zum anderen auch auf Webseiten externer Anbieter, die Händlern die Möglichkeit zum Warenvertrieb eröffnen (z.B. eBay, Amazon etc.). Angebote unterscheiden sich von Werbung grundsätzlich darin, dass ihnen die direkte Einkaufsmöglichkeit immanent ist und aus dem Angebot heraus ein Vertragsschluss möglich wird. Werbung dahingegen soll ohne die unmittelbare Möglichkeit zum Erwerb auf ein bestimmtes Produkt oder Sortiment aufmerksam machen.
b) Bei Online-Werbung
Eine derartige Differenzierung berücksichtigt die Verordnung allerdings nicht. Vielmehr hat der Online-Händler die Anführung des jeweiligen Etiketts oder des entsprechenden Informationsgehaltes in Textform auch in „jeglicher“ digitaler Preiswerbung sicherzustellen. Diese hat angesichts aktueller Entwicklung nahezu unergründliche Dimensionen angenommen.
Neben den klassischen Fällen von shopeigenen und externen Artikelübersichten oder Angebotsbannern auf der Frontseite unterfallen auch Produktsuchmaschinen und Preisvergleichssuchmaschinen, die lediglich eine Kategorisierung oder einen hierarchische preisliche Aufstellung stoffähnlicher Produkte vornehmen und im Folgenden eine Weiterleitung auf Händlerseiten ermöglichen, dem Begriff der Online-Werbung. Zudem bewegen sich auch absatzfördernde Anzeigen mit Preisbezug auf Drittseiten (z.B. Google-Ads) im Geltungsbereich sodass bereits dort entweder die Etiketten selbst oder aber die darin enthaltenen Informationen in Textform dargestellt werden müssten.
2.) Die Entscheidung für eine Darstellungsform
Zwar kann der Online-Händler bei der Darstellung der Pflichtinformationen bei Werbung und Angeboten im Internet grundsätzlich wählen zwischen
- der Einbindung des Etiketts oder
- der Anführung der in diesem enthaltenen Hinweise in Textform.
Faktisch aber liegt die Entscheidung für die erste Option aus zweierlei Gründen nahe. Zum einen nämlich liefe die Angabe eines Textes darauf hinaus, die Informationen des Etiketts, das immer vom Hersteller bereitzustellen ist, in Eigenarbeit zu extrahieren und nach den spezifischen Maßgaben der Verordnung auf den konkreten Leuchtentyp zuzuschneiden, was nur mit einem erheblichen Arbeitsaufwand zu bewerkstelligen wäre. Zum anderen aber würde die Anführung eines Textes weitaus mehr Platz beanspruchen als die bloße, manche Formen der Werbung (z.B. Google-Ads ohnehin schon unmöglich machende) Einbettung des Etiketts und könnte mangels klarer gesetzgeberischer Vorgaben zu Schriftgröße, Schriftart, Hintergrund und Farbwahl im Zweifel ein weit höheres Abmahnpotenzial bergen.
Sollte die Möglichkeit der Textform eine Erleichterung und eine geringere Belastung für Händler darstellen, so verfehlt sie angesichts der Vielzahl von Leuchtenarten und Lieferungsoptionen (mit oder ohne festverbaute LEDs, mit oder ohne Fassungen für weitere Lampen, mit oder ohne im Lieferumfang enthaltenem austauschbaren Leuchtmittel) offensichtlich ihren Zweck und hat im Zweifel ein Plus an Mühe und Rechtsunsicherheit zur Folge.
Wählt der Online-Händler mithin für die Werbung und seine Angebote auf der eigenen Internetseite und auf externen Plattformen die Einbindung des Etiketts, stellt sich allerdings die Frage, was der europäische Gesetzgeber mit der EU-Verordnung Nr. 518/2014 im Angesicht der Leuchtenkennzeichnung im Internet zu bezwecken versuchte.
3.) Ergänzung durch die EU-Verordnung Nr. 518/2014
Die Verordnung (EU) Nr. 518/2014 sieht in Art. 7 die Ergänzung der EU-Verordnung Nr. 874/2012 um einen Anhang VIII und die des Art. 4 Abs. 2 um folgenden Buchstaben d) vor:
„d) [Händler von Leuchten, die an Endnutzer vermarktet werden sollen, sorgen dafür, dass...] jedes Modell, das im Internet zum Verkauf, zur Vermietung oder zum Ratenkauf angeboten wird und für das ein elektronisches Etikett gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe e) bereitgestellt wird, mit dem Etikett gemäß Anhang VIII versehen ist.“
Eingeführt wird für Online-Angebote (nämlich solche zum Verkauf, zur Vermietung und zum Ratenkauf Internet) ein elektronisches Etikett, welches sich in Struktur und Inhalt nicht von dem üblichen physischen unterscheidet und faktisch nur dessen graphische digitale Form repräsentiert.
