OLG Hamm: Lieferzeitangabe „in der Regel“ nicht irreführend
Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Werbung eines Online-Shops mit einer Lieferzeit von „i. d. R. 48 Stunden“ nicht irreführend ist. Ferner urteilte das Gericht im Rahmen der vorgenannten Entscheidung u. a. zu einer Werbung mit einer „5-Jahres-Garantie“, zu einer unzutreffenden Verfügbarkeitsaussage sowie zu der Aussage „CO2 Reduziert“.
Inhaltsverzeichnis
I. Sachverhalt
Die Parteien produzieren und vertreiben Leuchten sowie entsprechendes Zubehör u. a. über das Internet. Die Verfügungsbeklagte verwendete in ihrem Online-Shop diverse Werbeaussagen und AGB-Klauseln, die die Verfügungsklägerin für wettbewerbswidrig hielt. Nach erfolgloser Abmahnung, beantragte die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte. Der Antrag wurde jedoch vom Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an einem Verfügungsgrund, weil die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG n. F. widerlegt sei.
Hiergegen legte die Verfügungsklägerin Berufung zum OLG Hamm ein und verfolgte ihre erstinstanzlich geltend gemachten Unterlassungsansprüche weiter.
II. Entscheidung des OLG Hamm
Das OLG Hamm gab der Berufung teilweise statt (Urteil vom 19.08.2021, Az. 4 U 57/21) und verurteilte die Verfügungsbeklagte in mehreren Punkten zur Unterlassung.
1) Werbung mit einer 5-jährigen Garantie
Die Verfügungsbeklagte warb in einer Internet-Suchmaschine damit, auf ihre Produkte eine 5-jährige Garantie zu gewähren. Tatsächlich sollte sich diese Garantie jedoch nur auf bestimmte Produkte aus dem Sortiment der Verfügungsbeklagten beziehen.
Insoweit ergebe sich ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG.
Bei dem streitgegenständlichen Suchergebnis handele es sich um Werbung, weil einem potentiellen Kunden aufgrund der Nennung der Stichwörter „F X“ suggeriert wird, dass auf der Homepage der Verfügungsbeklagten ausschließlich Produkte angeboten werden, für die eine 5-jährige Garantie gewährt wird. Einschränkungen wie die Wendung „bis zu…“ fänden sich in der Anzeige jedenfalls nicht. Ein potentieller Kunde werde hierdurch veranlasst, die Website der Verfügungsbeklagten zu besuchen oder anderweitig Kontakt aufzunehmen, um sich über entsprechende Angebote zu informieren.
Die blickfangmäßige Bewerbung sämtlicher der im Online-Shop der Verfügungsbeklagten angebotenen Artikel mit einer tatsächlich nicht vorhandenen 5-Jahres-Garantie in der beanstandeten Anzeige stelle eine Irreführung über die Rechte des Verbrauchers nach § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG dar (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 22.08.2019 – 6 U 83/19, WRP 2019, 1487, Rn. 7, zit. nach juris).
Der maßgebliche durchschnittliche Verbraucher verstehe die beanstandete, ohne jeglichen einschränkenden Zusatz versehene Anzeige dahingehend, dass die Garantiezusage für sämtliche der im Online-Shop der Verfügungsbeklagten angebotenen Produkte gilt, was aber unstreitig nicht der Fall sei, weil dies nach dem eigenen Vorbringen der Verfügungsbeklagten bspw. nicht für Leuchtmittel, Klein- oder Ersatzteile gilt.
2) Werbung mit einer unzutreffenden Verfügbarkeitsaussage
Die Verfügungsbeklagte warb in Ihrem Online-Shop ferner mit der Aussage „circa 1 Mio. Artikel sofort verfügbar“, bot jedoch tatsächlich nur rund 2000 Artikel an.
Insoweit ergebe sich ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3 Abs.1, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben u. a. über die Verfügbarkeit der Ware enthält. Auch dies sei vorliegend der Fall, weil der gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG maßgebliche durchschnittliche Verbraucher die beanstandete Werbeaussage auf dem Banner der Website des Online-Shops der Verfügungsbeklagten dahingehend verstehe, dass das Sortiment der Verfügungsbeklagten ca. 1 Mio. unterschiedliche Artikel umfasst und damit besonders breit gefächert ist, vergleichbar mit großen, ggf. marktbeherrschenden Anbietern, während dies tatsächlich nicht zutreffe. Unstreitig bestehe das Sortiment der Verfügungsbeklagten lediglich aus rund 2.000 unterschiedlichen Artikeln. Der beworbene umfangreiche Bestand ergebe sich nur aufgrund einer entsprechenden – den Durchschnittsverbraucher aber allenfalls am Rande interessierenden – Lagerhaltung.
3) Werbung mit einer „in der Regel“-Lieferzeitangabe
Die Verfügungsbeklagte warb in Ihrem Online-Shop ferner mit der Aussage „Lieferzeit i.d.R 48 Stunden“, verwendete in ihren AGB aber zugleich die folgende Klausel:
"Soweit in der Artikelbeschreibung keine andere Frist angegeben ist, erfolgt die Lieferung der Ware in Deutschland innerhalb von 3 – 5 Tagen nach Auftragsbestätigung (bei vereinbarter Vorauszahlung nach dem Zeitpunkt Ihrer Zahlungsanweisung). Beachten Sie, dass an Sonn- und Feiertagen keine Zustellung erfolgt. Haben Sie Artikel mit unterschiedlichen Lieferzeiten bestellt, versenden wir die Ware in einer gemeinsamen Sendung, sofern wir keine abweichenden Vereinbarungen mit Ihnen getroffen haben. Die Lieferzeit bestimmt sich in diesem Fall nach dem Artikel mit der längsten Lieferzeit den Sie bestellt haben."
