Gesetzesentwurf zur Eindämmung des Abmahnmissbrauchs - endlich Entlastung für Online-Händler?
Das Bundeskabinett hat am 15.05.2019 den Entwurf des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs beschlossen. Mit diesem Gesetz sollen missbräuchliche Abmahnungen eingedämmt werden. Hierzu sieht der Gesetzesentwurf zahlreiche Änderungen u.a. des Wettbewerbsrechts vor. Diese gesetzlichen Neuerungen sollen vor allem die finanziellen Anreize für Abmahnungen reduzieren helfen. Lesen Sie mehr zu den geplanten Gesetzesänderungen in unserem heutigen Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Das gesetzgeberische Ziel bei diesem Gesetzesentwurf
- 2. Die geplanten Änderungen im Detail
- a.) Abschaffung des „fliegenden“ Gerichtsstands
- b.) Wer darf zukünftig Wettbewerbsverstöße verfolgen?
- c.) Verbot rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen
- d.) Formale Anforderungen an eine Abmahnung
- e.) Gegenanspruch bei unberechtigter Abmahnung
- f.) Änderungen bei der Erstattung von Abmahnkosten
- g.) Vorgaben an die Vereinbarung einer Vertragsstrafe
- h.) Begrenzung des gerichtlichen Streitwerts auf 1.000,- Euro
- 3. Fazit
1. Das gesetzgeberische Ziel bei diesem Gesetzesentwurf
Vorab: Den Gesetzesentwurf zur Stärkung des fairen Wettbewerbs können Sie hier einsehen. Die Politik hatte bereits schon längere Zeit Maßnahmen geplant, um gegen missbräuchliche Abmahnungen vorzugehen. Nunmehr hat die Bundesregierung am 15.05.2019 den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs beschlossen. Dieser Gesetzesentwurf wird jetzt im Bundesrat und Bundestag diskutiert werden.
Die Bundesregierung gibt als Begründung zum Gesetzesentwurf an, dass im Sinne eines fairen Wettbewerbs lauterkeitsrechtliche Regelungen eingehalten und Verstöße effektiv sanktioniert werden müssen. Abmahnungen dienen dabei der schnellen und kostengünstigen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, die eine teure und unter Umständen langwierige gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden können.
Allerdings sollen Abmahnungen im Interesse eines rechtstreuen Wettbewerbs erfolgen und nicht zur Generierung von Gebühren und Vertragsstrafen. Gewerbetreibende, die nur formale Rechtsverstöße begehen, müssen dabei erhebliche Verluste finanzieller oder immaterieller Art hinnehmen oder sind zumindest der Gefahr solcher Verluste ausgesetzt.
In letzter Zeit mehren sich nach Ansicht der Bundesregierung allerdings die Anzeichen dafür, dass trotz des 2013 eingeführten Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken weiterhin missbräuchliche Abmahnungen ausgesprochen werden.
Es liege ein nicht hinnehmbarer Missstand vor, wenn Abmahnungen primär zur Erzielung von Gebühren und Vertragsstrafen ausgesprochen werden. Die mit dem Gesetzgebungsvorhaben vorgeschlagenen Regeln zielen auf die Eindämmung von Abmahnmissbrauch ab, ohne die Interessen der in diesem Bereich tätigen seriösen Akteure unbillig zu behindern.
Wichtig zu verstehen: Die Bundesregierung möchte das Institut der außergerichtlichen Abmahnung gerade nicht abschaffen, sondern lediglich rechtsmissbräuchliche Abmahnungen eindämmen. Hierbei schätzt die Bundesregierung, dass durch die geplanten Maßnahmen 50 % der missbräuchlichen Abmahnungen im Berufsrecht verhindert werden könnten.
Kommentar der IT-Recht Kanzlei: Wir betrachten es als kritisch, dass mit den geplanten Regelungen lediglich 50 % der missbräuchliche Abmahnungen eingedämmt werden sollen. Der Gesetzgeber sollte eigentlich in der Lage sein, Regeln zu schaffen, um missbräuchliche Abmahnungen gänzlich zu verhindern. Mit der geplanten Gesetzesänderung verfolgt der Gesetzgeber damit ein Ziel, welches seit jeher hätte verfolgt werden müssen – die Unterbindung von rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen!
