OLG Hamm: Schon 129 Bewertungen in 6 Monaten können ein Indiz für gewerbliche Tätigkeit auf eBay sein

OLG Hamm: Schon 129 Bewertungen in 6 Monaten können ein Indiz für gewerbliche Tätigkeit auf eBay sein
von Mag.iur. Johannes Well
18.03.2013 | Lesezeit: 4 min

Am 21.08.2012 entschied das OLG Hamm in der Rechtssache Az.: I-4 U 114/12, dass auch 129 Bewertungen, die ein eBay-Anbieter innerhalb von 6 Monaten angesammelt habe, ein erhebliches Indiz für dessen gewerbliches Handeln und damit für seine Unternehmereigenschaft sein könne.

I. Sachverhalt

Ein „Privatmann“ verkaufte neben seinem Beruf als Chemielaborant via eBay alte und neue Festplatten. Da er sich nicht als gewerblicher Anbieter sah, stelle er seinen potentiellen Käufern weder eine vollständige Anbieterkennzeichnung zur Verfügung, noch informierte er über das Widerrufsrecht und schränkte auch die Gewährleistung weit ein. Diese Angebotsmängel rügte eine Firma, die ebenfalls Festplatten verkaufte und in dem „Privatmann“ einen Mitbewerber sah. Insbesondere machte sie geltend, dass sich aus der Anzahl von Bewertungen des Chemielaboranten sein gewerbliches Handeln und also seine Unternehmereigenschaft ergebe. Der Chemielaborant erwiderte, dass er die Festplatten aufgrund seines Hobbys des Computerbastelns kaufe und auch wieder verkaufe, und dabei nur einen ganz geringen Gewinn erziele. Daher sei sein Handeln sicher nicht gewerblich.

Das LG Essen sah dies in erster Instanz anders, und folgte vielmehr der Argumentation der rügenden Firma.

II. Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm bestätigte im Rechtsmittelverfahren die Entscheidung des LG Essen. Die gewerbliche Tätigkeit sei mittels einer Gesamtschau der Angebote zu beurteilen, wobei an die Kriterien einer solchen Beurteilung im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes keine zu hohen Anforderungen zu stellen seien.

Das OLG Hamm weiter:

"Legt man dies zugrunde, spricht hier für eine gewerbliche Tätigkeit [...] die Art und der Umfang der Verkaufstätigkeit des Antragsgegners [also des Chemielaboranten]."

Denn ginge man von 129 Bewertungen innerhalb von 6 Monaten aus, müsse der Chemielaborant ca. 22 Verkäufe im Monatsdurchschnitt getätigt haben. Schon dies lege ein gewerbliches Verhalten „sehr nahe“.

Hier habe der Chemielaborant aber überdies gebrauchte und defekte Festplatten günstig gekauft, Gewährleistungsansprüche gegenüber den Herstellern geltend gemacht, und die neuen Ersatzfestplatten dann gewinnbringend weiterveräußert. Dazu das OLG Hamm:

"Diese „Masche“ spricht zumindest in gleichem Maße für ein gewerbliches Handeln wie ein Ankauf mit anschließendem Wiederverkauf."

Von gleichem Gewicht sei auch, dass der Chemielaborant nicht etwa unterschiedliche Produkte angeboten habe, sondern sich auf Festplatten beschränkte. Geringer seien hingegen solche Indizien zu werten, die die Aufmachung des Angebotes oder Versandkostenregelungen betreffen.

Dass der Chemielaborant eigentlich in abhängiger Beschäftigung tätig war und den Festplattenverkauf lediglich als Hobby betrieb, sah das OLG Hamm bei der Beurteilung der Gewerblichkeit seines Handelns ebenfalls nicht als hinderlich an:

"Zwar habe der Bundesgerichtshof in der sonstigen Gewerbetätigkeit ein zusätzliches Indiz für gewerbliche Tätigkeit gesehen. Das bedeutet aber nicht, dass nicht von Gewerblichkeit auszugehen ist, wenn diese Besonderheit wie hier fehlt. Dann kommt es in der Gesamtschau nach wie vor auf Art und Umfang des Handelns an, die hier kaum einen anderen Schluss zulässt, als den auf die gewerbliche Tätigkeit."

Da das Internet auch abhängig Beschäftigten die Möglichkeit des gewerbsmäßigen Handelns böte, käme es auch erst recht nicht auf die Eintragung als Gewerbetreibender an.

Auch die Tatsache, dass der Chemielaborant zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung schon eine Weile überhaupt keine Festplatten auf eBay mehr angeboten habe, würde der Beurteilung seines Verhältnisses zur rügenden Firma als Wettbewerbsverhältnis nicht entgegenstehen. Denn laut OLG Hamm sei entscheidend,:

"dass der Antragsgegner durch das geschäftliche Handeln eine Wiederholungsgefahr begründet hat und dass er die Tätigkeit weiterhin jederzeit wieder aufnehmen kann."

Daher habe die rügende Firma einen Unterlassungsanspruch gegen den Chemielaboranten gem. §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 355 BGB, 5 TMG, 475 Abs. 1 BGB.

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III. Fazit

Also: Augen auf beim eBay-Verkauf! Handelt jemand via eBay über einen längeren Zeitraum mit gleichartigen Waren in nicht geringem Umfang, kann diese Tätigkeit schon als gewerblich zu qualifizieren sein. Die Untergrenze von „geringem Umfang“ kann zwar nicht eindeutig gezogen werden und muss im Zusammenhang mit der Dauer der Verkaufstätigkeit gesehen werden. Doch ist der monatliche Verkauf von 22 entsprechenden Produkten über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten ein starkes Indiz für gewerbliches Handeln. Und dann treffen den so Handelnden die volle Wucht der Verbraucherschutz - sowie der Fernabsatzvorschriften.

