AG Siegburg: Widerrufsrecht bei Anfertigung eines Möbelstücks nach Kundenspezifikation ausgeschlossen

AG Siegburg: Widerrufsrecht bei Anfertigung eines Möbelstücks nach Kundenspezifikation ausgeschlossen
28.10.2014 | Lesezeit: 5 min

Grundsätzlich genießt der Verbraucher im Fernabsatz das Recht, geschlossene Verträge innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen und so deren rechtliche Bindungswirkung aufzuheben, vgl. §312g Abs. 1, 355 BGB. Allerdings wird das Widerrufsrecht nicht für jede Vertragsart gleichermaßen gewährt, sondern vielmehr von der jeweilig vereinbarten Leistung abhängig gemacht. Insofern nämlich sieht das Gesetz in §312g Abs. 2 BGB einen Ausschluss des Widerrufsrechts für Verträge vor, bei denen dessen Geltendmachung den Unternehmer mit Blick auf den Vertragsinhalt unverhältnismäßig benachteiligen würde.

Mit Urteil vom 25.9.2014 (Az. 115 C 10/14) hat das AG Siegburg entschieden, dass ein online geschlossener Vertrag, der die Anfertigung und Lieferung eines Sofas nach individuellen Präferenzen des bestellenden Verbrauchers zum Inhalt hatte, nach §312g Abs. 2 Nr. 1 BGB (§ 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB a.F.) wegen einer vorgenommenen Kundenspezifikation nicht widerrufen werden kann.

Der Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Kundenspezifikation, §312g Abs. 2 Nr. 1 BGB

Nach §312g Abs. 2 Nr. 1 BGB steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht dann nicht zu, wenn er Waren bestellt, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind (Kundenspezifikation).

Ihm soll hier der sonst bestehende umfassende Verbraucherschutz ausnahmsweise nicht zuteil werden, weil er durch die Bestellung genaue Vorgaben zur Anfertigung gemacht hat.

Allerdings ist der Ausschluss des Widerrufsrecht nach ständiger Rechtsprechung aufgrund einer einschränkenden Auslegung des Ausnahmetatbestands nur dann statthaft, wenn die Rücknahme der Ware sich für den Unternehmer als unzumutbar erweist.

Diese Unzumutbarkeit ist an zwei Voraussetzungen geknüpft.

  • Zum einen darf die vom Verbraucher veranlasste Anfertigung nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden können. An diesem Kriterium ließ der BGH die Verneinung des Widerrufsrechts beim Kauf eines personalisierten Laptops scheitern, indem er die einzelnen Komponenten als Zusammensetzung nach den Prinzipien eines Baukastensystems darstellte, und eine Zerlegung des Gesamtprodukts ohne größeren Aufwand mithin als möglich erachtet wurde (BGH, Urteil vom 19. März 2003, Az. VIII ZR 295/01)
  • Zum anderen aber muss die personalisierte Ware für den Unternehmer nach der Anfertigung insofern wirtschaftlich wertlos sein, als der Absatz wegen der erfolgten Kundenspezifikation und der somit erfolgten individuellen Anfertigung unmöglich wurde oder nur unter großen Schwierigkeiten oder mit erheblichen Preisnachlässen (von über 50%) erfolgen konnte.

Außerhalb der Zumutbarkeitsgrenze hat die Rechtsprechung mit der „Erkennbarkeit der Kundenspezifikation“ eine weitere Voraussetzung für das Entfallen des Widerrufsrechts beim Verbraucher geschaffen. Dieser muss somit wissen oder erkennen können, dass er bei der Bestellung einen Prozess in Gang setzt, der eine Zuschneidung des Produkts nach bestimmten Bedürfnissen oder Wünschen und mithin eine den Widerruf ausschließende Kundenspezifikation zur Folge hat. Unternehmern soll es so verwehrt sein, das Widerrufsrecht des Verbrauchers dadurch auszuhebeln, dass standardisierte Ware erst auf Bestellung angefertigt wird, anstatt sie vorrätig zu halten.