Im Rahmen der Gesetzesbegründung argumentiert die Bundesregierung mit einer Anzahl von 324.338 Abmahnungen (im Jahre 2017). Hierbei sollen 50% der Abmahnungen wettbewerbsrechtlicher Natur gewesen sein, mithin 162.169. Hiervon waren nach Schätzung der Bundesregierung 10 % rechtsmissbräuchliche Abmahnungen, also 16.217. Der Gesetzgeber möchte mit der geplanten Gesetzesinitiative die Hälfte der missbräuchlichen Abmahnungen verhindern; das wären dann nach vorstehendem Zahlenbeispiel 8.109 Abmahnungen. Der Gesetzgeber würde damit die Zahl der insgesamt ausgesprochen Abmahnungen von 324.338 (im Jahre 2017) auf 316.229 reduzieren. Ob dies tatsächlich einen lobenswerten Vorteil für die Online-Händler darstellen würde, darf an dieser Stelle stark bezweifelt werden.
Eine Befristung des Gesetzes ist nicht vorgesehen. Das Gesetz soll nach Ansicht der Bundesregierung fünf Jahre nach dem Inkrafttreten anhand wissenschaftlicher Methodik (Forschungsvorhaben) evaluiert werden um festzustellen, ob die Zahl der missbräuchlichen Abmahnungen gesunken ist.
2. Die geplanten Änderungen im Detail
Der Gesetzentwurf sieht zur Eindämmung missbräuchlicher Abmahnungen insbesondere eine Reduzierung der finanziellen Anreize für Abmahnungen vor. Kernvorschlag des Gesetzentwurfs ist der Ausschluss des Aufwendungsersatzes bei besonders abmahnträchtigen Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet sowie bei Datenschutzverstößen.
Als weitere wichtige Maßnahme soll der fliegende Gerichtsstand eingeschränkt werden. Die geplanten Änderungen stellen wir nachstehend im Detail dar:
a.) Abschaffung des „fliegenden“ Gerichtsstands
Die Rechtslage bisher: Als fliegenden Gerichtsstand bezeichnet man die freie Wählbarkeit des Gerichtsstandes. Bei Wettbewerbsverstößen im Internet kann der Verstoßende an jedem Landgericht verklagt werden, an dem die Internetseite, über die der Verstoß begangen worden ist, bestimmungsgemäß abrufbar gewesen ist. Da Verstöße im Internet in jedem Landgerichtsbezirk in Deutschland abgerufen werden können, ist bei Wettbewerbsverstößen im Internet auch grundsätzlich jedes deutsches Landgericht örtlich zuständig.
Der geplante § 14 Abs. 2 UWG-E sieht eine Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands vor:
"(2) Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht wird, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Nur wenn sich die geschäftliche Handlung an einen örtlich begrenzten Kreis von Marktteilnehmern wendet, ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Das Gericht, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde, ist ferner zuständig, wenn der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat."
Nach der geplanten gesetzlichen Regelung soll grundsätzlich der Sitz des Beklagten maßgeblich sein für den Gerichtsstand. Eine Ausnahme soll dann gelten, wenn sich die geschäftliche Handlung an einen örtlich begrenzten Kreis von Marktteilnehmern wendet, in diesem Fall wäre dann das Gericht, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde, zuständig. Der fliegende Gerichtsstand soll damit abgeschafft werden. Dieser würde nur noch dann weiter bestehen, wenn der Beklagte im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Nach der aktuellen Rechtslage werden Klagen bzw. einstweilige Verfügungen gerne bei Gerichten eingelegt bzw. beantragt, von denen der Angreifer weiß, dass diese seiner Rechtsauffassung zuneigen. Dies stellt im Grundsatz eine Benachteiligung des Abgemahnten dar. Auf der anderen Seite verringert gerade dieser Umstand das Prozesskostenrisiko des Angreifers. Die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands wird allerdings auch dazu führen, dass bislang noch nicht stark frequentierte Landgerichte mit wettbewerbsrechtlichen Problemstellungen konfrontiert werden. Es steht hierbei zu befürchten, dass die Qualität der Entscheidungen hierunter leiden könnte.
b.) Wer darf zukünftig Wettbewerbsverstöße verfolgen?
Mitbewerber
Mitbewerber sollen nur dann Unterlassungsansprüche nach dem UWG geltend machen können, wenn sie Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben oder nachfragen. Die neue Vorschrift hierzu wäre § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG-E, zudem müsste der Mitbewerber-Abmahner darlegen und beweisen, dass die vorbenannten Voraussetzungen bei einer Abmahnung erfüllt sind.
