Vorsicht bei Verkauf und Werbung mit GOTS-Siegel

Vorsicht bei Verkauf und Werbung mit GOTS-Siegel
19.02.2020 | Lesezeit: 7 min

Der Verkauf von Textilien kann eine politische Angelegenheit sein. Wenn T-Shirts von Kinderhänden in Südostasien oder in chemisch aufwendigen und umweltschädlichen Verfahren hergestellt werden, so ist dies ein Kaufhindernis für viele Verbraucher. Händler möchten deshalb gerne damit werben, dass die von ihnen verkaufte Kleidung umwelt- und sozialverträglich hergestellt und gehandelt wird. Doch nur wenn dies stimmt, ist dies auch zulässig. Am Beispiel des GOTS-Siegels zeigt die IT-Recht Kanzlei, welchen Problemen Unternehmen besser aus dem Weg gehen sollten.

I. Soziale- und umweltverträgliche Mode im Trend

Nicht nur beim laufenden Weihnachtsgeschäft sondern auch in den übrigen Jahreszeiten boomt der Verkauf von „Ökokleidung“. Damit sind Textilien gemeint, die auf ökologischer und sozialverträglicher Basis produziert werden. Dies kann umfassen den sozial- und umweltverträglichen An- und Abbau der Rohstoffe bis hin zur umweltschonenden Herstellung sowie dem fairen Handel.

Verbraucher interessieren sich immer mehr für solche Kleidung und sind bereit, hierfür tiefer in die Tasche zu greifen. Daher ist der Trend auch für viele Produzenten und Händler von Interesse. Allerdings sieht man der Jeans oder dem T-Shirt per se nicht an, ob sie nach solchen „guten“ Standards hergestellt und gehandelt worden sind. Aus diesem Grund gibt es diverse Label, Siegel oder Zertifikate, die dies nachweisen sollen. Zur Bekämpfung des Missbrauchs und zum Schutz der Integrität dieser Gütezeichen mahnen solche Organisationen Unternehmen ab, die unberechtigterweise mit den Zeichen ihre Waren kennzeichnen oder damit werben.

Eines dieser angesprochenen Textilsiegel ist der „Global Organic Textile Standard“ (kurz: GOTS). Zuletzt hat sich die dahinter stehende Organisation mit einer Reihe von Abmahnungen gegen den Missbrauch des Siegels gewehrt.

II. Was ist GOTS?

Der GOTS ist ein Textilsiegel, mit dem seit 2008 solche Produkte gekennzeichnet werden können, deren gesamte Herstellung bestimmten ökologischen und sozialen Standards entspricht. Diese Standards werden von den vier hinter dem Siegel stehenden internationalen Organisationen – der International Association Natural Textile Industry (IVN) in Deutschland, der Soil Association (SA) in England, der Organic Textile Association (OTA) in den USA und der Japan Organic Cotton Association (JOCA) aus Japan – im Rahmen einer sog. „Working Group on Organic Textile Standard“ (IWG) definiert und überwacht.

Dabei müssen zumindest die Kriterien der internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization, kurz: ILO) eingehalten werden. Dies bedeutet: keine Kinder- und keine Zwangsarbeit, die Zahlung üblicher Mindestlöhne und verträgliche Arbeitsbedingungen wie Arbeitsschutzmaßnahmen.

Unter Umweltgesichtspunkten müssen die verwendeten Textilfasern zu mindestens 90% aus sog. Naturfasern hergestellt werden, wovon wiederum zumindest 70% aus biologischen Anbau stammen müssen; dabei ist ganz genau definiert, welche Fertigungsprozesse erlaubt sind und welche nicht.

Durch die Aufstellung und regelmäßige Kontrolle dieser Standards soll das Vertrauen in das Siegel und in die damit gekennzeichneten Textilien gestärkt werden. Unternehmen, die unberechtigterweise das Label führen, obwohl sie die Kriterien nicht (vollständig) erfüllen, werden daher abgemahnt.

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III. Rechtliche Zulässigkeit von Werbung mit GOTS

Die Werbung mit dem GOTS-Siegel – etwa auf der Website eines Herstellers oder eines Händlers, oder durch Aufdruck auf dem Produkt selbst („Labelling“) – ist nur dann zulässig, wenn die von der Working Group on Organic Textile Standard aufgestellten Bedingungen eingehalten werden.

Diese sehr detaillierten Voraussetzungen und weitere Informationen können auf der Website der Organisation nachgelesen werden.

