So geht es auch: Gedichtete Mahnung
Muss geschäftlicher Schriftverkehr eigentlich immer so spröde formuliert sein? Ist hier gestalterische, ja künstlerische Freiheit möglich – oder verliert die Korrespondenz dadurch etwa ihre juristische Wirkungskraft? Mit diesem Problem beschäftigt sich ein echter Klassiker der deutschen Rechtsprechung.
Hintergrund: Ein Makler verlangte von einem Mandanten Verzugszinsen, da dieser auch nach Mahnung seine Courtage nicht bezahlt habe. Um den Mandanten nicht zu verärgern, hatte er die Mahnung in Reimform abgefasst:
"Das Mahnen, Herr, ist eine schwere Kunst!
Sie werden's oft am eigenen Leib verspüren.
Man will das Geld, doch will man auch die Gunst
des werten Kunden nicht verlieren.Allein der Stand der Kasse zwingt uns doch,
ein kurz' Gesuch bei Ihnen einzureichen:
Sie möchten uns, wenn möglich heute noch,
die unten aufgeführte Schuld begleichen."
Der säumige Mandant zahlte auch weiterhin nicht und wurde von dem Makler später auf Zahlung nebst Zinsen verklagt. Der Beklagte verweigerte die Zahllung von Zinsen mit dem Argument, er hätte ja niemals eine Mahnung erhalten – das gereimte Pamphlet des Klägers könne doch niemals eine Mahnung im juristischen Sinne sein, da schon der nötige Ernst fehle.
Das Gericht war da jedoch anderer Ansicht, wie es in seinem Urteil (LG Frankfurt/M., 17.02.1982, Az. 2/22 O 495/81) recht anschaulich zum Ausdruck brachte:
„Maklerlohn begehrt der Kläger
mit der Begründung, dass nach reger
Tätigkeit er dem Beklagten
Räume nachgewiesen, die behagten.
Nach Abschluss eines Mietvertrages
habe er seine Rechnung eines Tages
dem Beklagten übersandt;
der habe darauf nichts eingewandt.
Bezahlt jedoch habe der Beklagte nicht.
Deshalb habe er an ihn ein Schreiben gericht'.
Darin heißt es unter anderem wörtlich
(und das ist für die Entscheidung erheblich):
‚Das Mahnen, Herr, ist eine schwere Kunst!
Sie werden's oft am eigenen Leib verspüren.
Man will das Geld, doch will man auch die Gunst
des werten Kunden nicht verlieren.Allein der Stand der Kasse zwingt uns doch,
ein kurz' Gesuch bei Ihnen einzureichen:
Sie möchten uns, wenn möglich heute noch,
die unten aufgeführte Schuld begleichen.‘
Da der Beklagte nicht zur Sitzung erschien,
wurde auf Antrag des Klägers gegen ihn
dieses Versäumnisurteil erlassen.
Fraglich war nur, wie der Tenor zu fassen.
Der Zinsen wegen! Ist zum Eintritt des Verzug'
der Wortlaut obigen Schreibens deutlich genug?
Oder kommt eine Mahnung nicht in Betracht,
wenn ein Gläubiger den Anspruch in Versen geltend macht?
Die Kammer jedenfalls stört sich nicht dran
und meint, nicht auf die Form, den Inhalt kommt's an.
Eine Mahnung bedarf nach ständiger Rechtsprechung
weder bestimmter Androhung noch Fristsetzung.
Doch muss der Gläubiger dem Schuldner sagen,
das Ausbleiben der Leistung werde Folgen haben.
Das geschah hier! Trotz vordergründiger Heiterkeit
fehlt dem Schreiben nicht die nötige Ernstlichkeit.
Denn der Beklagte konnte dem Schreiben entnehmen,
er müsse sich endlich zur Zahlung bequemen,
der Kläger sei – nach so langer Zeit –
zu weiterem Warten nicht mehr bereit.
Folglich kann der Kläger Zinsen verlangen,
die mit dem Zugang des Briefs zu laufen anfangen.
Der Zinsausspruch im Tenor ist also richtig.
Dies darzulegen erschien der Kammer wichtig.
Wegen der Entscheidung über die Zinsen
wird auf §§ 284, 286, 288 BGB verwiesen.
Vollstreckbarkeit, Kosten beruhen auf ZPO –
Paragraphen 91, 708 Nummer Zwo.“
Das Urteil erlangte in dieser Form Rechtskraft.
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4 Kommentare
§ 286 III 1 HS 2
dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist.
Na und? Nach 30 Tagen ist der Beklagte doch sowieso in Verzug, egal ob es noch eine Mahnung gab oder nicht.