Nach bisheriger Rechtslage konnte jeder Gewerbetreibende die Unterlassung einer wettbewerbswidrigen Handlung fordern, der mit dem Abgemahnten als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 UWG-E muss ein Mitbewerber, der Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG –E erhebt, nachweisen, dass er tatsächlich in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreibt oder nachfragt wie der Abgemahnte.
Wettbewerber, die ihre Geschäftstätigkeit gerade erst aufgenommen haben oder bei denen bereits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, werden sich nach Begründung der Bundesregierung hierauf nur in Ausnahmefällen berufen können, zum Beispiel wenn unzweifelhaft ist, dass die Geschäftstätigkeit weiter geführt oder ausgeweitet werden wird.
Wirtschaftsverbände
Die Anspruchsberechtigung von (qualifizierten) Wirtschaftsverbänden soll nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG-E davon abhängig sein, dass diese auf einer Liste der sogenannten qualifizierten mit Schutzwände eingetragen sind.
Die Voraussetzungen der Eintragung und die Anforderungen an die Wirtschaftsverbände sind wiederum in § 8a Abs. 2 UWG-E vorgesehen:
"(2) Ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, gewerbliche oder selbständige berufliche Interessen zu verfolgen und zu fördern so-wie zu Fragen des lauteren Wettbewerbs zu beraten und zu informieren, wird auf seinen Antrag in die Liste eingetragen, wenn
1. er mindestens 75 Unternehmer als Mitglieder hat,
2. er zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens einem Jahr im Vereinsregister eingetragen ist und ein Jahr seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen hat,
3. auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit sowie seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass er a) seine satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sach-gerecht erfüllen wird und b) seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen wird, um für sich Ein-nahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen,
4. seinen Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Vereinsvermögen gewährt wer-den und Personen, die für den Verein tätig sind, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen oder andere Zuwendungen begünstigt werden."
Im Wesentlichen wird also zur Auflage gemacht, dass 75 Unternehmen als Mitglieder dem Wirtschaftsverband angeschlossen sind. Darüber hinaus muss der Verein mindestens seit einem Jahr im Vereinsregister eingetragen worden sein.
Kommentar der IT-Recht Kanzlei: Die geplante Gesetzesänderung würde an den bisherigen Verhältnissen kaum etwas ändern, da z.B. der IDO Interessenverband die aufgestellten Hürden ohne große Mühen nehmen dürfte. In welcher Form diese angedachte Änderung eine Verbesserung bewirken soll, bleibt zumindest fraglich.
Weitere abmahnberechtigte Akteure
Nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG-E sollen weiterhin qualifizierte Einrichtungen, welche in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 Unterlassungsklagengesetz eingetragen sind, weiterhin abmahnberechtigt bleiben. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG-E sind des Weiteren also noch abmahnberechtigt:
"Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung er-richteten Körperschaften des öffentlichen Rechts und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbständiger beruflicher Interessen."
c.) Verbot rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen
§ 8b UWG-E nennt Fallgestaltungen, bei denen Ansprüche nach § 8 Absatz 1 UWG-E missbräuchlich geltend gemacht werden und regelt die Haftung des Abmahnenden bei missbräuchlicher Geltendmachung. Dies soll Gegenansprüche des Abgemahnten erleichtern und auf diese Weise den finanziellen Anreiz zur missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen reduzieren.
Der neu geplante § 8b UWG-E sieht in Absatz 1 vor, dass rechtsmissbräuchliche Abmahnungen unzulässig sind. Es fragt sich daher, wann eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist, dies beantwortet § 8b Abs. 2 UWG-E:
"(2) Eine missbräuchliche Geltendmachung liegt insbesondere vor, wenn
1. die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen,
2. ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht, wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko des außergerichtlichen und gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt,
3. ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt,
4. erheblich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden oder
5. eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung erheblich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht."
§ 8b Abs. 2 UWG-E enthält sog. Regelbeispiele für eine missbräuchliche Abmahnung. In diesen Fällen wird vermutet, dass eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung vorliegt. Der jeweilige Angreifer hat jedoch die Möglichkeit, diese Vermutung zu entkräften. Dies kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass er nachvollziehbar darlegt, aufgrund welcher Umstände er davon ausgegangen ist, einen nach § 8b Abs. 2 Nr. 3 bis 5 UWG-E unangemessene Forderung rechtmäßig erheben zu dürfen.
