Bei Kundenreklamationen: Ansprüche des Händlers gegen Lieferanten + Muster
Erfüllen Händler die Ansprüche von Kunden wegen Mängeln eines verkauften Produktes, müssen sie auf den Kosten hierfür nicht unbedingt sitzen bleiben. Vielmehr können sie diese unter bestimmten Voraussetzungen auf ihren Lieferanten abwälzen. Wir erläutern die Rückgriffsmöglichkeiten von Verkäufern und stellen ein deutsch- und ein englischsprachiges Muster bereit, mit dem sie ihre Ansprüche beim Lieferanten geltend machen können.
Inhaltsverzeichnis
- I. Im Fokus: Ansprüche des Händlers gegen seinen Lieferanten (Regress)
- II. Der Regress beim Verkauf von physischen Waren
- 1. Inhalt des Regressanspruchs
- 2. Voraussetzungen des Regressanspruches
- 3. Weitere sonstige Ansprüche des Verkäufers gegenüber dem Lieferanten
- III. Der Regress beim Lieferanten bei B2C-Geschäften am Ende der Lieferkette
- IV. Der Regress bei Verbraucherverträgen über die Bereitstellung von digitalen Produkten
- 1. Der Unternehmerregress bei digitalen Produkten
- 2. Inhalt des Regressanspruchs
- 3. Kein Fristsetzungserfordernis
- 4. Beweislastumkehr für Mangel des digitalen Produkts
- V. Verjährung des Verkäuferregresses
- 1. Verjährung bei physischen Waren
- 2. Verjährung bei digitalen Produkten
- VI. Ausschluss des Verkäuferregresses
- 1. Gesetzlicher Ausschluss nach § 377 HGB
- 2. Vertraglicher Ausschluss vor Mitteilung des Mangels
- VII. Muster für Händler: Geltendmachung von Regressansprüchen beim Lieferanten
- VIII. Fazit: Das Wichtigste in Kürze
I. Im Fokus: Ansprüche des Händlers gegen seinen Lieferanten (Regress)
Die Mängelrechte des Kaufrechts (§§ 434 ff. BGB) finden auf jeden Kaufvertrag Anwendung, unabhängig davon, ob die verkaufte Kaufsache danach weiterverkauft wird oder bereits zuvor verkauft worden ist. Daher kann sich grundsätzlich auch ein Händler gegenüber seinem Lieferanten auf diese Mängelrechte berufen, wenn die Kaufsache beim Übergang der Gefahr vom Lieferanten auf den Händler mangelhaft gewesen ist - jedenfalls wenn der Händler seine Obliegenheit zur unverzüglichen Untersuchung und Rüge der Kaufsache aus § 377 des Handelsgesetzbuches (HGB) nicht verletzt hat.
Häufig zeigt sich ein Mangel einer Kaufsache allerdings nicht bereits beim Händler, sondern erst dann, wenn die Kaufsache beim Endkunden in Gebrauch genommen wird. Dies erschwert dem Händler die Geltendmachung von Mängelansprüchen gegenüber seinem Lieferanten erheblich, insbesondere auch im Hinblick auf deren Verjährung. Daher sieht das Gesetz für den Rückgriff des Unternehmens bei seinem Lieferanten besondere Regelungen vor, die ihm das Leben erleichtern sollen:
- Rückgriff des Verkäufers bei seinem Lieferanten: Die Regelungen in § 445a BGB, § 445b BGB und § 445c BGB.
- Rückgriff des Verkäufers bei seinem Lieferanten bei Verbrauchsgüterkäufen: Die Regelungen in § 478 BGB und § 477 BGB.
- Rückgriff des Verkäufers bei seinem Lieferanten bei Verbraucherverträgen über die Bereitstellung von digitalen Produkten: Die Regelungen in § 327t BGB und § 327u BGB.
