Geschäftsaufgabe: Was gilt für Mängelansprüche nach Abverkauf?
Planen Online-Händler die Schließung ihres Shops und den damit verbundenen Abverkauf, stellt sich die Frage, wie mit möglichen Gewährleistungs- und sonstigen vertraglichen Ansprüchen der Kunden umzugehen ist. Besteht hier eine Haftung über die Schließung hinaus?
I. Das Geschäft schließt, die Gewährleistung bleibt
Kunden stehen nach der Lieferung in Bezug auf Sachmängel grundsätzlich für den Zeitraum von zwei Jahren Gewährleistungsansprüche zu.
Hiervon darf im B2C-Bereich, also gegenüber Verbrauchern, nicht zu Lasten letzterer abgewichen werden. Im B2B-Bereich, also gegenüber Unternehmern, ist die Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf maximal ein Jahr zulässig. Verbraucher genießen in diesem Rahmen zusätzlich die Privilegierung des § 477 BGB, nach welchem bei einem Auftreten von Mängeln innerhalb eines Jahres ab Lieferung die anfängliche Mangelhaftigkeit vermutet wird.
Einem Irrglauben unterliegt nun, wer meint, dass mit einer Geschäftsschließung bzw. mit der Auflösung eines Unternehmens derartige Gewährleistungsansprüche von Kunden ausgeschlossen werden können.
Ansprüche von Kunden wegen Sachmängeln gehen weder mit einer Geschäftsaufgabe, einer Unternehmensschließung und/oder einer gesellschaftsrechtlichen Liquidation nicht unter, sondern bestehen grundsätzlich ungehindert fort.
Dies gilt insbesondere auch, wenn in Ansehung der Niederlegung der Verkaufstätigkeit Abverkäufe oder sonstige Räumungsverkaufsaktionen anberaumt werden. Bei Ab- und Räumungsverkäufen lassen sich Gewährleistungsrechte des Kunden nicht besonders beschneiden. Vielmehr gilt auch hier vollumfänglich das gesetzliche Mindestmaß an Mängelrechten.
Wenn Nacherfüllungshandlungen nicht mehr möglich sind...
Zu beachten ist, dass einem Unternehmen nach der Aufgabe von Handelstätigkeiten meist die Möglichkeiten fehlen werden, für mangelhafte Kaufsachen Nacherfüllung (Neulieferung, Reparatur) zu leisten.
Nach Geschäftsaufgabe kann sich ein Unternehmen, das am Markt nicht mehr aktiv ist und somit keine Neubeschaffungen oder Reparaturleistungen mehr erbringen kann, bezüglich der Nacherfüllung zwar regelmäßig auf Unmöglichkeit (§ 275 BGB) berufen. In diesem Fall wandelt sich der Nacherfüllungsanspruch aber in einen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (bzw. auf Ersatz für einen Deckungskauf) Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Sache, §§ 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. § 283 BGB.
Besonderheiten in Bezug auf Gewährleistungsansprüche im Zuge der Unternehmensschließung ergeben sich daher nie in Bezug auf den Rechtsgrund.
Sie können aber aus Gesellschaftsrecht entstehen, weil das Gesetz für die Liquidation von bestimmten Gesellschaftsformen und die Handhabung von Verbindlichkeiten in diesem Zusammenhang Verfahrensregeln aufstellt.
II. Gewährleistungsansprüche und Handhabung bei Liquidation einzelner Rechtsformen
Wie Gewährleistungsansprüche im Falle einer Unternehmensschließung zu handhaben sind, hängt maßgeblich von der Rechtsform des Unternehmens ab.
1.) Einzelunternehmen
Soll ein Einzelunternehmen aufgegeben werden, haftet der Unternehmer in Gewährleistungsfällen persönlich für die Dauer der gesetzlichen Gewährleistungsfrist (2 Jahre ab Lieferung, s.o.) auch über die Geschäftsaufgabe hinaus.
Ist der Einzelunternehmer wirtschaftlich oder persönlich nicht in der Lage, Gewährleistungsansprüche selbst zu erfüllen, muss er die Abwicklung auf seine Kosten durch einen anderen vornehmen lassen.
2.) GbR
Soll eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) aufgelöst werden, sind für die Liquidation bestimmte Verfahrensschritte zu beachten.
Eine GbR muss zunächst aufgelöst werden. Danach ist eine Auseinandersetzung erforderlich, d.h. laufende Geschäfte sind zu beenden und Schulden sind zu begleichen. Danach sind Überschüsse des Gesellschaftsvermögens zu verteilen.