Kommentar der IT-Recht Kanzlei: Die geplante Vorschrift enthält leider einige unbestimmte Rechtsbegriffe. Zur Sicherheit für einen Abgemahnten trägt es sicherlich nicht bei, wenn dieser beurteilen muss, ob der Angreifer die Ansprüche verfolgt, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen.
Auch ist es für den Abgemahnten nur äußerst schwierig zu beurteilen, ob der Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch oder eine erheblich überhöhte Vertragsstrafe gefordert wird. Schlussendlich liegt dann das Risiko der Geltendmachung des Rechtsmissbrauchs beim Abgemahnten, denn: Erhebt dieser den Einwand des Rechtsmissbrauchs im Rahmen eines Gerichtsprozesses, muss der Abgemahnte wissen, dass er den Prozess verlieren und die Kosten zu tragen hat, wenn seine Einschätzung (zum Vorliegen eines der Regelbeispiele für den Rechtsmissbrauch) falsch war.
Der geplante § 8b Abs. 3 UWG-E enthält die Gegenansprüche des missbräuchlich Abgemahnten gegen den Abmahnenden, die bereits in der bisherigen Fassung von § 8 Abs. 4 UWG enthalten sind:
"(3) Im Fall der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen kann der Anspruchsgegner vom Anspruchsteller Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt."
Zum neu geplanten Gegenanspruch im Falle einer unberechtigten Abmahnung (§ 13 Abs. 5 UWG-E) sodann im übernächsten Punkt.
d.) Formale Anforderungen an eine Abmahnung
Nach dem neu geplanten § 13 UWG-E werden formale Anforderungen an eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung aufgestellt:
"(2) In der Abmahnung muss klar und verständlich angegeben werden:
1. Name oder Firma des Abmahnenden sowie im Fall einer Vertretung zusätzlich Name oder Firma des Vertreters,
2. die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Absatz 3,
3. ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet,
4. die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände,
5. in den Fällen des Absatzes 4, dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist."
Hält der Abmahnende die vorbenannten Vorgaben nicht ein, so hat er keinen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen nach § 13 Abs. 3 UWG-E und der Abgemahnte kann Gegenansprüche nach § 13 Abs. 5 UWG-E (hierzu sodann im nächsten Punkt) stellen. Im Urheberrecht besteht bereits eine vergleichbare Regelung hinsichtlich der formalen Anforderungen an eine Abmahnung.
Zu den einzelnen Anforderungen einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung nach den geplanten Vorschriften:
- Abmahnung in klarer und verständlicher Weise: Der geplante § 13 Absatz 2 Nummer 1 UWG-E verpflichtet den Abmahnenden, Namen oder Firma anzugeben sowie im Fall einer Vertretung zusätzlich Namen und Firma des Vertreters.
- Darlegung der Anspruchsberechtigung: Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG-E muss die Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG dargelegt werden. Mitbewerber müssen demzufolge Angaben darüber machen, dass sie in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen, zum Beispiel durch Größenkategorien der Zahl der Verkäufe. Konkrete Umsatzzahlen oder eine Steuerberaterbescheinigung müssten jedoch nicht vorgelegt werden. Mahnt ein qualifizierter Wirtschaftsverband ab, muss er darlegen, dass er in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen ist und inwiefern durch die geltend gemachten Rechtsverletzungen Interessen der Mitglieder berührt werden.
- Darstellung der Berechnung: Nach 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG-E muss die Berechnung dargestellt werden. Hierdurch soll mehr Transparenz hinsichtlich der konkreten Berechnung des Aufwendungsersatzanspruchs geschaffen werden.
- Darlegung der Rechtsverletzung: Gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG-E wird die Bezeichnung der Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände gefordert. Der Abgemahnte soll aus der Abmahnung ohne weiteres ersehen können, welches ganz konkrete Verhalten ihm vorgeworfen wird und warum dieses zu einer Rechtsverletzung führt. Zur Begründung führte die Bundesregierung an, dass missbräuchliche Abmahnungen sich häufig durch gleichlautende Schreiben auszeichnen, die keine Beschreibung der Umstände der im Einzelfall abgemahnten Rechtsverletzung enthielten.
