Himalaya Salz und regionale Unterschiede: Korrekte Herkunftsbezeichnung kann irreführend sein, wenn Vorstellungen des Verbrauchers abweichen
Durch eine an sich korrekte regionale Herkunftsbezeichnung kann der Verbraucher in die Irre geführt werden, wenn hierdurch beim Verbraucher eine falsche Vorstellung über die tatsächliche Herkunft erweckt wird. So kann die Angabe „Himalaya-Steinsalz“ eine Irreführung bedingen, wenn das Salz tatsächlich gar nicht im eigentlichen Himalaya-Massiv, sondern in einem rund 200 km entfernten Vorgebirge gewonnen wird.
So entschied das OLG Hamm (24.08.2010, Az. 4 U 25/10) in einem aktuellen Fall über ein Steinsalz aus Pakistan, das als „Alexander-“ bzw. „Himalaya-Salz“ vertrieben und dessen Etikett mit schneebedeckten Gipfeln dekoriert wurde. Hierbei kamen die Richter zu dem Ergebnis, dass diese Bezeichnung wettbewerbswidrig sei.
Zwar wurde festgestellt, dass die pakistanische Salt Range aus rein geologischer Sicht tatsächlich zum Himalaya-System gezählt werden kann; jedoch ist schon diese Aussage höchst umstritten:
„Bei [der Salt Range] handelt es sich um eine durchschnittlich 700 bis 800 m hohe Bergkette in der Provinz Punjab in Pakistan, südlich der Millionenstädte Islamabad und Rawalpindi. Diese Salt-Range liegt ca. 200 km vom Himalaya-Massiv entfernt. Geologisch betrachtet wird dieser Bereich in einem weiteren Sinne nach den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen […] zum sog. Himalaya-System gezählt. Danach versteht man den Himalaya als das Kollisionssystem zwischen der indischen und eurasischen Platte. Die pakistanische Salt Range liegt insoweit im sog. Himalaya-Vorland. Dieses Himalaya-Vorland ist danach Bestandteil der Himalaya-Kette, die von Osten kommend bis zum Fluss Indus reicht. Darüber, ob die Salt Range auch geographisch zum Himalaya gehört, liegen freilich unterschiedliche Beurteilungen vor. Von Prof. Dr. G. wird dies in der genannten Stellungnahme bejaht, ebenso von Dr. U. […]. Das Schreiben Prof. C. vom 18.09.2008 verneint dies hingegen. Danach sei der Himalaya nur die Gebirgskette zwischen Indien und Tibet, die Salt Range gehöre nicht hierzu. Von daher mag jedenfalls die geographische Einordnung insoweit nicht eindeutig sein.“
Diese Einordnung sei letztendlich jedoch nicht streitentscheidend; vielmehr komme es darauf an, was der Verbraucher sich unter „Himalaya“ vorstellt. Ob ein Steinsalz also als „Himalaya-Salz“ vertrieben werden darf oder nicht, hänge allein von der hierzulande einschlägigen Verkehrsauffassung ab:
„Entscheidend für die Beurteilung des Herkunftsgebietes gemäß der beanstandeten Werbung und damit der Irreführungsgefahr ist indes nicht, wie die Beklagte meint, die rein wissenschaftlich-geologische Anknüpfung, sondern vielmehr die Verkehrsauffassung in Bezug auf die geographische Herkunftsangabe. Von der Gefahr einer Irreführung über die geographische Herkunft der Produkte ist auszugehen, wenn die angegriffene Bezeichnung bei einem nicht unwesentlichen Teil der Verkehrskreise eine unrichtige Vorstellung über die geographische Herkunft der Produkte hervorruft […]. Nach ihr bestimmt sich, welche Bedeutung die geographische Herkunftsangabe hat, insbesondere auf welchen geographischen Bereich sie genau hinweist […]. So bedarf es vorliegend auch keiner abschließenden Klärung der Frage, ob die Salt Range geographisch betrachtet schlussendlich zum ‚Himalaya‘ gehört oder nicht, zumal der Verbraucher die genaue geographische Eingrenzung insoweit zumeist auch nicht hinreichend kennt.“
Aus dieser Verkehrsauffassung heraus sei die Bezeichnung „Himalaya-Salz“ jedoch irreführend, da der Verbraucher die 800 Meter hohe Salt Range gerade nicht mit dem 8.000-Meter-Hochgebirge Himalaya assoziiert:
