Kauf auf Probe vs. Fernabsatzwiderrufsrecht
Die Möglichkeit des Kaufs auf Probe war vor allem zu den Zeiten, als Verbrauchern bei Bestellungen über Fernkommunikationsmittel noch kein gesetzliches Widerrufsrecht zustand eine beliebte Möglichkeit für Händler, die Scheu der Verbraucher vor Bestellungen unbesehener Waren zu überwinden. Aber auch in heutigen Zeiten räumen einige Händler die Möglichkeit des Kaufs auf Probe noch ein.
Ein Urteil des OLG Hamm verdeutlicht, dass im Fernabsatz durch die Vermischung der Einräumung des Kaufs auf Probe und der Belehrung über das Fernabsatzwiderrufsrecht eine Verwirrung des Verbrauchers droht.
Der Kauf auf Probe
Gemäß § 454 Abs. S. 2 BGB handelt es sich beim Kauf auf Probe im Zweifel um einen unter die aufschiebende Bedingung der Billigung der Ware gestellten Kaufvertrag. Die Bedingung und damit die endgültige Wirksamkeit des Kaufvertrags tritt dann ein, wenn der Käufer den gekauften Gegenstand billigt. Hierbei wird vom Verkäufer regelmäßig eine Billigungsfrist bestimmt, binnen derer sich der Käufer entscheiden kann, ob der die Ware behalten möchte oder nicht.
Kraft der Regelung des § 455 S.2 BGB kommt dem Schweigen des Käufers ausnahmsweise Erklärungsgehalt zu, wenn der Verkäufer dem Käufer die Ware zur Ansicht überlässt und der Käufer die Billigungsfrist ohne ausdrückliche Ablehnung der Ware verstreichen lässt. In diesem Fall gilt die Ware also allein durch das Verstreichenlassen der Billigungsfrist als gebilligt, mithin wird der Kaufvertrag allein durch Zeitablauf endgültig wirksam.
Der Hintergrund
Der BGH gebot einer Umgehung der Frist des Fernabsatzwiderrufsrechts durch Gestaltungen mit dem Kauf auf Probe bereits im Jahre 2004 Einhalt: Mit seinem Urteil vom 17.03.2004 (Az. VIII ZR 265/03) stellte er klar, dass bei einem Fernabsatzkauf auf Probe die Widerrufsfrist des Verbrauchers nicht vor dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Kaufvertrag durch Billigung endgültig wirksam geworden ist.
Damit urteilte der BGH, dass die vierzehntätige bzw. teilweise auch einmonatige Widerrufsfrist des Verbrauchers nicht durch die Billigungsfrist des Kaufs auf Probe ersetzt werden kann.
Problematisch ist daher bei einer Einräumung der Möglichkeit des Kaufs auf Probe bei Fernabsatzverkäufen der Beginn des Laufs der Widerrufsfrist, bzw. genauer gesagt die Transparenz der Widerrufsbelehrung dahingehend für den Verbraucher.
Schon ohne die Einräumung der Möglichkeit des Kaufs auf Probe sind die gesetzlichen Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist bei Fernabsatzwarenkäufen (nämlich das kumulative Vorliegen der Vornahme einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung und des Wareneingangs beim Empfänger) für den Durchschnittsverbraucher nicht leicht zu erfassen.
Kommt dann bei Einräumung des Kaufs auf Probe noch ein zusätzliches Kriterium für die Auslösung des Fristlaufs hinzu, nämlich der auch in zeitlicher Hinsicht unsichere Bedingungseintritt durch Billigung, dürfte nahezu jeder Verbraucher mit der Bestimmung des für ihn wichtigen Zeitpunkts des Fristbeginns überfordert sein.
Hier ist dann der Händler gefordert, dem Verbraucher die Bestimmung dieses Zeitpunkts durch entsprechende Hinweise bei Vertragsschluss zu erleichtern.
Das Urteil
Mit seinem Urteil vom 02.03.2010 (Az. 4 U 208/09) entschied das OLG Hamm, dass eine Widerrufsbelehrung durch die Voranstellung einer Vereinbarung über einen Kauf auf Probe undeutlich werden kann. Dies droht insbesondere dann, wenn Vereinbarung des Kaufs auf Probe und Widerrufsbelehrung kommentarlos nebeneinander stehen. Nach dem Gericht werde in einer solchen Konstellation für den Verbraucher nicht hinreichend deutlich, dass Fristen für das Loslösen vom Vertrag im Rahmen des Kaufs auf Probe und im Rahmen des Widerrufrechts nicht parallel liefen, sondern hintereinander geschaltet seien.