- Hinweis auf Kostenfreiheit der Abmahnung: Schließlich sieht § 13 Abs. 2 Nr. 5 UWG-E eine Hinweispflicht auf die Kostenfreiheit einer Abmahnung vor, falls es sich um einen Fall einer Abmahnung nach § 13 Abs. 4 UWG-E handeln sollte (hierzu sogleich). Auf diese Weise soll verhindert werden, dass es beim Abgemahnten zu einer Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Bestehens etwaiger Kostenpflichten kommt.
e.) Gegenanspruch bei unberechtigter Abmahnung
Sollte eine Abmahnung unberechtigt sein oder nicht die formalen Anforderungen (des § 13 Abs. 2 UWG-E) erfüllen, sieht § 13 Abs. 5 UWG-E einen Gegenanspruch des Abgemahnten (gegen den Abmahner) vor.
"(5) Soweit die Abmahnung unberechtigt ist oder nicht den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht oder entgegen Absatz 4 ein Anspruch auf Aufwendungsersatz geltend gemacht wird, hat der Abgemahnte gegen den Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen. Bei einer unberechtigten Abmahnung ist der Anspruch nach Satz 1 ausgeschlossen, wenn die fehlende Berechtigung zur Abmahnung für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar war. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt."
Es handelt sich damit um einen anderen Anspruch als den Anspruch des Abgemahnten bei missbräuchlichen Abmahnungen in § 8b Absatz 1 UWG-E. Es muss kein missbräuchliches Motiv des Abmahnenden vorliegen. Es ist ausreichend, dass kein Rechtsverstoß vorliegt oder die Abmahnung nicht den formalen Anforderungen genügt.
Der Gegenanspruch soll den finanziellen Anreiz für Abmahnungen reduzieren und sicherstellen, dass der Abmahnende sorgfältig prüft, ob die inhaltlichen Voraussetzungen an Abmahnungen in § 13 Absatz 2 UWG-E eingehalten werden sowie ob eine Zuwiderhandlung tatsächlich vorliegen kann.
Ein Gegenanspruch des Abgemahnten würde nach Absatz 5 Satz 1 z.B. bestehen, wenn
- ein Kostenerstattungsanspruch nach § 8 Abs. 4 UWG-E nicht besteht, aber vom Abmahner gefordert werden würde oder
- auch schon dann, wenn nicht darauf hingewiesen werden würde, dass ein Kostenerstattungsanspruch nicht besteht.
f.) Änderungen bei der Erstattung von Abmahnkosten
Die Bundesregierung möchte mit dem neuen Gesetzesvorgaben die finanziellen Anreize für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erheblich reduzieren. Hierzu sieht das geplante Gesetz zum einen in § 13 Abs. 3 UWG-E eine Verschärfung bei der Kostenerstattung vor, zum anderen sollen gewisse Abmahnungen gemäß § 13 Abs. 5 UWG-E überhaupt keine Kosten für den Abgemahnten auslösen.
Verschärfung der Voraussetzungen für eine Kostenerstattung
Nach dem neu geplanten § 13 Abs. 3 UWG-E soll eine Erstattung von Abmahnkosten nur dann gegeben sein, wenn die Abmahnung berechtigt ist und ferner den formalen Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG-E entspricht.
Im Unterschied zur bisherigen Regelung in § 12 Absatz 1 Satz 2 UWG hätte der Abmahnende einen Anspruch auf die Abmahnkosten nach der geplanten Rechtslage nur dann, wenn die Abmahnung die formellen Voraussetzungen nach § 13 Absatz 2 UWG-E erfüllt.
Ausschluss der Abmahnkostenerstattung in speziellen Fällen
Interessant dürfte die Vorschrift des geplanten § 13 Abs. 4 UWG-E sein. Hiernach sollen keine Abmahnkosten für eine Abmahnung eines Mitbewerbers (gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG-E) geltend gemacht werden können, wenn es sich um
- im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangene Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten oder
- Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) handelt, sofern diese Datenschutzverstöße durch Kleinstunternehmen, gewisse kleine Unternehmen sowie vergleichbare Vereine handelt.
Der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für eine Abmahnung durch klagebefugte Mitbewerber soll mit der neuen Vorschrift ausgeschlossen werden, wenn es sich um einen der vorgenannten Fälle handelt.