Beispiel: Ist beim Verkauf eines T-Shirts durch einen Händler an einen Verbraucher das T-Shirt zum Zeitpunkt der Übergabe an den Versanddienstleister mangelhaft, z.B. weil die Nähte nicht ordentlich vernäht sind, ist der Händler von Gesetzes wegen verpflichtet, das T-Shirt dem Verbraucher - grundsätzlich nach dessen Wahl - entweder zu ersetzen (sog. Nachlieferung) oder zu reparieren (sog. Nachbesserung). Dies ist für den Händler mit Aufwand und Kosten verbunden, die er unter bestimmten Bedingungen von seinem Lieferanten ersetzt verlangen kann.
II. Der Regress beim Verkauf von physischen Waren
1. Inhalt des Regressanspruchs
Ein Verkäufer kann von seinem Lieferanten die Aufwendungen und Kosten ersetzt verlangen, die ihm im Zusammenhang mit der Erfüllung der Nacherfüllungsansprüche seines Käufers beim Verkauf von neu hergestellten Kaufsachen entstanden sind (§ 445a Abs. 1 BGB) .
Dies umfasst folgende Kostenposten:
- Die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, die bei der Nachlieferung (einer neuen Kaufsache) oder Nachbesserung (der mangelhaften Kaufsache) entstanden sind.
- Die Kosten des Ausbaus einer mangelhaften Kaufsache, die gemäß ihrem Verwendungszweck in eine andere Kaufsache eingebaut wurde, und die Kosten des Einbaus einer mangelfreien Kaufsache stattdessen.
- Die Kosten, die im Falle der Nachlieferung im Zusammenhang mit der Rücknahme der ersetzten Kaufsache entstanden sind, z.B. die betreffenden Transport- und Wegekosten.
- Der Vorschuss, den ein Verkäufer an den Käufer im Hinblick auf die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen (s.o.) oder den Ausbau der mangelhaften und den Einbau einer mangelfreien Kaufsache (s.o.) entstanden sind.
2. Voraussetzungen des Regressanspruches
Voraussetzung des allgemeinen Regressanspruchs eines Verkäufers gegen seinen Lieferanten ist, dass der vom Käufer geltend gemachte Mangel:
- bereits beim Übergang der Gefahr vom Lieferanten auf den Verkäufer vorhanden war oder
- beim Verkauf von Waren mit digitalen Elementen auf einer Verletzung der sog. Aktualisierungspflicht beruht, wonach dem Verbraucher während eines gewissen Zeitraums Aktualisierungen bereitgestellt werden müssen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind, worüber der Verbraucher auch informiert werden muss.
Beispiel: Der Verkäufer verkauft ein Set von Bauklötzen, die laut Produktverpackung und Produktbeschreibung mit durchsichtigem Lack überzogen sein sollen. Tatsächlich sind die Bauklötze aber rot lackiert. Der Käufer fordert daraufhin vom Verkäufer die Lieferung von Bauklötzen mit durchsichtigem Lack. Der Verkäufer liefert dem Käufer diese. Da die Bauklötze bereits bei der Lieferung an den Verkäufer fälschlich rot lackiert waren, kann der Verkäufer die im Zusammenhang mit der Nacherfüllung beim Käufer entstandenen Kosten von seinem Lieferanten ersetzt verlangen.
3. Weitere sonstige Ansprüche des Verkäufers gegenüber dem Lieferanten
Ist eine Kaufsache mangelhaft, stehen dem Verkäufer gegen seinen Lieferanten nicht nur Ansprüche wegen der Aufwendungen im Zusammenhang mit der Nacherfüllung zu. Auch die sonstigen in § 437 BGB genannten kaufrechtlichen Mängelrechte stehen dem Verkäufer gegenüber seinem Lieferanten zu. Hierzu zählen:
- Nacherfüllung: Auch der Verkäufer kann von seinem Lieferanten verlangen, dass die mangelhafte Kaufsache nach seiner Wahl gemäß § 439 BGB repariert (Nachbesserung) oder ersetzt (Nachlieferung) wird.