Diese Angabe hielt das Gericht entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin nicht für wettbewerbswidrig:
"Dem gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG maßgeblichen durchschnittlichen Verbraucher ist bekannt, dass sich die Lieferung bestellter Waren infolge unterschiedlicher Postlaufzeiten nicht immer exakt prognostizieren lässt. Er versteht die Werbung daher in der Weise, dass der Vertragspartner sich jedenfalls um eine schnellstmögliche Lieferung bemüht, soweit er diese – z. B. durch umgehende Aufgabe der Ware zur Post – beeinflussen kann und eine Lieferung binnen 48 Stunden infolgedessen auch in der überwiegenden Anzahl der Fälle gelingt. Im Zusammenhang mit der beanstandeten AGB-Klausel, welche die vertraglich geschuldete Lieferzeit im Einzelnen definiert, zum Teil aber auch allgemein bekannte Selbstverständlichkeiten enthält (keine Zustellung an Sonn- und Feiertagen), ergibt sich, dass etwaige Ansprüche des Bestellers wegen verzögerter Lieferung nicht vor Ablauf der in der Klausel genannten Fristen bestehen sollen, weil eine vertragliche Zusage, immer und unter allen Umständen binnen 48 Stunden zu liefern, nicht erfolgen kann und soll, in der überwiegenden Anzahl der Fälle aber gleichwohl gelingt."
4) Werbung mit der Aussage „CO2 Reduziert“
Die Verfügungsbeklagte warb in Ihrem Online-Shop ferner mit der Aussage „CO2 Reduziert“.
Insoweit ergebe sich ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Das Gericht berief sich hierbei auf die Rechtsprechung des BGH zur Werbung mit Umweltschutzbegriffen:
"Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 20.10.1988 – I ZR 238/87, GRUR 1991, 546, Rn. 26, zit. nach juris – Aus Altpapier), der der Senat folgt, sind an die Zulässigkeit der Werbung mit Umweltschutzbegriffen besondere Anforderungen zu stellen. Die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen ist danach ähnlich wie die Gesundheitswerbung grundsätzlich nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Wegen der weiterhin bestehenden Unklarheiten insbesondere über Bedeutung und Inhalt von Begriffen wie etwa „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“, „umweltschonend“ oder „bio“ sowie der hierauf hindeutenden Zeichen ist eine Irreführungsgefahr im Bereich der umweltbezogenen Werbung besonders groß, zumal beworbene Produkte überdies regelmäßig nicht insgesamt und nicht in jeder Beziehung, sondern meist nur in Teilbereichen mehr oder weniger umweltschonender sind als andere Waren. Unter diesen Umständen besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“ bestimmen. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (vgl. auch OLG Düsseldorf Urteil vom 17.05.2016 – 20 U 150/15, BeckRS 2016, 9407, Rn. 13)."
Diesen Anforderungen genügt die beanstandete Werbung der Verfügungsbeklagten nach Auffassung des Gerichts nicht.
Die Werbeaussagen „CO2 Reduziert“, „Umweltfreundliche Produkte und nachhaltige Verpackungen“, „Unser Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit“ ließen in ihrer Allgemeinheit vollkommen offen, in Bezug auf welchen konkreten Aspekt des Produktionsprozesses, der Verpackung und des Vertriebs eine Umweltfreundlichkeit bzw. eine CO2-Reduktion in Relation zu welchem Standard konkret vorliegen soll und in welcher Hinsicht die verwendeten Verpackungen besonders nachhaltig sein sollen.
III. Fazit
Die vorgenannte Entscheidung des OLG Hamm behandelt einige Werbeaussagen, die so oder so ähnlich häufiger in der Praxis vorkommen und immer wieder zu Streitigkeiten wettbewerbsrechtlicher Art führen.
Bemerkenswert ist insbesondere die Entscheidung hinsichtlich der Lieferzeitangabe mit dem einschränkenden Zusatz „in der Regel“. Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EGBGB muss der Unternehmer über den Termin, bis zu dem er die Ware liefert, informieren. Zwar muss hierfür kein exaktes Datum genannt werden, sondern es genügt die Angabe einer Frist. Die Einschränkung der Lieferzeitangabe mittels des Zusatzes „in der Regel“ wurde aber bereits von mehreren Gerichten (KG Berlin, OLG Bremen, OLG Frankfurt) für unzulässig erachtet, da der Verwender sich hierdurch vorbehalte, erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt zu liefern. So erfahre der Kunde nicht, wann er spätestens mit der Lieferung der Ware rechnen kann und die gesetzliche Informationspflicht werde hierdurch unterlaufen.
Das OLG Hamm weicht mit seiner Rechtsprechung in diesem Punkt also von der Rechtsprechung anderer Gerichte ab. Ob sich die Rechtsauffassung des OLG Hamm insoweit durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Online-Händlern sei angesichts der abweichenden Rechtsauffassung anderer Gerichte bis zu einer höchstrichterlichen Klärung aber dringend davon abgeraten, ihre Lieferzeitangaben mit dem Zusatz „in der Regel“ zu versehen.
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