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3 Kommentare

T
Tom Jones 29.10.2013, 21:11 Uhr
sehr wohl gewerblich
Hier wurde ja wohl kein Fehlurteil gesprochen und die Begründung wird hier aus dem Kontext gerissen!

Der Herr hat jeden Wochentag einen NEUEN Artikel verkauft.

Hat vorher gebrauchte und defekte Platten angekauft, diese umgetauscht und die neuen verkauft.
Wenn das kein gewerbliches Handeln ist, was denn dann?
Das Vorgehen diente nur zu diesem Zweck und war kein Nebenprodukt seines Hobbys!

Und das in 129 Fällen in 6 Monaten...so muss man es sehen und nicht nur 129 Bewertungen in 6 Monaten.

Sammlungsauflösungen und Hobbyein- verkäufe sind was völlig anderes!
K
Keiner, Niemand 24.10.2013, 14:25 Uhr
Einheitliche Betrachtungsweise bitte nötig!
Das Dilemma, in dem so manche Ebay Anbieter stecken, ist, dass in vielen Fällen keine Meistbegünstigung greift, sondern eine Meistbenachteiligung.
Ich unterstelle zunächst den wenigsten, heimliche, professionelle Online-Händler zu sein, die als Privatleute getarnt, Erleichterungen bei Verbraucherschutzrechten nutzen wollen.

Hier ist m. E. eine Gesamtbetrachtung bitter vonnöten, davon einmal ganz abgesehen, dass Richter frühestens mit Vollendung des 45. Lebensjahres oder mindestens 15 Jahre erfolgreicher juristischer Tätigkeit außerhalb einer Behörde ernannt werden sollten. Zu oft wirkt so manches Urteil lebensfremd.

Ein Grund für die zahlreichen, z.T. kopfschütteln auslösenden Urteile liegt darin, dass Richter und Wettbewerber auf Ebay nun einmal schön dokumentieren können, wieviele Rechtsgeschäfte von einem Account dort getätigt werden. Könnte auch nur annähernd ähnliches Zahlenmaterial für echte Flohmärkte beschaffte werden, so hätten wir in Deutschland vermutlich auf einen Schlag 100.000 Unternehmer mehr, nämlich Personen, die sich hobbymäßig auf Flohmärkten herum treiben und einen "second hand" Handel ohne eigentliche Gewinnerzielungsabsicht betreiben.

Nun, weder der Flohmarkt "Powerseller" noch der Ebay-Anbieter kommen in der Regel in den Genuß der steuerlichen Gleichbehandlung, wie die Konkurrenten, die Ust -abzugsberechtigt sind, die Verluste und Beschaffugnskosten steuerlich geltend machen können, die sonstige Ausgaben im Zusammenhang mit ihrer Vertriebsaktivität auf Ebay steuerlich geltend machen können.

Hier ist eben eine einheitliche Betrachtungsweise notwendig. Wer eben steuerrechtlich ein Handelsgewerbe betreibt, hat als Unternehmer zu gelten, wer eben keine steuerliche Anerkennung findet (siehe auch Hobby und andere Ausflüchte der Finanzbehörden), der hat eben als "Privater" zu gelten.
Hier wird seitens der Gericht und Behörden ein "negatives" Rosinenpicken vorgenommen. Das fördert weder Umsätze noch Rechtsfrieden, noch Vertrauen in unser arg gebeuteltes Rechtssystem.
H
Hr. Mueller 19.03.2013, 09:47 Uhr
Es bleibt nebulös
22 Artikel im Monat sind nicht gerade viel, insbesondere Sammler aller Art tummeln sich auf Ebay und diese haben teilweise eine sehr hohe Fluktuation, dass die Zustaände dabei von Neu üder Gebraucht bis Defekt reichen, ist ganz normal.

Natürlich kam hier noch das weitere Verhalten des Chemielaboranten hinzu, Ersatzfestplatten zu erlangen und dann weiterzuverkaufen.

Auf der anderen Seite, sorgt das Urteil trotzdem für Unsicherheit.
Wenn ich beispielsweise meine CD-Sammlung auflösen möchte und 100 Artikel in 2 Monaten verkaufe, sogar bei so niedrigpreisigen Artikeln wie gebrauchte CDs, dann müsste ich wohl immer damit rechnen, dass sich ein "Mitbewerber" gestört fühlt.
Es gibt schließlich genug Second-Hand-Händler in allen Bereichen.

Am Ende entscheidet das Gericht, in dem es abwägt.
Am besten man hat einen Vollzeit-Job und erlangt mit dem Verkauf gerade mal Zeitwerte, ohne jegliches Plus, damit auch ja klar wird, dass man wirklich nur Privatmann ist.
Blöd nur, was machen Arbeitssuchende, Studenten und Rentner ?
Was, wenn die Sachen die man gesammelt hat, an Wert zugenommen haben in den letzten Jahren?
Das sorgt bei den Ebay-Mitgliedern, die fair spielen, nicht für mehr Sicherheit im Umgang mit ihren Verkäufen, es bleibt alles nebulös.

Das Merkmal von 22 Artikeln allein, losgelöst von den weiteren Verhaltensweisen des Beklagten, ist ziemlich lebensfremd wie ich finde und trägt den alltäglichen Geschehnissen auf Ebay keine Rechnung.

Viele Grüße (und vielen Dank für die gelungene Aufarbeitung aktueller Themen)

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