Gesetz gegen Abmahnmissbrauch seit dem 02.12.2020 in Kraft
Gut Ding will Weile haben. Nachdem das von vielen sehnlichst erwartete „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ am 09.10.2020 den Bundesrat passiert hat, wurde es am 01.12.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am 02.12.2020 größtenteils in Kraft getreten. Für künftige Abmahnungen gelten ab sofort die neuen Einschränkungen. Mehr zum Inkrafttreten des Gesetzes und zu den Änderungen im Abmahnwesen lesen Sie hier.
Inhaltsverzeichnis
- I. Abmahnwesen zum 02.12.2020 reformiert
- II. Welche Änderungen gelten ab sofort?
- I. Formvoraussetzungen für Abmahnungen
- II. Indizien für Abmahnmissbrauch
- III. Entfallen von Abmahnkosten für Mitbewerberabmahnungen bei bestimmten Verstößen
- IV. Gegenansprüche unberechtigt Abgemahnter
- V. Teilweiser Ausschluss und Begrenzung von Vertragsstrafen
- VI. Aufhebung des fliegenden Gerichtsstands im Internet
- III. FAQ der IT-Recht Kanzlei
I. Abmahnwesen zum 02.12.2020 reformiert
Das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“, oftmals auch als „Gesetz gegen Abmahnmissbrauch“ bezeichnet, führt vor allem im UWG neue Regelungen ein, um
- Abmahnungen strengeren formellen Anforderungen zu unterwerfen
- die Abmahnkostenerstattung einzuschränken
- Gegenansprüche für unberechtigte Abmahnungen einzuführen
- Vertragsstrafen dem Umfang und der Höhe nach zu begrenzen und
- den „fliegenden Gerichtsstand“ (die Zuständigkeit jedes deutschen Gerichts für Wettbewerbsverstöße im Internet) aufzuheben
Das Gesetz hat in seiner finalen Fassung am 10.09.2020 den Bundestag passiert und ist am 09.10.2020 vom Bundesrat gebilligt worden. Was bislang fehlte, waren die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und die Verkündung im Bundesgesetzblatt.
Am 01.12.2020 ist das Gesetz nunmehr aber im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden, sodass es größtenteils seit dem 02.12.2020 offiziell in Kraft ist.
Größtenteils? Ja, denn alle Änderungen bezüglich der Aktivlegitimation von Abmahnberechtigten, insbesondere die neue Pflicht von Verbänden, sich in die „Liste der qualifizierter Wirtschaftsverbände“ eintragen und hierfür ein Zulassungsverfahren durchlaufen zu müssen, gelten erst ab dem 01.12.2021.
Bis Ende 2021 keine Verschärfung der Abmahnanforderungen für Wirtschaftsverbände
Die Pflicht von Verbänden, sich für die Abmahnberechtigung in die sog. „Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände“ eintragen zu lassen, gilt nach Art. 9 Abs. 2 des neuen Gesetzes erst ab dem 01.12.2021.
Erst ab dann wird die Abmahnbefugnis von der Eintragung abhängig sein, für die wiederum die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein müssen:
- mindestens 75 Mitglieder
- Wahrnehmung satzungsgemäßen Aufgaben seit mindestens einem Jahr vor Antragstellung (keine Neuverbände)
- strukturelle und finanzielle Kapazität, die sicherstellt, dass satzungsgemäße Aufgaben auch zukünftig sachgerecht wahrgenommen werden können und dass Ansprüche nicht vorwiegend für die Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen geltend gemacht werden
- ordnungsgemäße Vermögensverwaltung (keine Zuwendungen an Mitglieder aus Verbandsvermögen, keine unangemessen hohen Zuwendungen oder Vergütungen an verbandsfremde Dritte)
II. Welche Änderungen gelten ab sofort?
Ab sofort ergeben sich für das wettbewerbsrechtliche Abmahnwesen weitreichende Änderungen:
I. Formvoraussetzungen für Abmahnungen
In Abmahnungen muss gemäß § 13 Abs. 2 UWG n.F. künftig Folgendes klar und verständlich angegeben werden:
- Name oder Firma des Abmahnenden sowie im Fall einer Vertretung zusätzlich Name oder Firma des Vertreters,
- die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung
- ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet,
- die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände,
- falls einschlägig (s.u.), dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist
II. Indizien für Abmahnmissbrauch
Nach § 8c UWG n.F. sind künftig Indizien für eine missbräuchliche Abmahnung gesetzlich verankert, bei deren Vorliegen die Abmahnung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam ist.
