Gütesiegel: Vorsicht vor Werbung mit Selbstverständlichkeiten
Gütesiegel sind mittlerweile tägliche Begleiter im e-Trade – kaum ein Onlineshop ist noch nicht geprüft, zertifiziert, akkreditiert oder sonstwie herausgestellt. Bei der Wahl des verwandten Gütesiegels ist jedoch Vorsicht geboten: Wird durch das Siegel lediglich der gesetzliche Soll-Zustand angepriesen, so liegt in der Regel ein Wettbewerbsverstoß vor. So hatte z.B. das LG Berlin in einem aktuellen Urteil (02.02.2010, Az. 15 O 249/09) zu entscheiden, ob ein bestimmtes Gütesiegel gegen das Wettbewerbsrecht verstößt.
Inhaltsverzeichnis
Der Fall
Ein deutsches Unternehmen hatte ein neues Gütesiegel entworfen, das nach der Prüfung der hygienischen Verhältnisse in bestimmten Betrieben (insbesondere Tattoo- und Percingstudios, Hotels, Friseurbetrieben etc.) an diese verliehen wurde, sofern sie die gesetzlichen Standards bezüglich Hygiene und Sauberkeit erfüllen. Dabei warb das Unternehmen mit Begriffen wie „Deutsches Hygienezertifikat“ oder „Hygiene-TÜV“ für die Verwendung dieses Siegels.
Hiergegen zog ein Wettbewerbsverein vor Gericht, mit dem Argument, das Siegel verstoße gegen geltendes Wettbewerbsrecht. Schließlich erwecke das Siegel den Eindruck, die zertifizierten Betriebe erfüllen einen besonders hohen Hygienestandard, wogegen sie tatsächlich „nur“ den gesetzlichen Mindeststandard erreichen und somit mit reinen Selbstverständlichkeiten besondere Werbung treiben.
Das Urteil
Das LG Berlin gab dieser Argumentation recht. Tatsächlich, so die Richter, führt die Verwendung eines solchen Gütesiegels durch die zertifizierten Betriebe zu einer Irreführung der Verbraucher i.S.d. §§ 3, 5 UWG:
„Denn die Verwendung des streitgegenständlichen Hygienesiegels […] erweckt bei den angesprochenen Endkunden z.B. von Tattoo- und Piercingstudios [etc.] den unzutreffenden Eindruck, dass die jeweiligen Betriebe besondere bzw. erhöhte Hygieneanforderungen erfüllen. Für die Einhaltung lediglich der gesetzlichen Mindestvorgaben, wofür die Beklagte das Zertifikat ausweislich ihrer Internetangaben erteilt […], werden Güte- bzw. Qualitätssiegel- oder Zertifikate in aller Regel nicht verliehen. Die angesprochenen Endkunden […] gehen vielmehr davon aus, dass der Träger eines solchen Siegels oder Zertifikats über die Mindestanforderungen, die auch von jedem anderen Gewerbetreibenden der einschlägigen Branche eingehalten werden müssen, hinausgehende Qualitätskriterien erfüllt. Da dies nicht der Fall ist, bewirkt die Verwendung des streitgegenständlichen Siegels eine irreführende Werbung im Sinne des § 5 UWG. “
Der Endverbraucher werde durch die Verwendung dieses Siegels auch unbotmäßig benachteiligt:
„Diese Irreführung führt auch zu einer spürbaren Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG. Denn das Hygienesiegel der Beklagten wird gerade innerhalb solcher Branchen verwendet, in denen die Beachtung von erhöhten Hygienestandards ein wichtiges Verkaufsargument darstellt und von den Endkunden als ein maßgebliches Nachfragekriterium angesehen wird.“
Ebenfalls unzulässig sei die Vergabe eines Gütesiegels durch ein Unternehmen, sofern dadurch – wie im vorliegenden Fall – der Eindruck erweckt wird, das Siegel sei durch eine unabhängige Stelle vergeben worden:
„Gerade die Bezeichnung als „Deutsches Hygienezertifikat“ lässt jedenfalls einen nicht unerheblichen Teil der Verbraucher davon ausgehen, dass es sich um eine nationale und staatlich anerkannte Hygieneinstitution handelt, die das Gütesiegel vergibt. Dieser Eindruck wird von der Beklagten dadurch verstärkt, dass sie in ihrer Internetwerbung einen Vergleich zum Technischen Überwachungsverein („Hygiene-TÜV“ […]) und damit zu dessen öffentlich-rechtlicher Funktion herstellt und ausdrücklich hervorhebt, dass die Kontrollen und Schulungen durch „autorisierte Hygienefachberater“ durchgeführt werden. Der Begriff der Autorisierung erweckt aber den Anschein, dass eine staatliche Kontrolle stattfindet, wodurch besondere Standards gewährleistet sind. Das ist jedoch nicht der Fall. Auch wenn die von der Beklagten angeprochenen Gewerbetreibenden das Zertifikat nicht unmittelbar und voraussetzungslos käuflich erwerben können […], wird das Gütesiegel von der Beklagten allein auf individueller rechtsgeschäftlicher Grundlage vergeben, ohne dass die Neutralität und Objektivität der Prüfung der Vergabevoraussetzungen in irgend einer Weise gesichert ist. Es ist schließlich auch nahe liegend, dass die dargestellten, eine Irreführung verstärkenden Werbeangaben der Beklagten ebenso von ihren Kunden gegenüber den Endverbrauchern zur Unterstützung der werblichen Wirkung des Hygienezertifikats verwendet werden.“
Kommentar
Die Argumentation der Richter ist durchaus berechtigt; schließlich sollten Qualitätssiegel tatsächlich einen erhöhten Qualitätsstandard wiederspiegeln und nicht nur die Erfüllung des gesetzlichen Minimums. Auch ist die Vielzahl an bestehenden Siegeln und Zertifikaten bereits jetzt recht unübersichtlich; die Einführung zusätzlicher, „aussageloser“ Siegel würde den Endverbraucher nur unnötig verwirren bzw. diejenigen Betriebe, die zurecht ein „hochwertiges“ Siegel tragen, erheblich benachteiligen.
Gerade auch im e-Trade existieren auf diesem Gebiet einige Stolperfallen, ein Klassiker wäre z.B. die Anpreisung bestimmter Artikel als „CE-konform/-zertifiziert“, die ebenfalls eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten darstellt und somit wettbewerbswidrig ist. Onlinehändler sind daher gut damit beraten, bei der Auswahl und Darstellung von Qualitätssiegeln in ihrem Shop besondere Sorgfalt anzuwenden.
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