Zusammenfassung der wesentlichen Bedingungen

Im Kern lassen sich die wesentlichen Bedingungen, unter denen eine Kennzeichnung mit dem Siegel erfolgen darf, wie folgt zusammenfassen:

  • Hersteller und B2B-Händler, also solche Händler, die nicht an (End-)Verbraucher verkaufen, müssen sich auf das Kontroll- und Zertifizierungssystem von GOTS einlassen.
  • B2C-Händler, die GOTS-zertifizierte Waren nicht umverpackt und nicht umgelabelt (nur) an Endverbraucher verkaufen, müssen sich dagegen nicht diesem System anschließen (dies gilt nach Ziffer 5.2. der geltenden Zertifzierungs-Richtlinien gleichermaßen für stationäre wie für Online-Händler)
  • Alle Unternehmen – also Hersteller, B2B- und Endverbraucher-Händler – müssen sich jedoch an die GOTS-Zertifizierungsstellen wenden, wenn sie die Produkte selbst mit dem GOTS-Logo kennzeichnen wollen oder die mit dem GOTS-Siegel gekennzeichneten Produkte verkaufen wollen. So bekommen sie die entsprechenden Dateien mit dem (elektronischen) Logo.
  • Unternehmen, die sich nicht dem Kontroll- und Zertifizierungssystem unterwerfen müssen (s.o.), können dies jedoch freiwillig tun. Tun sie dies nicht, so müssen sie auf den mit GOTS gekennzeichneten Produkten bzw. in der Werbung die GOTS-Lizenznummer und die konkrete Zertifizierungsstelle ihres Lieferanten angeben.
  • Diese Voraussetzungen gelten nicht nur für die Kennzeichnung der Textilwaren selbst, sondern auch für die Werbung und den Vertrieb auf Websites, in Katalogen in E-Mails und Briefen.
  • Die Händler, die an Endverbraucher verkaufen , müssen dabei – so sie sich denn nicht freiwillig dem Kontroll- und Zertifizierungssystem angeschlossen haben (s.o.) – das GOTS-Logo, die GOTS-Lizenznummer des Lieferanten sowie die konkrete Zertifizierungsstelle ihres Lieferanten angeben. Dabei muss zwingend darauf geachtet werden, dass damit keine Verwirrung und damit auch keine Irreführung einhergeht, wenn GOTS-zertifizierte und nicht-zertifizierte Produkte in demselben Katalog oder über dieselbe Website verkauft werden.
  • Das GOTS-Logo darf nur dann verwendet werden, wenn nicht bloß eine Zwischenstufe der Herstellung oder des Handels GOTS-zertifiziert ist, sondern auch das Endprodukt dem GOTS-Standard entspricht sowie dessen Hersteller sich dem Kontroll- und Zertifizierungssystem unterworfen hat (s.o.). Auch darf – etwa auf der Website des Endverbraucher-Verkäufers – nicht mit dem GOTS-Logo geworben werden, wenn zwar der Hersteller und damit das Produkt GOTS-zertifiziert ist, nicht aber direkte Lieferant oder einer der vorherigen Lieferanten in der Lieferkette. Es muss somit eine geschlossene Kette von GOTS-zertifizierten Unternehmen geben.
  • Die Unternehmen, die sich dem Kontroll- und Zertifizierungssystem von GOTS unterwerfen (müssen), müssen eine jährliche Lizenzgebühr von (im Moment) 120 Euro zahlen. Verkäufer, die GOTS-zertifizierte Waren an Endverbraucher verkaufen, ohne sich dem GOTS-Kontroll- und Zertifizierungssystem zu unterwerfen, müssen jedoch keine Lizenzgebühr bezahlen.

Alles in allem bedeutet dies, dass Händler, die an Endverbraucher verkaufen, darauf achten müssen, dass die von ihnen vertriebenen Produkte mit dem GOTS-Siegel berechtigterweise dieses Logo tragen. Der Lieferant muss also dem GOTS-Kontroll- und Zertifizierungssystem unterworfen sein. Ob der Lieferant ordnungsgemäß lizenziert ist, kann in einer Online-Datenbank auf der Website von GOTS abgefragt werden.

Eine englische Kurz-Zusammenfassung der Bedingungen für die Kennzeichnung oder Werbung mit GOTS stellt die dahinter stehende Organisation auf ihrer Website zur Verfügung.

Verstöße gegen die Lizenzbedingungen des GOTS-Siegels

Die International Working Group on Organic Textile Standard verfolgt Verstöße gegen die Lizenzbedingungen des GOTS-Siegel.

Dies betrifft den unerlaubten – also nicht autorisierten – Gebrauch des GOTS-Logos sowie deren falsche oder irreführende Verwendung. Dabei leitet sie auch rechtliche Schritte ein, wie etwa die Versendung von Abmahnungen.

Die Abmahnungen basieren dabei nicht nur auf dem Wettbewerbsrecht – in Deutschland dem UWG – sondern auch auf dem Markenrecht. Denn das GOTS-Siegel ist markenrechtlich geschützt, weshalb der Markeninhaber auch eine markenrechtliche Handhabe hat.