Anhang VIII enthält Vorgaben zur Umsetzung der (vermeintlich) neuen Pflicht zur Kennzeichnung von Internet-Angeboten
4.) Inhaltliche Überschneidung
Nach Art. 7 der EU-Verordnung Nr. 518/2014 soll die Pflicht zur Anführung von elektronischen Etiketten in Online-Angeboten für neue oder aktualisierte Leuchten gelten, die ab dem 01.01.2015 mit neuer Modelkennung in Verkehr gebracht werden.
Dem europäischen Gesetzgeber war augenscheinlich aber nicht bewusst, dass er die elektronische Kennzeichnungspflicht indirekt schon mit Art. 4 Abs. 2 lit. a i) der EU-Verordnung Nr. 874/2012 eingeführt hatte – und zwar unabhängig vom Datum des Inverkehrbringens zum 01.03.2014 (vgl. Art. 9).
Die Anführung der Etiketten (oder eines entsprechenden Textes) ist nach dieser Regelung nämlich für „alle offiziellen“ Preisangebote bereits verpflichtend gewesen, also auch für solche im Online-Handel. Da im Internet die Darstellung des Etiketts aber ausschließlich durch die Einbettung einer Graphik-Datei möglich ist, bestand die Obliegenheit zur Darstellung eines elektronischen Etiketts (bei unterstellter Wahl dieser Option) ungeachtet der durch die VO (EU) Nr. 518/2014 als „Ergänzung“ eingeführten Vorschrift faktisch bereits vorher.
Diese Inhaltsüberschneidung führt aber unglücklicherweise nicht nur dazu, dass die Regelung des eingefügten Buchstabe d) hinsichtlich der Anzeige eines elektronischen Etiketts in Online-Angeboten leerläuft. Es ergeben sich zudem auch Widersprüchlichkeiten.
5.) Widersprüchlichkeiten
Der durch die EU-Verordnung Nr. 518/2014 in die Leuchtenkennzeichnungsverordnung (Nr. 874/2012) eingefügte Buchstabe d) verweist zur Umsetzung der Darstellung des elektronischen Etiketts auf Anhang VIII.
Dieser wiederum sieht eine Wahlmöglichkeit der Online-Händler vor: zum einen soll es gestattet sein, das elektronische Etikett direkt in die jeweilige Website einzubinden. Zum anderen ist aber auch die Anführung per geschachtelter Anzeige möglich (die IT-Recht-Kanzlei berichtete in einem umfangreichen Beitrag), mittels derer das Etikett per Verlinkung an einen Pfeil in der Farbe der Energieeffizienzklasse angeknüpft werden und als Pop-Up nach einem Mouse-Over über die Pfeilgraphik angezeigt werden kann.
Diese Möglichkeit sieht die Verordnung (EU) Nr. 518/2014 vor,
„da die Anzeige des [elektronischen] Etiketts [...]neben dem Produkt mehr Platz auf dem Bildschirm in Anspruch nehmen könnte.“ (Erwägungsgrund 6)
Festzuhalten ist also, dass der europäische Gesetzgeber angibt, erkannt zu haben, dass die direkte Einbindung der Etikettengraphik erfordert, dass der Online-Händler jener den notwendigen Platz einräumt und dass dieser nicht auf jeder Website und bei jedem Internetauftritt gleichermaßen zu Verfügung steht. Eine geschachtelte Anzeige als wesensgleiches Minus soll die Lösung sein.
a) Deprivilegierung von Online-Werbung gegenüber Online-Angeboten
Nun besteht diese Möglichkeit nach dem eingefügten Buchstaben d) allerdings nur für Online-Angebote, durch welche die in Rede stehende Leuchte unmittelbar gekauft werden kann.
Für sämtliche Online-Werbung muss es daher bei dem Erfordernis der direkten Darstellung des Etiketts (oder eines entsprechenden Textes) nach Art. 4 Abs. 2 lit. a i) der Leuchtenkennzeichnungsverordnung bleiben.
Gerade hier ist der zur Verfügung stehende Platz aber deutlich geringer als auf Angebotsseiten, sodass im Zweifel bestimmte Werbeformen überhaupt nicht mehr genutzt werden können. Es erscheint nämlich überaus problematisch, ein 5cm breites und 10cm langes elektronisches Leuchtenetikett in einer Google-Anzeige unterzubringen, die ihrerseits gerade einmal maximal 20cm2 an Fläche aufweist.
