IHK oder HWK – Pflichtmitgliedschaft für Online-Händler?
Bevor Existenzgründer in den Online-Handel einsteigen, müssen sie bei der zuständigen Behörde ein Gewerbe anmelden. Anschließend erhalten sie in der Regel ein Schreiben der zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) oder der zuständigen Handwerkskammer (HWK) mit der Aufforderung, einen entsprechenden Mitgliedsantrag auszufüllen und an die zuständige Kammer zu übermitteln. Was es damit auf sich hat und wie die Abgrenzung zwischen den beiden Kammern zu erfolgen hat, beleuchten wir im folgenden Beitrag.
I. Pflichtmitgliedschaft bei IHK oder HWK
Das Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) bestimmt, dass alle Gewerbetreibenden, die nicht Mitglieder der Handwerkskammer (HWK) sind, IHK-zugehörig sind. Nach diesem Ausschlussprinzip sind reine Industrie- und Handelsbetriebe grundsätzlich Mitglieder einer IHK.
Die Industrie- und Handelskammern haben, soweit nicht die Zuständigkeit der Organisationen des Handwerks nach Maßgabe der Handwerksordnung oder die Zuständigkeit der Kammern der freien Berufe in Bezug auf die Berufspflichten ihrer Mitglieder gegeben ist, die Aufgaben:
1. das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks, einschließlich der Gesamtverantwortung der gewerblichen Wirtschaft, die auch Ziele einer nachhaltigen Entwicklung umfassen kann, auf regionaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene wahrzunehmen,
2. für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft ihres Bezirks zu wirken,
3. für die Wahrung von Anstand und Sitte der ehrbaren Kaufleute, einschließlich deren sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung, zu wirken und dabei stets die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen.
Im Rahmen ihrer Aufgaben haben die Industrie- und Handelskammern insbesondere
1. durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten,
2. das Recht, zu den im Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden liegenden wirtschaftspolitischen Angelegenheiten ihres Bezirks in behördlichen oder gerichtlichen Verfahren sowie gegenüber der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen.
Die Industrie- und Handelskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.
Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen.
Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 12. Juli 2017 - 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 - Verfassungsbeschwerden gegen die Beitragspflicht für Pflichtmitglieder der Industrie- und Handelskammern zurückgewiesen.
Dieser Beschluss ist auch für das Handwerk relevant, denn viele Argumente der Verfassungsrichter zur Rechtfertigung der gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft sind auf die Handwerkskammern übertragbar.
II. Bestimmung der Kammerzugehörigkeit
Bei Existenzgründern – aber auch bei Unternehmern, die ihr Geschäftsmodell ändern wollen – stellt sich die Frage, wie die ausgeübte Tätigkeit rechtlich einzuordnen ist.
Grundsätzlich unterscheidet man insoweit zwischen:
- Handwerk
- Industrie
- Handel
- Dienstleistung
Je nach rechtlicher Zuordnung der ausgeübten Tätigkeit ergeben sich hieraus unterschiedliche Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Tätigkeit.
Außerdem stellt sich die Frage, inwieweit die Tätigkeiten eine Mitgliedschaft in der Handwerkskammer (HWK) oder in der Industrie- und Handelskammer (IHK) erfordern.
Die Prüfung der Kammerzugehörigkeit übernehmen die Behörden im Zusammenhang mit der Gewerbeanmeldung oder -ummeldung. In Zweifelsfällen wenden diese sich zuerst an die IHK, da hier mehr Betriebe zugehörig sind und da laut Gesetz grundsätzlich alle Gewerbetreibenden zur IHK gehören, die kein Handwerk ausüben.
Die Dachverbände DIHK und DHKT haben einen Leitfaden veröffentlicht, in dem die Zuständigkeiten von Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern gegeneinander abgegrenzt sind.
III. Online-Handel und Handwerk
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass Online-Händler in der Regel IHK-zugehörig sind. Je nach Geschäftsmodell kann es in einzelnen Fällen aber auch zu Überschneidungen mit dem Handwerk kommen, etwa dann, wenn der Händler über seinen Online-Shop handgefertigte Unikate verkauft. In solchen Fällen kommt auch eine Zugehörigkeit zur HWK in Betracht.
Die Handwerksordnung (HwO) unterscheidet insoweit zwischen den zulassungspflichtigen Handwerken (Anlage A) und den zulassungsfreien Handwerken (Anlage B Abschnitt 1). Daneben gibt es die handwerksähnlichen Gewerbe (Anlage B Abschnitt 2).