- Rücktritt vom Kaufvertrag: Bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen (§ 440 BGB, § 323 BGB, § 326 Abs. 5 BGB) kann der Verkäufer von seinem Kaufvertrag mit seinem Lieferanten zurücktreten.
- Minderung des Kaufpreises: Bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen aus § 441 BGB kann der Verkäufer den Kaufpreis gegenüber seinem Lieferanten durch eine entsprechende einseitige Minderungserklärung mindern.
- Schadensersatz: Der Verkäufer kann von seinem Lieferanten Schadensersatz verlangen, wenn hierfür die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (§ 440 BGB, § 280 BGB, § 281 BGB, § 283 BGB, § 311a BGB)
- Ersatz vergeblicher Aufwendungen: Der Verkäufer kann von seinem Lieferanten auch Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen verlangen, wenn die Voraussetzungen aus § 284 BGB hierfür vorliegen.
Bei sämtlichen dieser Mängelrechte gilt zu Gunsten des Verkäufers eine Besonderheit: Die Mängelrechte sehen grundsätzlich zwingend vor, dass der Käufer dem Verkäufer zunächst eine Frist zur Beseitigung des Mangels setzt. Beim Regress des Verkäufers gegenüber seinem Lieferanten ist diese Fristsetzung aber entbehrlich, wenn der Verkäufer die Kaufsache als Folge ihrer Mangelhaftigkeit zurücknehmen musste oder der Käufer den Kaufpreis gemindert hat. Dies bedeutet, dass der Verkäufer seine Mängelrechte bzw. Regressansprüche gegenüber seinem Lieferanten geltend machen kann, ohne zunächst eine Frist setzen und abwarten zu müssen.
Beispiel: Ein Verkäufer eines Weckers, der nicht klingelt, ist von Gesetzes wegen dazu verpflichtet, nach dem Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag den Wecker vom Käufer zurücknehmen und dem Käufer den von diesem bereits gezahlten Kaufpreis zurückzuerstatten. Während der Käufer dem Verkäufer noch eine Frist zur Nacherfüllung setzen musste, kann der Verkäufer gegenüber seinem Lieferanten den Rücktritt von seinem Kaufvertrag mit dem Lieferanten erklären, ohne zunächst eine Frist zur Nacherfüllung setzen zu müssen.
III. Der Regress beim Lieferanten bei B2C-Geschäften am Ende der Lieferkette
Steht am Ende der Lieferkette ein sog. Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 Abs. 1 BGB, also ein B2C-Geschäft, bei dem ein Verbraucher einer Ware von einem Unternehmer kauft, gilt für Regressansprüche gegenüber Lieferanten eine wichtige Privilegierung zu Gunsten von Verkäufern.
Hier wird von Gesetzes wegen vermutet, dass eine Kaufsache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich der Mangel innerhalb eines Jahres nach Gefahrübergang zeigt, es sie denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware (z.B. bei leicht verderblichen Lebensmitteln) oder des mangelhaften Zustands (z.B. typische Abnutzungsspuren) unvereinbar (§ 477 Abs. 1 BGB) . Dies führt zu einer Umkehr der Beweislast, so dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht der Verbraucher nachweisen muss, dass die Kaufsache zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs - bei B2C-Versendungskäufen in der Regel die Übergabe der Kaufsache an den Versanddienstleister (d.h. DHL, Hermes, UPS & Co) - mangelhaft war, sondern umgekehrt der Unternehmer nachweisen muss, dass die Kaufsache zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht mangelhaft war.
In diesen Fällen, in denen am Ende der Lieferkette ein B2C-Geschäft vorliegt, können sich auch Verkäufer gegenüber ihren Lieferanten auf diese Beweislastumkehr berufen. Andernfalls würde der Verkäufer häufig auf seinen Aufwendungen bzw. Kosten sitzen bleiben, weil er gegenüber seinem Lieferanten nicht nachweisen könnte, dass der Mangel bereits bei Übergang der Gefahr vom Lieferanten auf den Käufer vorhanden war. Wenn sich der Mangel innerhalb dieser Frist von einem Jahr zeigt, muss also der Lieferant sodann die Vermutung, dass der Mangel bei Gefahrübergang auf den (Letzt-)Verkäufer bereits vorlag, widerlegen, bzw. die in § 477 Abs. 1 BGB genannten Ausnahmen beweisen (z.B. zu lange Lagerzeiten beim Verkäufer bei verderblicher Ware).