IV. Rechtsfolgen unzulässiger Werbung mit dem GOTS-Siegel

Abmahnungen durch Mitbewerber

Nicht nur die hinter dem GOTS-Siegel stehende Organisation, sondern auch die Mitbewerber entsprechender Hersteller, Lieferanten und Händler können wettbewerbsrechtlich gegen Unternehmen vorgehen und abmahnen , wenn diese gegen die GOTS-Bedingungen verstoßen, etwa indem sie unberechtigterweise das GOTS-Logo auf Textilwaren anbringen oder in Katalogen oder auf der händlereigenen Website damit werben.

Lauterkeits- und markenrechtliche Maßnahmen durch die GOTS-Organisation

Die hinter dem GOTS-Siegel stehende Organisation ist dabei – wie bereits erwähnt – nicht bloß auf Maßnahmen nach dem Lauterkeitsrecht wie etwa wegen irreführender Werbung (§ 5 UWG) oder Verstoßes gegen die sog. Schwarze Klausel Nr. 2 aus dem UWG (vgl. Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG) beschränkt, die da lautet:

„Eine [stets] unzulässige [also wettbewerbswidrige] geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 Absatz 3 UWG ist die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen und Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung.“

Vielmehr kann sie auch markenrechtlich gegen diejenigen vorgehen, die unberechtigterweise die registrierte Marke des GOTS-Siegels verwenden.

V. Fazit

Die Verbraucher wollen und sollen sich auf die Integrität von Zertifikaten und Siegeln, die eine besondere Qualität von Produkten ausweisen, verlassen können. Daher greifen die Hüter von Siegeln wie dem Global Organic Textile Standard (kurz: GOTS) durch, wenn Unternehmen unberechtigterweise Produkte mit ihrem Logo kennzeichnen oder damit Werbung betreiben.

Solche Verstöße werden auf wettbewerbsrechtlicher oder markenrechtlicher Basis abgemahnt. Unternehmen, d.h. Hersteller, Lieferanten und Händler, tun gut daran, sich an die von der Working Group on Organic Textile Standard aufgestellten Bedingungen zu halten. Die Bedingungen werden transparent im Internet dargestellt und können somit von jedem nachvollzogen werden. Dasselbe gilt selbstverständlich für andere, ähnliche Gütezeichen und Qualitätssiegel.

Bei Fragen zu dieser Thematik hilft Ihnen das Team der IT-Recht Kanzlei selbstverständlich gerne jederzeit weiter.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.


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5 Kommentare

M
Matthias 06.07.2021, 00:25 Uhr
Vorige Frage
Hallo IT Recht Kanzlei Redaktion,

könnt ihr bitte eine Rückmeldung zum Kommentar von Bernd geben? Das würde mich auch sehr interessieren. Vielen Dank
L
Levy 07.03.2021, 09:49 Uhr
ohitslevy@gmail.com
Liebe It-Recht Kanzlei,

könnten Sie bitte eine Antwort auf den 1. verfassten Kommentar bezüglich der Produktbeschreibung geben?

Liebe Grüße
B
Bernd 11.07.2018, 12:04 Uhr
Produktbeschreibung mit GOTS-Nennung, aber ohne Endlizenz
Hallo,

da wir uns keine GOTS-Zertifizierung leisten können, wollten wir unsere Produktbeschreibung so formulieren:

"Das T-Shirt, das wir in Deutschland fertigen, ist ein locker geschnittenes Jersey-Shirt mit 3/4 Ärmeln. Der ökologische Stoff (100% Baumwolle, kbA) aus dem dieses Kleidungsstück gefertigt ist, wurde von einem GOTS-zertifizierten Unternehmen hergestellt."

Ist das ok, oder könnte das eine Abmahnung durch einen GOTS-zertifizierten Mitbewerber bzw. GOTS direkt bedeuten?
N
Nazmiye Ün-Höwing 29.04.2016, 16:22 Uhr
Textilbetriebswirtin
Sehr geehrte Damen und Herren,
Auch ich habe Erfahrung mit dem GOTS Zertifikat gemacht, nämlich das ein Kinderkleidung und Stoffhersteller im Bergischen mit dem GOTS Zertifikat verkauft und wirbt aber es eigentlich nicht dürfte. Ich habe Zwei Jahre für dieses Unternehmen gearbeitet. Das traurige daran ist das GOTS Deutschland davon Weiß und nichts unternimmt.
S
Sabine TGötz 05.04.2013, 12:01 Uhr
Zusammenfassung der wesentlichen Bedingungen
Zu dem Absatz: "Händler, die GOTS-zertifizierte Waren (nur) an Endverbraucher verkaufen, müssen sich dagegen nicht diesem System anschließen."

Das ist nicht ganz korrekt, denn Händler, die einen Umsatz von über 5000 € GOTS-zertifizierten Artikeln haben, müssen sich dem Verfahren unterziehen.

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