Gesetzentwurf zur Eindämmung des Abmahnmissbrauchs: Expertenanhörung im Bundestag
Im Bundestag fand am 23. Oktober eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz statt. Anlass war der geplante Gesetzentwurf zur Eindämmung des Abmahnmissbrauchs. Neun Sachverständige und 14 Bundestagsabgeordnete diskutierten über Stärken und Schwächen der geplanten Gesetzesnovelle.
A. Das geplante Anti-Abmahngesetz unter Experten-Beschuss
Anlass der Expertenanhörung war der von der Bundesregierung am 15.05.2019 beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung des fairen Wettbewerbs. Der Gesetzentwurf sieht zur Eindämmung missbräuchlicher Abmahnungen insbesondere eine Reduzierung der finanziellen Anreize für Abmahnungen vor. Kernvorschlag des Gesetzentwurfs ist der Ausschluss des Aufwendungsersatzes bei besonders abmahnträchtigen Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet sowie bei Datenschutzverstößen. Als weitere wichtige Maßnahme soll nach dem Gesetzentwurf der fliegende Gerichtsstand eingeschränkt werden. Über die geplanten Änderungen haben wir hier im Detail berichtet.
B. Gegenwind von der Anwaltschaft
Am Anfang der Anhörung hatten die Experten Gelegenheit, ein vierminütiges Eingangsstatement abzugeben. In diesen wurde deutlich: Die eingeladenen Rechtsanwälte bewerteten die Regelungen zum Abmahnmissbrauch im Kern als nicht dringend und zu weitgehend. Die Vertreter der Verbraucher- und Einzelhandelsverbände begrüßten die Maßnahmen hingegen als Schritt zu mehr Rechtssicherheit.
Im Einzelnen:
Rechtsanwältin Nina Diercks betonte, dass die Bundesregierung mit dem Gesetz ein Problem lösen wolle, für das es keine Belege gebe. Eine Abmahnwelle gebe es allenfalls gefühlt.
Ihr Kollege Rechtsanwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel ergänzte, dass der Gesetzentwurf eine gesetzgeberische Überreaktion darstelle, die das zu lösende Problem nicht genau erfasse, eine Vielzahl von teilweise überaus bürokratisch anmutenden und auslegungsunsicheren Begriffen einführe und dem Regelungsziel nicht diene.
Rechtsanwalt Tobias Timmann befürchtete zudem, dass mit dem Gesetzentwurf ein in der Praxis seit Jahrzehnten funktionierendes System außergerichtlicher und gerichtlicher Rechtsdurchsetzung allein aufgrund einer kleinen Gruppe missbräuchlich Handelnder geopfert werde.
Peter Jens Schröder, Bereichsleiter Recht und Verbraucherpolitik beim Handelsverband Deutschland (HDE) hingegen vertrat die Auffassung, dass der Abmahnmissbrauch Einzelhandelsunternehmen, speziell den Online-Handel, erheblich belaste. Er begrüßte daher die geplanten gesetzgeberischen Maßnahmen. Seiner Meinung nach seien diese geeignet, einen Durchbruch im Kampf gegen den Abmahnmissbrauch zu erzielen und die Akzeptanz der privaten Rechtsdurchsetzung zu stärken.
Auch nach Auffassung des Geschäftsführers des Verbands Sozialer Wettbewerb, Ferdinand Selonke, sorge der Gesetzenzwirf für die Einhaltung lauterkeitsrechtlicher Regelungen. Jedoch weise der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Fassung eine Vielzahl von Punkten auf, welche die konkrete Rechtsanwendung konterkarieren und neue Probleme schürfen werde. So zöge der Erlass des Gesetzes in der aktuellen Version auf der Seite aller seriös handelnden Wettbewerber und Verbände einen erheblichen Kostenanstieg nach sich.
C. Fliegender Gerichtsstand und DSGVO-Verstöße im Zentrum der Debatte
Im Anschluss an die Eingangsstatements stellten die Abgeordneten den Experten ihre Fragen.
Diese betrafen zum einen den fliegenden Gerichtsstand, sprich die freie Wählbarkeit des Gerichtsstandes. Nach der aktuellen Rechtslage werden Klagen bzw. einstweilige Verfügungen gerne bei Gerichten eingelegt bzw. beantragt, von denen der Angreifer weiß, dass diese seine Rechtsauffassung teilen. Dies stellt im Grundsatz eine Benachteiligung des Abgemahnten dar. Nach der geplanten Neuregelung soll grundsätzlich der Sitz des Beklagten maßgeblich sein für den Gerichtsstand. Die Experten sprachen sich fast einstimmig gegen die geplante Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes aus und stellten sich damit gegen die Regierungsmeinung. Welche Auswirkungen dies nun für die Gesetzesnovelle hat, bleibt abzuwarten.
Zum anderen diskutierten die Experten und die Abgeordneten über die Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen. Uneinigkeit bestand zwischen den Experten dahingehend, ob DSGVO-Verstöße als Wettbewerbsverletzung einzustufen seien oder nicht. Einig waren sich die Experten jedoch darüber, dass die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zwingend definieren müsse, ob und wie ein DSGVO-Verstoß abgemahnt werden kann.
D. Fazit
Der Bundestag wird voraussichtlich noch in diesem Jahr über den Gesetzentwurf abstimmen. Spannend bleibt dabei, welchen Inhalt dieser bei dem kontroversen Meinungsstand haben wird. Wir halten sie gerne über das weitere Gesetzgebungsverfahren auf dem Laufenden.
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