Beispiel: Ein Verkäufer kauft im Januar 2021 mehrere Fahrradschläuche von seinem Lieferanten. Im Juli 2021 verkauft der Verkäufer einen dieser Schläuche an einen Verbraucher. Der Verbraucher macht im März 2022 gegenüber dem Verkäufer den Mangel geltend, dem Schlauch fehle das Ventil, und fordert vom Verkäufer die Lieferung des Ventils. Der Verkäufer kommt dieser Forderung des Käufers nach, liefert diesem das Ventil und verlangt von seinem Lieferanten die hiermit in Zusammenhang stehenden Transport-, Arbeits- und Materialkosten ersetzt. Dabei wirkt die Vermutung, dass dieser Mangel des fehlenden Ventils bereits bei Übergang der Gefahr vom Lieferanten auf den Verkäufer vorgelegen hat, zu Gunsten des Verkäufers, so dass der Lieferant nachweisen muss, dass das Ventil zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs tatsächlich vorhanden war, also kein Mangel vorlag.
IV. Der Regress bei Verbraucherverträgen über die Bereitstellung von digitalen Produkten
1. Der Unternehmerregress bei digitalen Produkten
Ist der letzte Vertrag in der Lieferkette ein Verbrauchervertrag über die Bereitstellung digitaler Produkte (§ 327 BGB, § 327a BGB) , so gelten für den Regress beim Lieferanten Spezialvorschriften.
Der Unternehmerregress bei Verbraucherverträgen über die Bereitstellung von digitalen Produkten gemäß §§ 327t, 327u BGB ist die Möglichkeit eines Unternehmers, Ansprüche gegenüber seinem Lieferanten in der Liefer- bzw. Vertriebskette (das Gesetz spricht diesbezüglich vom „Vertriebspartner“) geltend zu machen, wenn am Ende der Vertriebskette ein Verbraucher Gewährleistungsansprüche wegen eines Mangels eines digitalen Produkts gegenüber dem Unternehmer geltend macht.
Bei einem solchen Unternehmerregress kann der Unternehmer auf seinen Vertriebspartner zurückgreifen und gegenüber diesem nach § 327u Abs. 1 S. 2 BGB Ersatz der Aufwendungen verlangen, die der Unternehmer im Zuge der Nacherfüllung gegenüber dem Verbraucher tragen muss, wenn der vom Verbraucher geltend gemachte Mangel
- bereits bei der Bereitstellung durch den Vertriebspartner vorhanden war oder
- in einer durch den Vertriebspartner verursachten Verletzung der gesetzlichen Aktualisierungspflicht des Unternehmers besteht.
Diese speziellen Vorschriften zum Unternehmerregress bei Verbraucherverträgen über die Bereitstellung von digitalen Produkten nach §§ 327t, 327u BGB gehen den gesetzlichen Regelungen zum Unternehmerregress im allgemeinen Kaufrecht (§ 445c BGB) und bei Verbrauchsgüterkäufen (§ 478 BGB) vor, sind also vorrangig anzuwenden.
2. Inhalt des Regressanspruchs
Der Unternehmerregress bei digitalen Produkten umfasst sämtliche Aufwendungen, die zum Zwecke der Nacherfüllung des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher erforderlich und deshalb vom Unternehmer gegenüber dem Verbraucher zu tragen sind.
Der Unternehmer kann somit sämtliche Kosten, die er gegenüber dem Verbraucher tragen muss, in der Vertriebskette an seinen Vertriebspartner weiterreichen.
