„Keine Abmahnung ohne Kontakt“: Märchenstunde im Internet
Tipp: Weiterführende Informationen finden Sie hier: "Das Gruselkabinett der Distanzierungshinweise: Über Sinn und Unsinn von Disclaimern"
Aus der Stilblüten-Ecke des Internets sind sie nicht mehr wegzudenken: die Disclaimer. Mit schlichten, aber einprägsamen Formeln wie „Keine Abmahnung ohne Kontakt“ sollen sie Website-Betreiber vor kostspieligen Abmahnungen schützen. Leider hat gerade dieser relativ weit verbreitete Disclaimer neuerdings einen markanten Nachteil: seine Verwender werden doch abgemahnt – und zwar gerade weil sie ihn verwenden.
Inhaltsverzeichnis
Der Disclaimer
Immer wieder lassen sich Website-Betreiber neue Formulierungen einfallen, die juristischen Ärger von ihnen abwenden sollen – und immer wieder müssen sie dann leider feststellen, dass es wieder nicht geklappt hat. Einer dieser Einfälle ist eben jener „Keine Abmahnung ohne Kontakt“-Disclaimer, der sinngemäß in etwa so lautet:
„Keine Abmahnung ohne Kontakt: Sollte ich auf dieser Website gegen Gesetze oder Rechte Dritter verstoßen, nehmen Sie direkt Kontakt zu mir auf. Ich werde tatsächlich begangene Verstöße umgehend beheben, ein Rechtsbeistand ist hierzu nicht notwendig. Die Übernahme dennoch entstandener Rechtsberatungskosten werde ich grundsätzlich ablehnen und gegebenenfalls Gegenklage erheben.“
Die Idee dahinter ist durchaus verständlich: Website-Betreiber, die versehentlich einmal gegen eine Norm verstoßen, wollen zwar darauf aufmerksam gemacht, aber nicht direkt mit Anwaltsgebühren belastet werden. Und auch das Argument „wer’s billig haben kann, soll nicht unnötig Kosten verursachen“ klingt zunächst noch plausibel.
Rechtslage
Leider sieht die rechtliche Lage hier etwas anders aus. Denn das Recht zur Abmahnung wird grundsätzlich bereits mit dem Verstoß begründet – und daran kommt auch kein (noch so genial formulierter) Disclaimer vorbei. Im Gesetz steht sogar ausdrücklich geschrieben, der jeweils zu einer Abmahnung berechtigte „soll“ den Übeltäter abmahnen (vgl. z.B. in § 12 Abs. 1 UWG und § 97a UrhG); einerseits dient dies der Verhinderung unnötiger Prozesse, andererseits stellt die Abmahnung natürlich auch eine kleine Sanktion dar.
Aus diesem Blickwinkel wird auch die Sinnlosigkeit des Disclaimers deutlich. Überspitzt formuliert: ähnlich wäre es, ein Fahrrad zu stehlen und am Tatort die folgende Nachricht hinterlassen:
„Ich habe Ihr Fahrrad geklaut. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, dann zeigen Sie mich nicht an – rufen Sie mich unter 089/12345 an, ich bringe ggf. das Fahrrad zurück. Zeigen Sie mich dennoch an, kann ich wegen dieses Zettels ohnehin nicht verurteilt werden.“
Abmahnung kassiert
Einige Verwender dieses Disclaimers sind bereits abgemahnt worden – und zwar gerade wegen dieser Verwendung. Begründet wurde dies damit, dass dieser Disclaimer eine unzulässige AGB darstellt, da er einem Anspruchsinhaber seinen Anspruch (nämlich auf Ersatz der Rechtsbeistandskosten gem. § 12 Abs. 1 UWG) streitig machen soll. Hierzu ist allerdings zu bemerken, dass diese Begründung selbst ein bisschen hinkt: zwischen Abmahnberechtigtem und Abmahngegner besteht – zumindest im Fall des § 12 UWG – üblicherweise gar kein Vertragsverhältnis, weswegen der Disclaimer hier auch schwerlich als AGB auszulegen ist. Ein entsprechendes Gerichtsurteil zu diesem Thema steht jedoch noch aus.