Der Begriff "Handwerk" ist gesetzlich nicht definiert. Ein Anhaltspunkt ergibt sich jedoch aus § 1 Abs. 2 HwO. Danach ist ein Gewerbebetrieb ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten).
Für den Online-Handel können insbesondere die in Anlage B Abschnitt 1 aufgelisteten zulassungsfreien Handwerke in Betracht kommen. Hierunter fallen auszugsweise folgende Handwerke:
- Uhrmacher
- Graveure
- Metallbildner
- Galvaniseure
- Metall- und Glockengießer
- Präzisionswerkzeugmechaniker
- Gold- und Silberschmiede
- Holzbildhauer
- Korb- und Flechtwerkgestalter
- Maßschneider
- Textilgestalter (Sticker, Weber, Klöppler, Posamentierer, Stricker)
- Schuhmacher
- Sattler und Feintäschner
- Glas- und Porzellanmaler
- Edelsteinschleifer und -graveure
- Fotografen
- Keramiker
- Handzuginstrumentenmacher
- Geigenbauer
- Bogenmacher
- Metallblasinstrumentenmacher
- Holzblasinstrumentenmacher
- Zupfinstrumentenmacher
- Vergolder
Übt ein Unternehmer ein zulassungsfreies Handwerk aus und verkauft er seine selbst hergestellten Werke über einen eigenen Online-Shop, so ist er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht IHK- sondern HWK-zugehörig.
Den Betrieb eines zulassungsfreien Handwerks oder eines handwerksähnlichen Gewerbes muss der Unternehmer unverzüglich der Handwerkskammer in deren Bezirk seine gewerbliche Niederlassung liegt, anzeigen und sich in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke und handwerksähnlichen Gewerbe eintragen zu lassen. Mit der Eintragung in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke und handwerksähnlichen Betriebe wird der Unternehmer Mitglied der Handwerkskammer und ist zur Entrichtung von Beiträgen entsprechend der Beitragsordnung der jeweiligen Handwerkskammer verpflichtet.
IV. Mischbetriebe
Komplizierter ist die Abgrenzung und damit die Frage nach der Kammerzugehörigkeit bei so genannten Mischbetrieben.
Ist ein Unternehmen sowohl handwerklich, als auch nichthandwerklich tätig, muss entschieden werden, ob dieses erstens zu IHK und HWK zugehörig ist und zweitens, wie sich diese Zugehörigkeit auf den jeweils zu entrichtenden Beitrag auswirkt. Maßstab ist also zunächst die in der Gewerbeanmeldung bzw. im Handelsregister eingetragene Tätigkeit des Unternehmens.
Betriebe, in denen sowohl IHK-zugehörige als auch zulassungsfreie handwerkliche bzw. handwerksähnliche Tätigkeiten miteinander wirtschaftlich-technisch verbunden sind, werden nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausschließlich IHK-zugehörig, sofern der nichthandwerkliche Betriebsteil (Hauptbetrieb) den zulassungsfreien bzw. handwerksähnlichen Betriebsteil dominiert. Betriebe werden beiden Kammern zugehörig, wenn die zulassungsfreie handwerkliche bzw. handwerksähnliche Tätigkeit überwiegt, § 2 Abs. 3 IHKG. Gleiches gilt, wenn zwischen den Betriebsteilen keinerlei wirtschaftlich-technischer Zusammenhang besteht (Quelle: Leitfaden Abgrenzung Handwerk, Industrie, Handel, Dienstleistungen von DIHK und DHKT, Juli 2021, Seite 9).
V. Fazit
Unternehmer, die Waren über einen Online-Shop verkaufen möchten, müssen zunächst ein entsprechendes Gewerbe bei der zuständigen Behörde anmelden. Je nach Geschäftsmodell ist der Händler anschließend entweder einer IHK, einer HWK oder – in besonderen Fällen – auch beiden Kammern zugehörig und muss entsprechende Beiträge abführen.
Die Kammerzugehörigkeit wird in der Regel bereits von der Behörde, bei der das Gewerbe angemeldet wurde, geprüft. Der Händler wird von der zuständigen Kammer angeschrieben und zu weiteren Schritten aufgefordert. Er kann sich der Pflichtmitgliedschaft bei der zuständigen Kammer und insbesondere der Zahlungspflicht dieser gegenüber nicht entziehen.
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