Erst nach Abschluss der Auseinandersetzung tritt für die GbR Formalbeendingung ein, die Gesellschaft hört auf, zu existieren.
Gewährleistungsansprüche, die vor der Formalbeendigung bereits angemeldet worden sind, die also dem Grunde nach bekannt sind, sind in der Auseinandersetzung der GbR abzuwickeln.
Gewährleistungsansprüche, die während der Gewährleistungsfrist, aber erst nach Formalbeendigung geltend gemacht werden, gehen aber nicht unter. Vielmehr haften für diese dann die (ehemaligen) Gesellschafter persönlich mit ihrem Vermögen. Begleicht ein Gesellschafter die Verbindlichkeit, sind ihm gegenüber die anderen nach § 426 BGB zum anteiligen Ausgleich verpflichtet.
3.) OHG und KG
Bei der Auflösung einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) und einer Kommanditgesellschaft (KG) gelten förmliche Liquidationsvorschriften nach §§ 145 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB).
Zunächst muss die Liquidation in notariell beglaubigter Form zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet werden. Gleichzeitig müssen sog. „Liquidatoren“ benannt und zur Eintragung angemeldet werden, welche die Abwicklung der Gesellschaft übernehmen. Dies sind grundsätzlich alle Gesellschafter, es können aber auch nur einzelne Gesellschafter oder externe Personen eingesetzt werden.
Die Liquidatoren sind nun dazu berufen, laufende Geschäfte zu beenden, das Gesellschaftsvermögen in Geld umzuwandeln und Verbindlichkeiten zu erfüllen.
Sind alle Geschäfte beendet und Verbindlichkeiten getilgt und ist das Gesellschaftsvermögen vollständig verteilt, endet die Liquidation und tritt Formalbeendigung der Gesellschaft kraft Gesetzes ein.
Zwar ist die Beendigung der Liquidation gemäß § 157 HGB zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden und wird darauf die Löschung der Firma von Amtswegen durch das Registergericht bekannt gegeben. Die Eintragung ist allerdings nur deklaratorischer Natur
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beendigung der Gesellschaft ist der Zeitpunkt der Beendigung der Abwicklung, wenn also kein aktives Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist.
Gewährleistungsansprüche, die vor der Formalbeendigung bereits angemeldet worden sind, die also dem Grunde nach bekannt sind, sind in der Auseinandersetzung der Gesellschaft abzuwickeln.
Gewährleistungsansprüche, die während der Gewährleistungsfrist, aber erst nach Formalbeendigung geltend gemacht werden, gehen aber nicht unter. Vielmehr haften für diese bei der OHG dann die (ehemaligen) Gesellschafter nach § 128 HGB persönlich mit ihrem Vermögen. Begleicht ein Gesellschafter die Verbindlichkeit, sind ihm gegenüber die anderen nach § 426 BGB zum anteiligen Ausgleich verpflichtet.
Bei der KG haftet gemäß §§ 161 Abs.2, 128 HGB der Komplementär persönlich mit seinem Vermögen. Der Kommanditist haftet nach § 171 HGB nicht, soweit er seine Einlage erbracht hat.
4.) GmbH & UG
Am kompliziertesten gestaltet sich die Gesellschaftsbeendigung und die Handhabung der Gewährleistungsansprüche bei der GmbH und der UG (haftungsbeschränkt).
Zunächst sind mit der Auflösung Liquidatoren zu bestimmen, welche die Beendigung der Gesellschaft abwickeln. Dies sind nach § 66 GmbhG grundsätzlich alle Geschäftsführer. Allerdings können auch einzelne Gesellschafter oder Externe als Liquidatoren berufen werden.
Sodann ist die Auflösung (regelmäßig) durch die Liquidatoren in notariell beglaubigter Form zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden, § 65 GmbHG. Auch die Liquidatoren müssen zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden, § 67 GmbHG.
Eine Besonderheit der GmbH- und UG-Liquidation liegt nun in dem sog. Gläubigeraufruf und dem Sperrjahr.
Nach erfolgreicher Anmeldung der Auflösung und des Liquidators im Handelsregister wird grundsätzlich ein Gläubigeraufruf im elektronischen Bundesanzeiger geschaltet, mit dem Gläubiger über die Auflösung informiert und um Geltendmachung offener Forderungen gebeten werden, § 65 Abs. 2 GmbHG. Gleichzeitig erhalt die GmbH/UG den Zusatz „i.L.“ ("in Liquidation").