Der Internet Privacy Act
Der neue Disclaimer erinnert an einen echten Klassiker: den angeblich im Jahre 1995 vom damaligen US-Präsidenten Bill Clinton verabschiedeten Internet Privacy Act (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Internet_Privacy_Act), der „private“ Verbreiter illegaler Downloads vor gesetzlichen Zugriffen schützen sollte. Der zugehörige Disclaimer lautet in etwa wie folgt:
„Diese Website ist privat. Wenn Sie einer Behörde, einer Anti-Piracy-Organisation oder einer ähnlichen Gruppierung angehören, ist Ihnen der Zutritt zu diesen Seiten untersagt. Die hier hinterlegten Dateien dienen rein privaten Zwecken, der Betreiber ist für mögliche illegale Aktivitäten Dritter gemäß Artikel 431.322.12 des 1995 erlassenen Internet Privacy Act grundsätzlich nicht verantwortlich.“
Dies ist natürlich in zweifacher Hinsicht falsch: erstens gab es nie einen Internet Privacy Act, zweitens schützt auch kein Disclaimer vor der Inanspruchnahme für begangene Urheberrechtsverletzungen.
Ein anderes griffiges Beispiel für solche sinnfreien und teilweise gefährlichen Disclaimer ist übrigens das immer noch weit verbreitete Exemplar „Alle Texte, Fotos und grafischen Gestaltungen auf dieser Internetpräsenz sind durch mich urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht ohne meine Einwilligung übernommen und verwendet werden“ (vgl. Artikel vom 01.02.2008 ).
Fazit
Die Idee des Disclaimers, der vor rechtlichen Sanktionen schützen soll, lebt offensichtlich schon seit 1995 – mit geradezu sportlichem Eifer wird an immer neuen Texten getüftelt, denn irgendwann muss ja doch der eine gelingen, der juristisch wasserdicht ist. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass daraus wohl nichts mehr wird. Zumindest im deutschen Recht ist es auch praktisch unmöglich, durch einseitige Erklärungen die Ansprüche Dritter, die in eigenem Fehlverhalten begründet sind, von sich abzuwenden. Im Gegenteil sind einige dieser Disclaimer nicht nur nutzlos, sondern sogar noch schädlich – die jetzt wegen „Keine Abmahnung ohne Kontakt“ abgemahnten Online-Händler werden ein Lied davon singen können. Denn auch der Erhalt einer – möglicherweise – ungerechtfertigten Abmahnung kostet erst einmal Geld, Zeit und Nerven.
Sollten Sie sich also auf Ihrer Website vor eventuellen Sanktionen schützen wollen, dann übernehmen Sie nicht einfach solche Texte aus dem nächstbesten Online-Forum und denken Sie sich auch keine eigenen Texte aus – die Erfahrung sollte gezeigt haben, dass solche Disclaimer schlichtweg nicht funktionieren. Wesentlich eleganter, sicherer und im Zweifel auch billiger und nervenschonend ist die Möglichkeit, von Anfang an juristische Beratung aufzusuchen.
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7 Kommentare
Aus diesem Blickwinkel wird auch die Sinnlosigkeit des Disclaimers deutlich. Überspitzt formuliert: ähnlich wäre es, ein Fahrrad zu stehlen und am Tatort die folgende Nachricht hinterlassen:
„Ich habe Ihr Fahrrad geklaut. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, dann zeigen Sie mich nicht an – rufen Sie mich unter 089/12345 an, ich bringe ggf. das Fahrrad zurück. Zeigen Sie mich dennoch an, kann ich wegen dieses Zettels ohnehin nicht verurteilt werden.“
Sie werden besser wissen als ich, dass der Betreiber eines Servers die rechtliche Verantwortung dafür trägt, wenn durch einen Einbruch auf seinen Server mittels Manipulation Dritte zu Schaden kommen.