Will der europäische Gesetzgeber dem Online-Händler in seinen Angeboten also durch die Möglichkeit einer geschachtelten Anzeige Platzknappheit und Intransparenz ersparen, wird er in seiner Werbung durch überdehnte und unflexible Darstellungserfordernisse gestraft, was die gedankliche widersprüchliche Schlussfolgerung nahelegt, dass Werbung ein erhebliches Mehr an Informationen erfordert als das eigentliche Angebot.
b) Problem des Verhältnisses der sich überschneidenden Regelungen
Ist diese Widersprüchlichkeit festgestellt, bleibt die Frage des Verhältnisses von Art. 4 Abs 2 lit. a i) zu dem von der EU-Verordnung Nr. 518/2014 eingefügten Art. 4 Abs. 2 lit. d) ungeklärt.
Sind die in Buchstabe a) i) angesprochenen Online-Angebote zukünftig dem Buchstaben d) unterzuordnen oder wird die Regelung des Buchstaben d) faktisch auf privilegierend auf Online-Angebote im Sinne des Buchstaben a) i) anzuwenden sein? Vielleicht intendiert das Zusammenspiel der Verordnungen aber auch, grundsätzlich stets die unmittelbare Darstellung des elektronischen Etiketts vorauszusetzen und eine geschachtelte Anzeige für Angebote im Internet erst für Leuchten zuzulassen, die mit neuer Modellkennung ab dem 01.01.2015 in Verkehr gebracht werden, um neuartige Produkte besserzustellen?
Eine Stellungnahme ob dieser Regelungskonkurrenz erscheint zu diesem Zeitpunkt unmöglich, weil unterstellt werden muss, dass der europäische Gesetzgeber sich beim Erlass der EU-Verordnung Nr. 518/2014 im Dickicht der vorangegangenen Regelungen verirrt hat und sich so der Reichweite der Händlerpflichten aus der Leuchtenkennzeichnungsverordnung Nr. 874/2012 und deren Anwendbarkeit im Online-Handel augenscheinlich nicht bewusst war.
6.) Fazit
Der Erlass der EU-Verordnung Nr. 518/2014 sollte für verschiedene energieverbrauchsrelevante Produkte bestehende Regelungslücken im Online-Handel schließen und bei Internet-Angeboten die Anführung elektronischer Kennzeichnungsdokumente verbindlich machen.
Im Bereich der Leuchtenkennzeichnung wurde diese Intention aber gleich mehrfach verfehlt.
Zum einen nämlich wurde übersehen, dass der Regelungsbereich des eingefügten Art. 4 Abs. 2 lit. d der EU-Verordnung Nr. 874/2012 bereits in Art. 4 Abs. 2 lit. a) enthalten war und eine inhaltliche Überschneidung mit sich brachte. Diese führt unweigerlich zur Frage des Verhältnisses zwischen den beiden konkurrierenden Vorgaben im Bereich der Online-Angebote von Leuchten und resultiert darin, dass Händlern einer erheblichen Rechtsunsicherheit unterliegen. Zum anderen aber schien sich der europäische Gesetzgeber nicht darüber im Klaren zu sein, dass die Möglichkeit einer geschachtelten Anzeige von elektronischen Leuchtenetiketten, wie sie Buchstabe d) vorsieht, nur für Online-Angebote einschlägig ist, während Online-Werbung nach wie vor ausschließlich durch die direkte Darstellung des Leuchtenetiketts (oder eines aufwendigen Textes) rechtskonform geschaltet werden kann. Dies resultiert in einer faktischen Privilegierung von Online-Angeboten gegenüber der bloßen Online-Werbung, welche dem allgemeinen Verständnis nach aber schon allein aufgrund der Platzknappheit weniger Auflagen erfahren sollte.
Somit ist zu unterstellen, dass sich der europäische Gesetzgeber der Reichweite der Regelungen zur originären Leuchtenkennzeichnung und deren Anwendbarkeit auf den Online-Markt überhaupt nicht bewusst war und infolgedessen Einschränkungen nie für nötig erachtete. Vielmehr weitete er das Pflichtenprogramm durch Ergänzungen nach der Verordnung Nr. 518/2014 zusätzlich aus und hat sich schließlich selbst überholt. Das Ergebnis ist eine Regelungskonkurrenz und eine Deprivilegierung von Online-Werbung, die Online-Händler nicht vor Rechtsanwendungsprobleme stellt, sondern sie gegenüber stationären Händlern mit Blick auf verkaufsfördernde und verkaufsimmanente Maßnahmen erheblich benachteiligt.
Während Online-Händler ob der rechtskonformen Umsetzung der Kennzeichnungspflichten im Dunkeln tappen, sieht der europäische Gesetzgeber das Licht vor lauter Leuchten nicht mehr.
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