Mit Veröffentlichung des Gläubigeraufrufs beginnt nun eine Besonderheit, das Sperrjahr (§ 73 GmbhG). Innerhalb eines Jahres darf das Gesellschaftsvermögen nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden, jede Vermögensverteilung ist unzulässig. Ziel ist es so, im Rahmen der Liquidation eine vollständige Abwicklung aller Verbindlichkeiten aus dem Gesellschaftsvermögen zu erreichen.
Das Sperrjahr ist notwendig, weil anders als bei Personengesellschaften Gesellschafter von GmbH und UG nur mit dem Gesellschafts-, aber niemals mit dem persönlichen Vermögen haften. Existiert eine GmbH oder UG nicht mehr, entfällt also auch das Haftungssubjekt.
Innerhalb des Sperrjahres sind Geschäfte zu beenden und Verbindlichkeiten zu tilgen.
In Bezug auf Gewährleistungsansprüche ergeben sich nun Besonderheiten.
Bereits während des Sperrjahres bekannt gewordene Ansprüche sind im Wege der Liquidation zu erfüllen oder zu sichern, § 73 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG. Maßgeblich für die Tilgungs- bzw. Sicherungspflicht ist nicht, ob der jeweilige Gläubiger, sondern ob die Forderung im Laufe des Sperrjahres dem Rechtsgrunde nach bekannt geworden ist.
Daraus folgt, dass nur diejenigen Mängelansprüche, für die konkrete Anhaltspunkte bestehen, als bekannte Forderungen i.S.d. § 73 GmbHG anzusehen sind. Für solche Mängelansprüche ist Sicherheit zu leisten. Ob sich der Gläubiger bei der Gesellschaft gemeldet hat, ist dahingegen nicht von Relevanz. Auch ohne Anmeldung können Forderungen den Liquidatoren bekannt sein.
Was mit nach Ablauf des Sperrjahres bekanntwerdenden Gewährleistungsansprüchen passiert, hängt von der Schnelligkeit der Liquidation ab.
Nach Ablauf des Sperrjahres erlischt die Kapitalbindung (§ 30 GmbHG), das Gesellschaftsvermögen darf an die Gesellschaft verteilt werden. Ist die Verteilung und das Abwicklungsverfahren abgeschlossen (ist also alles verteilt und nichts mehr offen bzw. ungesichert), ist das Erlöschen der Gesellschaft im Handelsregister zur Eintragung anzumelden, § 74 GmbHG.
Die Gesellschaft wird formal beendet und hört zu existieren auf, wenn die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister eingetragen wird.
In Bezug auf Mängelansprüche gilt nun:
Meldet ein Gläubiger nach Ablauf des Sperrjahres bislang unbekannte Ansprüche an, so muss die Forderung aus dem dann noch vorhandenen Restvermögen befriedigt oder gesichert werden.
Wird den Liquidatoren die Forderung hingegen erst nach Abschluss der ordnungsgemäßen Verteilung angezeigt oder bekannt und ist die Verteilung ordnungsgemäß erfolgt, kann der Gläubiger den Anspruch nicht mehr geltend machen.
Werden bekannte Forderungen nicht vorschriftsgemäß erfüllt oder hinreichend gesichert, haften die Liquidatoren persönlich, § 73 Abs. 3 GmbhG.
Gläubiger, die nach Ablauf des Sperrjahres und nach vollständiger Aufteilung des Gesellschaftsvermögens bisher unbekannte Gewährleistungsansprüche anmelden, können diese damit nicht mehr durchsetzen.
Wichtig vor diesem Hintergrund ist, dass allein die Tatsache einer noch laufenden Gewährleistungsfrist nicht dazu führt, dass pauschal Sicherheit zu leisten wäre oder die Beendigung der Liquidation gehindert werden könnte.
III. Fazit
Wird ein Unternehmen aufgelöst, gehen Gewährleistungsansprüche nicht automatisch unter, sondern bestehen vielmehr ungehindert fort. Ist dem Unternehmen die Nacherfüllung mangels Aufgabe des Geschäfts unmöglich, ist stattdessen Schadensersatz zu leisten.
Einzelunternehmer haften nach Niederlegung der Tätigkeit stets persönlich. Bei GbR und OHG haften nach der Auflösung die Gesellschafter weiter, bei der KG der Komplementär. Allein bei GmbH und UG müssen Ansprüche, die nach Ablauf des Sperrjahres und nach vollständiger Vermögensverteilung erstmals bekannt werden, nicht mehr erfüllt werden.
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