„Jedenfalls verbindet der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, auf den es in diesem Zusammenhang ankommt, die vorliegende Werbung durch die Bezeichnung ‚Himalaya-Salz‘ und ‚aus dem Himalaya‘ mit der Abbildung schneebedeckter Berge mit dem Hochgebirgsmassiv des Himalaya. Er nimmt im Hinblick hierauf an, das Salz würde im dortigen Gebirge im engeren Sinne abgebaut, wobei er regelmäßig auch keine genaue Kenntnis darüber verfügt, dass sich dort überhaupt keine entsprechenden Minen befinden. Ihm wird aber durch die Begrifflichkeit ‚Himalaya‘, die er in erster Linie mit dem Hochgebirge verbindet, und die Darstellung von entsprechenden Gebirgen suggeriert, das Salz komme so aus dem Himalaya-Massiv. Das aber ist falsch. Die Bewerbung ist insoweit irreführend. Der Verbraucher fasst unter seine Vorstellung vom Himalaya mit hochalpinen Gipfeln gerade nicht auch eine hiervon weit entfernte Salt-Range, wo das Salz tatsächlich abgebaut wird. Dabei erscheint das Vorkommen von Salz aus Urmeeren in großen Höhen nach der Verkehrsauffassung auch keineswegs von vornherein ausgeschlossen, zumal das Salz viele Millionen Jahre älter ist als die tektonisch bewirkten Auffaltungen des Himalaya und sich so in Gebirgen nicht selten auch Ablagerungen aus Meeren (wie Muscheln oder andere Meerestiere) befinden.“
Etwas später entschied das OLG Köln (01.10.2010, Az. 6 U 71/10) in einem ähnlichen Fall, in dem eine Kaufhauskette ebenfalls Steinsalz aus Punjab als „Himalaya-Salz“ vertrieb. Die Kölner Richter führten die Rechtsprechung aus Hamm fort:
„Wie das Landgericht [LG Köln, vorinstanzlich, Anm. d. Autors] zutreffend ausgeführt hat, verbindet der durchschnittlich informierte deutsche Verbraucher mit der Angabe ‚Himalaya‘ die Vorstellung von einer Hochgebirgsregion mit den höchsten Erhebungen der Erde. Durch die Aufmachung mit dem Bild eines schneebedeckten Gipfels wird diese Vorstellung noch verstärkt. Der aufmerksame Verbraucher, der nach Aufklappen des Faltetiketts erfährt, dass ‚Himalaya-Kristallsalz‘ vor mehr als 250 Mio. Jahren durch die Austrocknung eines Urmeeres entstanden sei, wird zwar kaum annehmen, dass der Salzabbau in extremer, gefahrvoller Höhe über dem heutigen Meeresspiegel außerhalb jeder Zivilisation unter Schnee und Eis erfolge. Trotz seiner Gewöhnung an werbliche Übertreibungen wird er aber zumindest davon ausgehen, dass das Salz in einem Tal oder am Fuß des Hochgebirgsmassivs gewonnen wird. Weniger zu Misstrauen veranlassen als in seinem Irrtum bestätigen wird ihn dabei das von der Berufung angeführte Beispiel des ‚Bad Reichenhaller‘ Markensalzes, für das mit dem Bild schneebedeckter Berge und der Angabe ‚Alpensalz‘ auf der Verpackung geworben wird […]; denn dieses Salz stammt tatsächlich aus einer Saline am Alpenrand und gerade nicht aus der Fränkisch-Schwäbischen Alb oder dem äußersten Alpenvorland. Dagegen findet der Abbau des von der Beklagten angebotenen Steinsalzes unstreitig im Tagebau in einer vom Himalaya-Massiv durch eine dichtbesiedelte Ebene getrennten, rund 200 km entfernten Hügellandschaft statt. Damit rechnet auch kein besonders aufmerksamer Verbraucher, der den englischsprachigen Text auf dem Etikett entziffert, wo von Salzminen Alexanders des Großen in den Regionen Karakorum (mit dem zweithöchsten Berg der Erde) und Kaschmir (am Hindukusch) die Rede ist.“
Somit sei die Bewerbung des Produkts als „Himalaya-Salz“ irreführend und folglich nach wettbewerbsrechtlichen Regeln unzulässig.
Diese Ansichten der Oberlandesgerichte Hamm und Köln sind überzeugend. Zwar ist der Begriff „Himalaya-Salz“ nicht regional geschützt wie dies etwa bei „Champagner“ der Fall ist. Dennoch hat sich in der Vorstellung des Durchschnittsverbrauchers eine gewisse Vorstellung sowohl über die Qualität als auch über die Herkunft von „Himalaya-Salz“ entwickelt; das angegriffene Etikett hat hierbei bewusst durch die zwar sachlich korrekte, aber von der Vorstellung des Verbrauchers abweichende Herkunftsbezeichnung gezielt auf Qualitäten dieses Salzes „hingewiesen“, die gar nicht vorhanden sind. Es lag somit tatsächlich eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung vor.
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