Ihrem Beispiel folgend, gehöre ich dann ebenso zur Verantwortung gezogen, wenn ein Fremder in meine Wohnung einbricht, mir ein Messer o.ä. stiehlt und diese als Waffe verwendet und damit anschliessend einem Dritten Schaden zufügt.
Ein Hoch auf die Jurisprudenz, ein autopoietisches System, derer einziger Zweck darin besteht, sich selbst zu finanzieren, indem unbescholtene Bürger belästigt und ausbeutet werden. Der Fantasie dieser Brut sind keine Grenzen gesetzt. Alles ist erlaubt, so lange es gefällt. Chapeau!
Absurd wird es dann, wenn Juristen darauf abstellen, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt. Eben dieses Wissen lässt sich indes nur kostenpflichtig erwerben, anders droht jederzeit die Gefahr sich nicht rechtskonform zu verhalten.
Dieselben Juristen, die vorgeben zu informieren, sind auch die, die klagen. Hier hat sich ein System herausgebildet, derer einziger Zweck darin besteht, Gesetze zu schaffen, die die Ausbeutung unbescholtener Bürger hofiert.
Eine gesetzlich vorgeschriebene Kontaktaufnahme würde den Abmahnwahn unrentabel machen und andererseits könnte man nach wie vor unlauteren Wettbewerb verhindern. Ich selbst rufe an oder schicke ein Fax, wenn ein Konkurrent gegen Gesetze verstößt. Ich habe auch vom RA schon ein freundliches Schreiben ohne Kostennote bekommen. Es geht also auch anders.
Eine einmalige Beratung bezüglich AGB, Impressum und anderer Rechtstexte hilft nur, den aktuellen Zustand rechtssicher zu gestalten.
Aber die Abmahnfallen lauern auch im Tagesgeschäft:
* Versehentlich Artikel in Asien eingekauft, die Patente oder Marken verletzen.
* Versehentlich im Überschwang eine nicht ganz zutreffende Artikelbeschreibung
* Versehentlich ein fremdes Foto verwendet. Passiert bei AMAZON ganz häufig, ohne dass man es verhindern könnte.
* Versehentlich eine missverständliche Artikelbeschreibung
Das sind die häufigsten Fehler. Da kann kein RA helfen. Der kann nur das in den Brunnen gefallene Kind helfen wieder herauszuziehen.
Was zwingend notwendig ist: Unentwegt alle Gesetzeskommentare aufmerksam lesen. Provider von Webshops und natürlich RAs-Seiten wie diese, liefern hilfreiche, umfangreiche Aufklärung. Bis man die Rechtslage aus dem Schlaf herunter beten kann. Ziel ist die pingelig genaue Einhaltung aller Gesetze.
Zu glauben kleine Abweichungen merkt doch keiner, kommt teuer zu stehen.
Irgendwo gab es mal (zu einer möglicherweise längst vergangenen Zeit) so etwas wie Schadensminderungspflicht. Möglicherweise führt dieser Umstand dazu, daß die geübte Praxis von teilen der Bevölkerung volkssprachlich als Abmahnwahn gewertet wird?
Also macht der Hinweis auf eine Gefahrensituation bzw. Gefahrenabwehr laut unserer Justiz keinen Sinn.
Für was sollte man dann noch eine juristische Beratung in Anspruch nehmen?
Wenn die Rechtslage bis heute nicht geklärt ist, bedeutet das dann , dass alle bestehenden Internetseiten ohne einen Rechtsschutz betrieben werden???
Für eine Antwort von einem wirklich guten Juristen ohne (an Geld geknüpften) Beratungsimpuls wäre ich sehr dankbar!
Mit freundlichen Grüßen
Peter Diefenbach
Wäre es unterm Strich nicht sinnvoller, die AGB völlig weg zu lassen oder als AGB zu vermerken: "Es gelten die aktuellen Vorschriften und Gesetzte aus BGB, HGB, Datenschutz usw...., oder vielleicht:
"Es gelten die aktuellen Gesetze der BRD und der EU"