3. Kein Fristsetzungserfordernis
Eine Frist zur Nacherfüllung muss der Unternehmer dabei wie beim allgemeinen kaufrechtlichen Unternehmerregress nicht setzen, wenn er gegenüber seinem Vertriebspartner Regressansprüche geltend macht.
Soweit der Unternehmer Aufwendungen hat, die im Zusammenhang mit der Nacherfüllung gegenüber dem Verbraucher erforderlich sind, kann er diese von seinem Vertriebspartner also unmittelbar ersetzt verlangen, ohne zuvor eine Frist setzen zu müssen.
4. Beweislastumkehr für Mangel des digitalen Produkts
Grundsätzlich muss der Unternehmer beweisen, der das digitale Produkt dem Verbraucher bereitgestellt hat, dass der vom Verbraucher geltend gemachte Mangel schon bei der Übergabe an den Unternehmer vorhanden war.
Allerdings wirkt nach § 327u Abs. 3 BGB auch zu seinen Gunsten die Beweislastumkehr, wobei die maßgebliche Frist für die Beweislastumkehr mit der Bereitstellung an den Verbraucher beginnt. Dadurch wird von Gesetzes wegen vermutet, dass der Mangel des digitalen Produkts schon bei der Übergabe durch den Vertriebspartner an den Unternehmer vorhanden war, der das digitale Produkt dann später dem Verbraucher bereitgestellt hat, wenn seit der Übergabe des digitalen Produkts an den Verbraucher noch kein Jahr vergangen ist. Bei einem dauerhaft bereitgestellten digitalen Produkt wird entsprechend von Gesetzes wegen vermutet, dass das digitale Produkt während der bisherigen Bereitstellung mangelhaft war.
V. Verjährung des Verkäuferregresses
1. Verjährung bei physischen Waren
Grundsätzlich verjähren die Rückgriffsansprüche bei physischen Waren in zwei (2) Jahren ab Ablieferung der Kaufsache beim Verkäufer (§ 445a Abs. 1 BGB) .
Allerdings tritt die Verjährung immer frühestens zwei (2) Monate nach dem Zeitpunkt ein, zu dem der Verkäufer die entsprechenden Ansprüche seines Käufers erfüllt hat. So kann der Verkäufer gegenüber seinem Lieferanten hinsichtlich der Verjährung nicht „zwischen die Stühle fallen“, indem er die Ansprüche gegenüber seinem Käufer erfüllen müsste, seine Ansprüche gegenüber seinem Lieferanten aber verjährt wären. Diese Regelungen finden auf die Ansprüche des Lieferanten und der übrigen Käufer weiter oben in der Lieferkette gegen die jeweiligen Verkäufer entsprechende Anwendung, wenn die Schuldner jeweils Unternehmer sind (§ 445b Abs. 3 BGB) .
2. Verjährung bei digitalen Produkten
Die Regressansprüche des Unternehmers, der einem Verbraucher ein mangelhaftes digitales Produkt bereitgestellt hat, gegen seinen Vertriebspartner (=Lieferanten) auf Aufwendungsersatz verjähren in sechs (6) Monaten (§ 327u Abs. 2 S. 1 BGB) .
Diese Verjährung beginnt ebenso erst mit dem Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer die Nacherfüllungsansprüche des Verbrauchers erfüllt hat. Hierdurch hat der Unternehmer nach Erfüllung der Nacherfüllungsansprüche des Verbrauchers genügend Zeit, gegenüber seinem Vertriebspartner die für die Nacherfüllung erforderlichen Kosten erstattet zu verlangen.
VI. Ausschluss des Verkäuferregresses
1. Gesetzlicher Ausschluss nach § 377 HGB
Bei Verletzung der sog. Untersuchungs- und Rügeobliegenheit bei Handelsgeschäften unter Kaufleuten gemäß § 377 des Handelsgesetzbuches (HGB) ist der Regress von Verkäufern von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Handelsgeschäfte sind dabei alle Geschäfte eines Kaufmanns (=Unternehmer), die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören.