Folgende Kriterien führt das Gesetz als Indizien für den Abmahnmissbrauch an:
- die Geltendmachung der Ansprüche dient vorwiegend dazu, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen
- ein Mitbewerber macht eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend und die Anzahl der geltend gemachten Verstöße steht außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder es ist anzunehmen, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko seines außergerichtlichen oder gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt
- ein Mitbewerber setzt den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch an
- es werden offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert
- eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung geht offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinaus
- mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, werden einzeln abgemahnt
- wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, werden die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht
Die Indizien können jedes für sich einen Abmahnmissbrauch nahelegen, sie müssen also nicht gesammelt vorliegen.
Geregelt ist nun in § 8c Abs. 3 UWG auch ein Gegenanspruch des Abgemahnten, der vom rechtsmissbräuchlich Abmahnenden seine Rechtsverteidigungskosten ersetzt verlangen kann.
III. Entfallen von Abmahnkosten für Mitbewerberabmahnungen bei bestimmten Verstößen
Für bestimmte Verstöße können (nur) Mitbewerber bei Abmahnungen keine Abmahnkosten mehr verlangen.
Gemäß § 13 Abs. 4 UWG n.F. ist der Anspruch auf Abmahnkostenersatz für Mitbewerber nun ausgeschlossen bei
- Verstößen gegen Kennzeichnungs- und Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr und auf Telemedien (z. B. auf Webseiten, Online-Shops, Plattform- und Social-Media-Profilen)
- Verstößen im Bereich Datenschutz nach der DSGVO oder dem BDSG, sofern der Abgemahnte in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigt
Beispiele für privilegierte Verstöße:
Abmahnkosten können fortan von Mitbewerbern beispielsweise nicht mehr gefordert werden bei:
- Impressumspflichten nach sind § 5 des Telemediengesetzes
- die Pflicht zur Vorhaltung eines klickbaren Links auf die OS-Plattform der EU-Kommission
- Informationspflichten in Fernabsatzverträgen nach § 312d BGB (etwa: wesentliche Produkteigenschaften, Garantien, Lieferzeiten)
- die Pflicht zur Vorhaltung einer Widerrufsbelehrung
- die Vorschriften der Preisangabenverordnung
Wirtschaftsverbände, qualifizierte Einrichtungen und Industrie-, Handels- und Handwerkskammern werden ihre Kosten aber unabhängig vom Verstoß künftig immer weiterhin geltend machen können.
IV. Gegenansprüche unberechtigt Abgemahnter
Unberechtigt Abgemahnte können nach § 13 Abs. 5 UWG n.F. künftig die für die Abmahnverteidigung entstandenen Kosten vom Abmahnenden ersetzt verlangen.
Aber: Der Anspruch ist auf den Betrag gedeckelt, den der Abmahnende an Abmahnkosten geltend macht.
Ein Kostenerstattungsanspruch steht dem Abgemahnten etwa dann zu, wenn
- der Abmahnende gar nicht anspruchsberechtigt ist
- der behauptete Rechtsverstoß nicht vorliegt
- die Formalien der Abmahnung nicht eingehalten wurden (s.o.)
Ein Ersatzanspruch des Abgemahnten scheidet aber wiederum aus, wenn der Abmahner die fehlende Berechtigung zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennen konnte oder nicht hätte erkennen können. Entscheidend ist hier nach der Gesetzesbegründung nicht die persönliche Kenntnis des Abmahnenden, sondern die Frage, ob die fehlende Berechtigung objektiv erkennbar gewesen wäre.
