OLG Hamburg: Hersteller trifft aktive Rückrufpflicht aus Unterlassungstitel
Muss ein Hersteller sein mit unzulässiger Werbung bedrucktes Produkt aufgrund einer ihm zuvor gerichtlich erteilten Unterlassungsverpflichtung zurückrufen, selbst wenn er dieses schon an Dritte ausgeliefert hat? Das OLG Hamburg (Beschluss vom 30.01.2017 – Az.: 3 W 3/17) sagt JA! Sonst droht ein Ordnungsgeld.
Inhaltsverzeichnis
Grundsatz
Nach § 6 Abs. 2 des Produktsicherheitsgesetzes* (kurz: ProdSG) kann den Hersteller auch die Pflicht treffen, ein Produkt aktiv zurückzurufen, wenn von diesem Produkt Risiken für die Verbraucher ausgehen können und der Rückruf als Maßnahme angemessen ist.
Tipp: Mehr zur Rückrufpflicht von Herstellern und Händlern finden Sie in unserem Artikel vom 17.05.2017.
Im Wettbewerbsrecht sind Ansprüche jedoch meist auf Unterlassung – also das bloße „Nichtstun“ - gerichtet (Vergleich: § 8 Abs. 1 UWG* ).
Entscheidung des Gerichts
Die Schuldnerin – ein Unternehmen, das Sonnenschutzmittel mit aufgedruckter, irreführender Werbung vertrieb – wurde vom LG Hamburg in der Vorinstanz zur Unterlassung des Vertriebs dieser Produkte verurteilt.
Es wurde ein Ordnungsgeld von 22.500 Euro festgesetzt.
Trotz des Unterlassungstitels verblieben die Sonnenschutzmittel jedoch weiterhin im Handel und wurden auf Flyern beworben.
Das OLG Hamburg stellte in seinem Beschluss vom 30.01.2017 nun klar, dass ein Unterlassungstitel auch eine Verpflichtung zum Rückruf auslöst.
Die Unterlassungsverpflichtung erschöpfe sich nämlich nicht schon im bloßen Nichtstun, sondern lege dem Schuldner auch die Pflicht zur Durchführung einer Rückrufaktion auf, um sicherzustellen, dass die mit unzulässigen Werbeaussagen versehenen Produkte nicht mehr im geschäftlichen Verkehr angeboten bzw. beworben werden können.
Die Schuldnerin vertrat den Standpunkt, sie müsse die schon in Verkehr gebrachten Produkte nicht aktiv zurückrufen, da sie nur zur Unterlassung i. S. d. § 8 Abs. 1 UWG* und nicht auch zur Beseitigung verurteilt wurde. Ihre Unterlassungsverpflichtung beziehe sich lediglich darauf keine weiteren Produkte mit der irreführenden Werbung mehr in den geschäftlichen Verkehr zu bringen.
Sie habe die Ware bereits ausgeliefert, wodurch diese Ihren Einflussbereich verlassen hätten und war der Ansicht, eine Rückrufaktion hätte die Gläubigerin in der Vorinstanz beim LG Hamburg extra beantragen müssen. Dies ginge insbesondere aus dem separat normierten Rückrufanspruch aus § 18 Abs. 2 MarkenG* hervor.
Dieser Argumentation folgte das OLG Hamburg nicht.
Die Schuldnerin hätte vielmehr die selbstständigen Handelsunternehmen als ihre Abnehmer auffordern müssen, die Produkte, auf denen sich die untersagten Aufdrucke befinden, aus dem Handel zu nehmen und nicht mehr unter der Abbildung der verbotenen Produktverpackung zu bewerben.
Das OLG vertrat die Meinung, dass die Schuldnerin hier die Gefahr begründet hat, dass der Einzelhandel die Produkte in ihrem Sortiment ausstellen und damit über die Produktverpackung gegenüber dem Kunden werben konnte.
Deswegen sei die Schuldnerin zur Vornahme von aktiven Beseitigungshandlungen des zuvor durch sie selbst geschaffenen Störungszustandes verpflichtet, wenn alleine dadurch dem Unterlassungsgebot entsprochen werden könne, was insbesondere dann der Fall sei, wenn die Nichtbeseitigung des Verletzungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung sei.
Auswirkung
Einem Schuldner, dem zukünftig gerichtlich untersagt wird, ein Produkt mit einer bestimmten Werbebotschaft zu vertreiben, muss nun grundsätzlich auch einen Rückruf des Produktes vornehmen, soweit dies möglich und zumutbar ist.
*§ 6 Abs. 2 ProdSG
Der Hersteller, sein Bevollmächtigter und der Einführer haben jeweils im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Vorkehrungen für geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Risiken zu treffen, die mit dem Verbraucherprodukt verbunden sein können, das sie auf dem Markt bereitgestellt haben; die Maßnahmen müssen den Produkteigenschaften angemessen sein und reichen bis zur Rücknahme, zu angemessenen und wirksamen Warnungen und zum Rückruf.
* § 8 Abs. 1 UWG
Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3oder § 7 droht.
* § 18 Abs. 2 MarkenG
Der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung kann den Verletzer in den Fällen der §§ 14, 15 und 17 auf Rückruf von widerrechtlich gekennzeichneten Waren oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch nehmen.
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