Nach Ansicht der Bundesregierung berücksichtigt die Ausnahme für Verstöße gegen Information-und Kennzeichnungspflichten auf Telemedien den Umstand, dass der Großteil der Abmahnungen von Mitbewerbern wegen Verstößen im Online-Handel ausgesprochen wird. Der Bundesregierung ist hierbei auch bewusst, dass derartige Verstöße einfach und automatisiert festgestellt werden können und zudem im Online-Bereich zahlreiche besondere Informationspflichten bestehen.
Als Beispiel für solche Kennzeichnung-und Informationspflichten im Internet benennt die Bundesregierung die Impressumspflicht, die Information über Widerrufsbelehrung und –formular (u.a.) und die Vorgaben nach der Preisangabenverordnung.
Auch den zahlreichen Stimmen besorgter Online-Händler möchte die Bundesregierung gerecht werden, indem Verstöße gegen das Datenschutzrecht ebenfalls keine Kostenerstattungspflicht auslösen sollen (zumindest wenn diese durch kleine Online-Akteure begangen werden).
Mitbewerber wären nach dieser geplanten Vorschrift weiterhin zur Abmahnung von Verstößen berechtigt. Allerdings könnte im Falle der vorstehenden Wettbewerbsverstöße keine Erstattung von Abmahnkosten verlangt werden.
Ebenfalls unberührt bliebe die grundsätzliche Berechtigung der Mitbewerber zur Klageerhebung. Ohne eine vorherige Aufforderung oder Abmahnung gegenüber dem vermeintlichen Rechtsverletzer tragen Mitbewerber dann allerdings das Risiko, dass sie die Kosten des Prozessverfahrens tragen müssen.
Hinweis der IT-Recht Kanzlei: Der Anspruch der qualifizierten Wirtschaftsvereine, der qualifizierten Einrichtungen sowie der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern auf die Erstattung der Kosten für eine berechtigte Abmahnung bleibt durch die geplante Neuregelung allerdings unberührt. Das bedeutet, dass diese auch bei Vorliegen eines Verstoßes gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten oder Datenschutzverstößen weiterhin die Abmahnkosten erstattet verlangen könnten.
Problematisch ist bei der geplanten Regelung wiederum, dass keine Rechtssicherheit für den Abgemahnten besteht, da dieser im Falle einer Abmahnung nicht mit Sicherheit beurteilen kann, ob ein angerufenes Gericht im nachfolgenden Prozess von einem Fall einer „Informationspflichtverletzung“ ausgeht. Es ist durchaus vorstellbar, dass die Gerichte sich bei der Frage zu einzelnen Informations- und Kennzeichnungspflichten unterschiedlich positionieren werden. Vorstellbar wäre dann, dass für manche Verstöße im Gerichtsbezirk A eine Kostenerstattungspflicht bejaht wird, während im Gerichtsbezirk B ein Fall des § 13 Abs. 4 UWG-E angenommen (und damit ein Kostenerstattungsanspruch abgelehnt) würde.
Auch erscheint das Kriterium von „kleinen Unternehmen“ bzw. „Kleinstunternehmen“ (im Rahmen der Datenschutzverstöße) als untauglich, da auch hier eine Rechtsunsicherheit entstehen könnte, wann genau ein solcher Fall vorliegen soll. Auf der anderen Seite geht auch ein Abmahner ein erhebliches Risiko ein. Schätzt dieser den abgemahnten Verstoß nicht als "Informations- bzw. Kennzeichnungsverstoß" im Sinne der Vorschrift ein (und das Gericht nimmt dies allerdings sodann doch an), würde die ausgesprochene Abmahnung damit unzulässig werden und der Abgemahnte erhielte einen Gegenanspruch auf Kostenerstattung aus § 13 Abs. 5 UWG-E.
g.) Vorgaben an die Vereinbarung einer Vertragsstrafe
Allgemeine Grundsätze zur Angemessenheit einer Vertragsstrafe
Erstmalig wird eine Regelung zur Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht vorgesehen. Nach dem geplanten § 13a UWG-E soll in Absatz 1 die in Rechtsprechung und Lehre anerkannten Grundsätze für Vertragsstrafen niedergeschrieben werden:
"(1) Bei der Festlegung einer angemessenen Vertragsstrafe nach § 13 Absatz 1 sind folgende Umstände zu berücksichtigen:
1. Art, Ausmaß und Folgen der Zuwiderhandlung,
2. Schuldhaftigkeit der Zuwiderhandlung und bei schuldhafter Zuwiderhandlung die Schwere des Verschuldens,
3. Größe, Marktstärke und Wettbewerbsfähigkeit des Abgemahnten sowie
4. wirtschaftliches Interesse des Abgemahnten an erfolgten und zukünftigen Verstößen."