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Der Sachverhalt

Dem AG Siegburg lag zur Entscheidung ein Sachverhalt vor, in dem eine Verbraucherin, die in einem Online-Möbelshop ein Sofa bestellt hatte, ihr Widerrufsrecht und mithin die vollständige Rückzahlung des Kaufpreises geltend zu machen versuchte. Nachdem sie von der Möglichkeit zur Personalisierung des Sofas Gebrauch gemacht und aus 50 Varianten einen Stoffbezug sowie eine Positionierung der Armlehne gewählt hatte, fand sie nach der Lieferung keinen Gefallen an dem Möbelstück und erklärte ihren Widerruf.

Der Online-Händler, der zunächst aus Kulanz eine Rücknahme mit einer Kaufpreiserstattung von 70% zu gewähren bereit war, rügte angesichts des Beharrens der Klägerin auf eine vollständige Rückzahlung des Kaufpreises das nicht bestehende Widerrufsrecht wegen einer Anfertigung nach Kundenspezifikation im Sinne des §312g Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Die Entscheidung

Das Gericht wies die Klage ab und bestätigte den Ausschluss des Widerrufsrechts wegen einer Anfertigung des Sofas nach Kundenspezifikation.

Indem die Klägerin die angebotenen Gestaltungsmöglichkeiten in Anspruch nahm und mithin ihre individuellen Präferenzen in die Anfertigung des Möbelstücks einfließen ließ, seien für dessen konkrete Beschaffenheit individuelle Verbrauchervorgaben maßgeblich gewesen. Insofern nämlich habe die Klägerin zwischen 50 verschiedenen Stoffbezugsvarianten wählen und sich zusätzlich entscheiden können, ob die Armlehne des Sofas links- oder rechtsseitig angebracht werden solle.

Die so bestehenden 100 Kompositionsmöglichkeiten sprächen dafür, dass die Ware nach eindeutigen Präferenzen des Kunden individualisiert wurde.

Eine Anfertigung nach Kundenspezifikation sei für die Klägerin auch erkennbar gewesen, da ein Hinweis auf eine Spezialfabrikation im Rahmen des Bestellvorgangs angeführt wurde.

Nachdem die Individualisierung und deren Erkennbarkeit bejaht wurden, befasste sich das Gericht mit der für den Ausschluss des Widerrufsrechts maßgeblichen Unzumutbarkeit der Rücknahme.

Mit Blick auf den spezifischen Aufbau des Sofas statuierte es, dass dieses bei unterstellter Rücknahme nicht ohne weiteres in seine Einzelteile zerlegt und nach anderer Kundenspezifikation wieder zusammengesetzt werden könne. Dies habe unweigerlich auch zur Folge, dass das personalisierte Möbelstück aufgrund der Kundenspezifikation nur unter erheblichem Preisnachlass wieder veräußert werden könne. Laut einem Sachverständigengutachten, welches das Gericht einholen ließ, beliefen sich die hypothetischen Erlöseinbußen auf 40% des Kaufpreises.

Fazit

So wie zuvor das LG Düsseldorf (Urteil v. 12.02.2014 - Az. 23 S 111/13) bestätigte nun auch das AG Siegburg den Ausschluss des Widerrufsrechts für ein Sofa, das nach individuellen Präferenzen angefertigt und mit durch den Verbraucher vorgegebenen Komponenten bestückt wurde.

Während das LG eine insofern vorliegende Kundenspezifikation bei 578 Konfigurationsmöglichkeiten annahm, ließ das AG indes bereits 100 verschiedene Gestaltungsvarianten ausreichen.

Zwar gewähren die Entscheidungen eine Orientierungshilfe angesichts des erforderlichen Umfangs der Individualisierbarkeit von Kaufgegenständen, können aufgrund ihres konkreten Einzelfallbezugs aber kaum generalisierend herangezogen werden. Weil es für die Feststellung einer Kundenspezifikation insofern nicht allein auf die Anzahl der Konfigurationsmöglichkeiten, sondern zudem auch auf die spezifische Art und Form der Ware ankommen dürfte, ist fraglich, ob die Rechtsprechung jemals eindeutige Richtwerte hervorzubringen vermag.

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