Ein Beispiel wäre etwa die Abmahnung eines Privatverkäufers wegen vermeintlich Gewerblichkeit seiner Angebote und damit einhergehender Informationspflichtverstöße. Zeigt sich das Angebot objektiv als gewerbliches, kann der Privatverkäufer sich dann aber durch die Offenlegung von Interna entlasten, war die fehlende Abmahnberechtigung nicht erkennbar.
V. Teilweiser Ausschluss und Begrenzung von Vertragsstrafen
Gemäß § 13a UWG n.F. werden Vertragsstrafen in bestimmten Fällen ausgeschlossen.
Eine Vertragsstrafe kann künftig unter folgenden kumulativen Voraussetzungen nicht mehr geltend gemacht werden:
- Ein Mitbewerber mahnt erstmalig ab, und
- Gegenstand der Abmahnung ist allein ein Verstoß gegen die privilegierten gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten oder gegen das Datenschutzrecht (s.o.), und
- der Abgemahnte beschäftigt „in der Regeln“ 100 Mitarbeiter oder weniger
Ferner dürfen Vertragsstrafen Vertragsstrafenforderungen 1000,00€ nicht übersteigen, wenn
- der Verstoß angesichts seiner Art, seines Ausmaßes und seiner Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt und
- der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt
Diese Deckelung gilt für alle Anspruchsberechtigten, also gleichermaßen für Mitwerber, Verbände, Einrichtungen und IHKs.
VI. Aufhebung des fliegenden Gerichtsstands im Internet
Der fliegende Gerichtsstand im Wettbewerbsrecht beschreibt die Tatsache, dass bei wettbewerbsrechtlichen Verstößen im Internet grundsätzlich jedes deutsche sachlich zuständige Gericht angerufen werden kann.
Gemäß § 14 Abs. 2 UWG n.F. ist der „fliegende Gerichtsstand“ in bestimmten Fällen aufgehoben.
Zuständig ist dann nur noch das Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand (Wohnsitz oder Niederlassung) hat.
Das Gericht des allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten ist künftig allein zuständig bei
- allen Verstößen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien (Online-Handel, sonstige Internetpräsenzen, Social Media)
- unabhängig von der Art des Verstoßes bei Einleitung von Rechtsstreitigkeiten durch Anspruchsberechtigte, die keine Mitbewerber sind (Wirtschaftsverbände, qualifizierte Einrichtungen, IHKs)
III. FAQ der IT-Recht Kanzlei
Alle wesentlichen Änderungen des neuen Gesetzes und ihre Auswirkungen auf Abmahnungen im Online-Handel hat die IT-Recht Kanzlei in diesen umfangreichen FAQ zusammengetragen.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
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1 Kommentar
Der Gegenstandswert ist mit 7.000 Euro für eine bereits gelöschte Webseite, deren Inhalte ich reaktiviert habe und die vor und nach meiner Übernahme keinen einzigen Besucher hatte, meiner Meinung nach extrem überzogen.
Ich sehe die Abmahnung also als missbräuchlich und würde gerne die mir entstandenen Kosten und vor allem die Zeit gerne erstattet bekommen.
Eine solche Abmahnung mit einer derartigen Forderung sorgt bei einem ohnehin wegen Corona um seine Existenz kämpfenden Freiberufler und Familienvater für extremen Stress. Der zeitliche Aufwand für Recherche nach entsprechend rechtlichen Möglichkeiten sowie die ständige Angst als kleiner Bürger im Rechtsstreit mit einer teuren Anwaltskanzlei hohe Kosten tragen zu müssen, sollten hier ebenso berücksichtig werden.
Ich fühle mich durch die Forderung genötigt und sogar erpresst, da der Abmahnende mir anbietet gegen eine Zahlung von 500 Euro von weiteren juristischen Schritten abzusehen.