Ein Händler verkaufte über seinen Onlineshop u.a. Badeenten und verwendete dabei in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende Klausel:
„Bei [Name des Händlers] kaufen Sie auf Probe, d. h. Sie können gelieferte Ware ohne Angabe von Gründen innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Der Kaufvertrag/Kreditkaufvertrag wird nach Erhalt der Ware durch Ihre Billigung bindend, spätestens jedoch nach Ablauf dieser 14-tägigen Rückgabefrist.“
In einem umrandeten Kasten, der mit „Widerrufsbelehrung“ überschrieben ist, fanden sich ferner die nachfolgenden Ausführungen:
„Sie können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder -wenn Ihnen die Ware vor Fristablauf überlassen wird - durch Rücksendung der Ware widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger und nicht vor der Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß § 312 c Abs.2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-lnfoV und § 312 e Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 3 BGB-lnfoV und auch nicht bevor der Kaufvertrag durch Ihre Billigung des gekauften Gegenstandes für Sie bindend geworden ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Ware. Der Widerruf oder die Rücksendung der Ware sind zu richten an:[folgt Anschrift des Händlers]“
Einem Mitbewerber, der sein Geld mit dem bundesweiten Vertrieb von Badeenten über das Internet verdient, war diese Gestaltung ein Dorn im Auge, so dass er wettbewerbsrechtlich gegen den Händler vorging und das OLG Hamm schließlich über die Berufung des Mitbewerbers in dieser Sache zu entscheiden hatte.
Das Gericht bejahte durch die oben genannte Gestaltung einen Verstoß des Händlers gegen § 312c BGB, da der Verbraucher über die effektive Fristlänge nicht klar und deutlich genug unterrichtet werde, innerhalb derer er sich vom Vertrag wieder lösen kann:
„Denn dies sind angesichts des vorgeschalteten Kaufs auf Probe tatsächlich 28 Tage (...). Dies wird durch die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen aber nicht hinreichend deutlich.
(…)
Entscheidend ist hier aber, dass die Belehrung durch die Voranstellung des Kaufs auf Probe undeutlich wird. Beide Regelungen stehen kommentarlos nebeneinander. Für den Kunden wird so nicht deutlich genug, dass die in den beiden Regelungen genannten Lösungsfristen von jeweils 14 Tagen hintereinander geschaltet sind. Zwar soll das Widerrufsrecht u.a. auch dann erst beginnen, wenn der Kaufvertrag bindend geworden ist. Für den Kunden wird aber nicht hinreichend deutlich, dass damit der Ablauf der Probezeit gemeint ist. Dafür stehen die beiden Regelungen zu unverbunden nebeneinander. Nach der Regelung des Kaufs auf Probe wird die Billigung durch den Ablauf der Probezeit ersetzt. Das steht dort aber nicht so. Vielmehr wird nach der Klausel der Vertrag nach Ablauf von 14 Tagen ohne weiteres bindend. In der Widerrufsbelehrung wird aber gerade auf die Billigung für den Fristablauf abgestellt. Von daher ist der Kunde im Unklaren, der keine ausdrückliche Billigung ausgesprochen hat. Der Fehler liegt deshalb in der Formulierung des Probekaufes. Hier hätte deutlicher erklärt werden müssen, dass die Billigung nach Ablauf der 14 Tage als erteilt gilt. Dann wäre jedenfalls ein ausdrücklicher Bezug zur Widerrufsbelehrung gegeben. Das Ganze könnte noch deutlicher gemacht werden, wenn noch ein weiterer Satz angefügt würde etwa, dass danach erst die Bestimmungen über das Widerrufsrecht eingreifen. Die vorgenommene Hintereinanderschaltung der beiden Regelungsinstitute macht jedenfalls für den Kunden nicht mit hinreichender Deutlichkeit klar, dass beide Fristen hintereinander geschaltet sind.“
Fazit
Fest steht, dass auch bei Einräumung eines Kaufs auf Probe die Widerrufsfrist erst mit der Beendigung der Schwebelage durch Bedingungseintritt, also entweder mit ausdrücklicher Billigung der Ware durch den Käufer oder bei Überlassung der Ware zur Ansicht auch schon mit Fristablauf der Billigungsfrist zu laufen beginnen kann.
Billigungsfrist und Widerrufsfrist laufen also nicht parallel, sondern hintereinandergeschaltet ab.
Auf diese Rechtsfolge sollte der Händler den Verbraucher bei Einräumung des Kaufs auf Probe ausdrücklich hinweisen, um nicht Gefahr zu laufen, einen Wettbewerbsverstoß zu begehen.
Zusätzlich sollte bei der Vereinbarung des Kaufs auf Probe auch darauf hingewiesen werden, dass die endgültige Wirksamkeit des Kaufvertrags erst mit Billigung durch den Verbraucher zustande kommt, diese bei Überlassung der Ware zur Ansicht aber schon alleine im Ablauf der Billigungsfrist liegen kann, es mithin nicht zwingend auf eine ausdrückliche Billigung ankommt. Eine weitere Klarstellung kann durch einen Hinweis erzielt werden, dass die Bestimmungen über das gesetzliche Widerrufsrecht erst nach diesem Zeitpunkt eingreifen.
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