Maßgebendes Recht bei grenzüberschreitenden Onlinehandel mit Verbrauchern

Maßgebendes Recht bei grenzüberschreitenden Onlinehandel mit Verbrauchern

Der Online-Händler mit Wohnsitz in Deutschland, der Waren grenzüberschreitend Verbrauchern in anderen EU-Staaten anbietet, kann sich nicht automatisch darauf verlassen, dass im Streitfall deutsches Recht zu Anwendung kommt. Diese Feststellung ist keineswegs banal, da das Kaufrecht in den verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten nach wie vor unterschiedlich geregelt ist und für Online-Händler unterschiedliche Informationspflichten gelten.

Die sog. Rom I Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 593/2008) regelt die Frage, welches nationale Recht bei grenzüberschreitenden Onlineverträgen mit Verbrauchern maßgebend (Art. 6 Rom-Verordnung), also das Recht des Online-Händlers oder das Recht des Verbrauchers. Leider enthält Art. 6 Verordnung keine eindeutigen Kriterien, um dies im Einzelfall bestimmen zu können. Die folgenden Ausführungen sollen dem Online-Händler praxisnahe Entscheidungskriterien an die Hand geben, welches nationale Recht im Streitfall zur Anwendung kommt.

Art. 6 Rom I Verordnung (Verbraucherverträge)

Grundsätzlich gilt nach der Rom I Verordnung der Grundsatz der freien Rechtswahl (Art. 3 Verordnung). Der Online-Händler kann demnach grundsätzlich über seine AGB bestimmen, welches zur Anwendung kommt.

Der Online-Händler ist in seiner Rechtswahl bei Verträgen mit anderen Unternehmen frei (B2B). Art 6 der Verordnung schafft aber für den Online-Händler eine Ausnahme von der freien Rechtswahl für Verträge mit Verbrauchern (B2C).

Artikel 6 Rom I Verordnung

Verbraucherverträge

(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt („Unternehmer“), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer
a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
b) eine solche Tätigkeit auf irgend einer Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet
und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

Keine Auslegungsprobleme bestehen, wenn der Online-Händler im Wohnsitzstaat des Verbrauchers seine berufliche Tätigkeit ausübt (Art 6 (1) Buchstabe a). Dies liegt auch dann vor, wenn das Unternehmen des Online-Händler im Wohnsitzstaat des Verbrauchers mit einer Zweigniederlassung vertreten ist.

Erhebliche Auslegungsprobleme bestehen allerdings, wenn ein Online-Händler (ohne Zweigniederlassung im Wohnsitzstaat des Verbrauchers) Ware direkt an einen Verbraucher mit Wohnsitz in einem anderen EU-Staat verkauft (Art. 6 (1) , Buchstabe b) . Im Verordnungstext wird aber nicht weiter ausgeführt, was denn eine Ausrichtung der Tätigkeit des Online-Händlers genau bedeutet.

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Auslegung des Begriffs der Ausrichtung auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers

Entscheidend ist, was denn mit einer Ausrichtung auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers gemeint ist. Diese Frage hat auch den EUGH beschäftig ( EuGH, Urteil vom 17.10.2013, Az. C-218/12). Hier soll es nicht um dogmatische Feinheiten zur Auslegung des Begriffs der Ausrichtung gehen. Es sollen dem Online-Händler mit Wohnsitz in Deutschland praxisnahe Kriterien an die Hand gegeben werden, in welchen Fällen er bei grenzüberschreitenden, innergemeinschaftlichen Online-Handel mit Verbrauchern dem Recht des Wohnsitzstaates des Verbrauchers unterworfen ist.

Bei Online-Shops ist von einer Ausrichtung auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers dann auszugehen, wenn die Gestaltung der Website dafür besondere Anhaltspunkte liefert. Als Indizien zählen hier insbesondere:


  • Die internationale Tätigkeit des Online-Unternehmens
  • Die Angabe einer Telefon- oder Faxnummer mit der internationalen Vorwahlnummer für Deutschland
  • Die Verwendung einer E-Mail-Adresse, die nicht auf „de“ sondern auf „com“ oder „eu“ endet.
  • Eine Anfahrtsbeschreibung, die auch für die Anfahrt aus anderen EU-Mitgliedsstaaten gilt.
  • Die Verwendung einer anderen Sprache mit der Möglichkeit der Buchung oder Buchungsbestätigung in einer anderen Sprache.
  • Möglichkeit des Verbrauchers, sich in seiner Sprache an das Unternehmen des Online-Händlers in Deutschland zu wenden.

Dies sind nur Indizien. Im Streitfall besteht also ein großer Beurteilungsspielraum der mit einem Streitfall befassten Gerichte.

Wichtig ist festzuhalten:

Ein Online-Händler mit Wohnsitz in Deutschland, der lediglich unter anderem auch die Auslieferung seiner Ware für andere EU-Staaten vorsieht, wird im Streitfall wohl nicht dem Recht des Wohnsitzstaates eines klagenden Verbrauchers unterworfen sein.

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Bildquelle: Only Fabrizio / shutterstock.com

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