Ist der Kaufvertrag des Verkäufers mit seinem Lieferanten ein Handelsgeschäft, so muss er – wenn er selbst Kaufmann im Sinne des HGB ist – die Kaufsache unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, nach Ablieferung durch den Lieferanten untersuchen und etwaige Mängel dem Lieferanten anzeigen. Unterlässt er dies, verliert er gegenüber seinem Lieferanten seine mängelrechtlichen Ansprüche und auch seinen Anspruch auf Regress. Kaufleute im Sinne des HGB gelten dabei stets als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB.
2. Vertraglicher Ausschluss vor Mitteilung des Mangels
Im Vorfeld, also vor Mitteilung eines Mangels gegenüber dem Lieferanten, können keine wirksamen Vereinbarungen zwischen dem Verkäufer und seinem Lieferanten getroffen werden, durch die von den gesetzlichen Mängel- und Regressansprüchen des Verkäufers zu dessen Nachteil abgewichen wird, wenn am Ende der Lieferkette ein Verbrauchsgüterkauf steht, d.h. ein B2C-Geschäft (§ 478 Abs. 2 BGB, § 327u Abs. 4 BGB) .
Dies gilt sowohl für Vereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) als auch für Individualvereinbarungen, unabhängig davon, ob sie schriftlich oder mündlich getroffen wurde.
Hinweis: Auch der Unternehmerregress bei der Bereitstellung von digitalen Produkten kann im Vorfeld also nicht durch eine wirksame AGB-Klausel und auch nicht durch eine sonstige individuelle Vertragsvereinbarung zwischen dem Unternehmer und seinem Vertriebspartner ausgeschlossen werden.
Bei Verbrauchsgüterkäufen über physische Waren gibt es hiervon aber zwei wichtige Ausnahmen:
- Ein vorheriger Ausschluss der Mängel- und Regeressansprüche des Verkäufers gegenüber seinem Lieferanten ist zulässig, wenn dem Verkäufer hierfür ein gleichwertiger Ausgleich eingeräumt wird (§ 478 Abs. 2 S. 1 BGB) , etwa im Rahmen von pauschalen Abrechnungssystemen.
- Der Anspruch eines Verkäufers gegenüber seinem Lieferanten auf Schadensersatz kann bei Verbrauchsgüterkäufen über physische Waren dennoch wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden, etwa durch entsprechende Bestimmungen in den Lieferverträgen.
VII. Muster für Händler: Geltendmachung von Regressansprüchen beim Lieferanten
Folgende Musterformulierungen in deutscher und englischer Sprache können Händler als Vorlage verwenden, um gegenüber ihren Lieferanten Regressansprüche geltend zu machen, wenn
- der Produktmangel bereits bei Übergang der Gefahr vom Lieferanten bzw. Vertriebspartner auf den Verkäufer vorgelegen hat oder
- dies jedenfalls von Gesetzes wegen vermutet wird.
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VIII. Fazit: Das Wichtigste in Kürze
- Wenn Händler Nacherfüllungsansprüche von Käufern erfüllen, können sie die hierfür erforderlichen Aufwendungen von ihren Lieferanten unter bestimmten Voraussetzungen vollständig ersetzt verlangen.
- Selbstverständlich stehen Händlern aber auch die sonstigen Mängelrechte aus § 437 BGB gegenüber ihren Lieferanten bzw. Vertriebspartnern zu.
- Bei Geltendmachung dieser Mängelrechte sind Händler teilweise von Gesetzes wegen privilegiert, insbesondere was den Nachweis des Mangels bei Gefahrübergang betrifft.
- Eine vertragliche Beschränkung oder gar ein Ausschluss der Rückgriffismöglichkeiten von Händlern ist im Vorfeld - wenn überhaupt - nur unter engen Voraussetzungen wirksam möglich.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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1 Kommentar
Kann sich der Händler dann diese Kosten auch vom Lieferanten erstatten lassen?