Mit dieser gesetzlichen Vorschrift soll eine Klarstellungs- und Hinweisfunktion erfüllt und den Betroffenen verdeutlicht werden, dass die Höhe nicht einseitig vom Gläubiger der Vertragsstrafe bestimmt werden kann.
Keine Vertragsstrafe bei erstmaligem Verstoß in bestimmten Fällen
Die geplante Vorschrift des § 13a Abs. 2 sieht einen Ausschluss der Vereinbarung einer Vertragsstrafe mit einem Mitbewerber vor, wenn der Mitbewerber erstmalig eine Verpflichtung zur Unterlassung in Fällen des § 13 Absatz 4 UWG-E fordert:
"(2) Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nach Absatz 1 ist für Anspruchsberechtigte nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 bei einer erstmaligen Abmahnung bei Verstößen nach § 13 Absatz 4 ausgeschlossen."
Abmahnungen, die allein das Ziel der Generierung von Vertragsstrafen verfolgen, soll damit die Grundlage entzogen werden.
Hinweis der IT-Recht Kanzlei: Erfolgt die erstmalige Abmahnung des Verstoßes dagegen durch einen Wirtschaftsverband, eine qualifizierten Einrichtung, eine Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Gewerkschaft besteht auch weiterhin die Möglichkeit, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verlangen. Die unterschiedliche Behandlung sei nach Ansicht der Bundesregierung dadurch gerechtfertigt, dass Fälle des Abmahnmissbrauchs überwiegend bei Mitbewerbern auftreten würden.
Begrenzung der Vertragsstrafe auf 1.000,- Euro in einfach gelagerten Fällen
Nach dem geplanten § 13a Abs. 3 UWG-E soll die Höhe der Vertragsstrafe bei einfach gelagerten Fällen auf 1.000,- Euro begrenzt werden:
"(3) Vertragsstrafen dürfen eine Höhe von 1 000 Euro nicht überschreiten, wenn die Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt."
Ob eine Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern und Mitbewerbern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt, muss anhand des konkreten Einzelfalls bewertet werden.
Keine unerhebliche Beeinträchtigung soll vorliegen, wenn angesichts des Umfangs der Geschäftstätigkeit des Gewerbetreibenden eine größere Anzahl von Verbrauchern betroffen ist.
h.) Begrenzung des gerichtlichen Streitwerts auf 1.000,- Euro
Ferner plant die Bundesregierung den Streitwert in gerichtlichen Verfahren auf 1.000,- Euro zu beschränken (sog. Auffangstreitwert), wenn die gerichtlich geltend gemachten Wettbewerbsverstöße angesichts ihrer Art, ihrer Schwere, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigen.
Die Prozesskosten würden in solch einem Fall extrem verringert und der finanzielle Anreiz für die gerichtliche Verfolgung der Wettbewerbsverstöße erheblich gemindert werden.
3. Fazit
Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf zur Stärkung des fairen Wettbewerbs steckt sich die Bundesregierung hohe Ziele. Durch die geplanten Maßnahmen sollen vor allem rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen reduziert werden. Durch den vorgelegten Gesetzesentwurf würden wohl auch die nicht rechtsmissbräuchlichen, aber massenhaften wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen wegen kleinerer (Informationspflicht-) Verstöße eingedämmt werden (können).
Jedoch schafft der Gesetzesentwurf auch zahlreiche Unklarheiten für die Abgemahnten und verlagert bei der Beurteilung des Vorliegens zahlreicher unbestimmter Rechtsbegrifft doch wiederum einige Risiken auf die Online-Händler. Es bleibt abzuwarten, wie das Gesetz in seiner letztendlichen Ausprägung das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen wird. Nunmehr werden sich der Bundesrat und der Bundestag mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf beschäftigen müssen.
Gerne halten wir Sie über das weitere Gesetzgebungsverfahren auf dem Laufenden
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1 Kommentar
Liegt das daran, dass der Gesetzesentwurf nur _Mitbewerbern_ das Recht auf Kostenerstattung in den genannten Fällen nimmt, oder verstehe ich die Aussage falsch? Im ersteren Fall hätte die Gesetzgebung doch das entscheidende Ziel verfehlt.