Haftungsklauseln in Verträgen: Was sind eigentlich „mittelbare Schäden“?
„Die Haftung für mittelbare Schäden ist ausgeschlossen.“ Solche und ähnliche Klauseln finden sich relativ häufig in Verträgen. Doch welche Schäden fallen unter den Begriff des „unmittelbaren“ und welche unter den des „mittelbaren Schadens“, welche unter „direkte Schäden“ oder „indirekte Schäden“? Und ist ein solcher Haftungsausschluss überhaupt wirksam?
1. Mittelbare Schäden im US-Recht
Die Unterscheidung zwischen unmittelbaren („general / direct damages”) und mittelbaren („special / consequential / incidental damages”) Schäden ist ein Element des Schadensrechts der USA. Nach US-Recht ist ein Haftungsausschluss für mittelbare Schäden üblich und möglich. Im Allgemeinen sind unmittelbare Schäden dabei solche, die infolge eines schädigenden Ereignisses im Rahmen eines „natürlichen Geschehensablaufs” eintreten. Bei mittelbaren Schäden hingegen handelt es sich grundsätzlich um Schäden, die erst auf Grund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls eintreten, insbesondere um entgangenen Gewinn.
Unter anderem in Verträgen US-amerikanischer Software-Hersteller finden sich oft entsprechende Haftungsausschlüsse. Auf das deutsche Recht sind solche Regelungen jedoch nicht ohne weiteres übertragbar.
Außerdem zielen Haftungsregelungen nach deutschem Recht in der Regel nicht auf die Schadensarten ab (z.B. mittelbarer / unmittelbarer Schaden), sondern vielmehr auf den Grad des Verschuldens (Vorsatz, Fahrlässigkeit) und ggf. auf die Unterscheidung zwischen vertragswesentlichen und nicht vertragswesentlichen Pflichtverletzungen.
2. Mittelbare Schäden im deutschen Recht
Das deutsche Schadensrecht kennt keine klare Differenzierung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Schäden. Jedenfalls gibt es keine eindeutigen gesetzlichen Definitionen. Das gleiche gilt für das Begriffspaar „direkte / indirekte Schäden“ und für „Folgeschäden“.
Die Begriffe werden dementsprechend unterschiedlich verwendet. Es stellt sich daher für den jeweiligen Vertrag die Frage, was genau gemeint ist. Das ist dann eine Frage der Auslegung und birgt entsprechende Schwierigkeiten und Risiken.
Gemeint ist in Verträgen mit „mittelbarer Schaden“ meist der Schaden, der nicht an dem verletzten Rechtsgut eintritt, sondern „mittelbar“ an anderen Rechtsgütern, zum Teil auch als „Folgeschaden“ oder „indirekte Schäden“ bezeichnet.
Es soll in den meisten Fällen insbesondere die Geltendmachung entgangenen Gewinns ausgeschlossen werden.
Beispiel: Ein Software-Hersteller verkauft Software und will im Falle von Fehlern der Software nur für Schäden an der Software selbst haften (unmittelbarer Schaden), nicht aber für „mittelbare Schäden“ wie Produktionsausfallschäden oder entgangenen Gewinn.
Im deutschen Schadensrecht ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Schaden unmittelbar an dem verletzten Rechtsgut selbst oder an anderen Rechtsgütern des Geschädigten eingetreten ist. In der Rechtsprechung wird zwar zum Teil danach unterschieden, ob ein Schaden (unmittelbar) am Vertragsgegenstand oder (mittelbar) an anderen Rechtsgütern eingetreten ist. Da es sich aber um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, kommt es je nach Einzelfall zu unterschiedlichen Auslegungen.
Entscheidend ist im deutschen Recht letztlich die generelle Ersatzpflicht für alle adäquat kausal verursachten Folgen des schädigenden Ereignisses - unabhängig davon, ob es sich um unmittelbare oder mittelbare Schäden handelt.
Tipp für die Vertragsgestaltung:
Sollte sich die Verwendung der Begriffe des unmittelbaren oder mittelbaren Schadens im Einzelfall nicht vermeiden lassen, sollten die Begriffe im Vertrag genau definiert werden.
3. Fazit
In den USA übliche Gestaltung von Haftungsklauseln kann nicht unverändert auf das deutsche Recht übertragen werden.
Insbesondere die Begriffe des unmittelbaren oder mittelbaren Schadens sollten bei der Vertragsgestaltung nach deutschem Recht vermieden werden. Jedenfalls sollten sie nicht ohne klare Definition verwendet werden. Dabei sind Konkretisierungen sinnvoll, etwa durch eine abschließende Aufzählung, was unter den mittelbaren Schaden falle. Im Einzelfall kann unter Berücksichtigung dieser Empfehlungen eine Haftungsklausel, die sich auf unmittelbare und mittelbare Schäden bezieht, sinnvoll sein.
Das gilt allerdings nur, wenn die Klauseln nicht einseitig diktiert, sondern zwischen den Vertragspartnern individuell ausgehandelt werden. Denn was haftungsrechtlich in Individualverträgen wirksam vereinbart werden kann, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam sein. So ist der vollständige Ausschluss der Haftung für mittelbare Schäden in AGB regelmäßig unwirksam.
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1 Kommentar
Zum deutschen Rechtsverständnis möchte ich auf die Definition mittelbarer Schäden im Palandt (72. Auflage 2013) hinweisen. Da hier das Standardwerk der BGB-Kommentare spricht, vertraue ich dieser Definition, auch wenn sie natürlich nicht gesetzlichen Charakter hat. In der Vorbemerkung vor §249, RN15, werden der mittelbare Schaden und der unmittelbare Schaden definiert.
Oliver Dittmann
www.o-dittmann.de