EuGH: Pfand für Flaschen ist nicht Bestandteil des Gesamtpreises, sondern wird separat ausgewiesen
Gemäß § 7 PAngV wird vorgeschrieben, dass ein Pfand nicht in den Gesamtpreis einbezogen werden soll, sondern separat neben dem Preis angegeben werden muss. Einige Gerichte waren der Meinung, dass diese Vorschrift keine Grundlage im Unionsrecht habe und daher nicht anwendbar sei. Der EuGH (Urteil vom 29.6.2023 – C-543/21) hat auf Vorlage des BGH nun entschieden, dass ein Pfand nicht in den Gesamtpreis einbezogen wird. Lesen Sie mehr zur Entscheidung des EuGH in unserem Beitrag.
1. Was war passiert?
In konkreten Fall ging es um einen Verkäufer von Lebensmitteln, der im Rahmen eines Offline-Prospekts (Faltblatt) unter anderem Getränke in Pfandflaschen und auch Joghurt in Pfandgläsern bewarb.
Die Beklagte bewarb diese Pfandprodukte im Prospekt, wobei sie das Pfand nicht in den Gesamtpreis inkludierte, sondern vielmehr mit dem Zusatz „zzgl. (…) Pfand“ versah.
Ein Wettbewerbsverein sah die Preisgestaltung als unzulässig an, da der angegeben Gesamtpreis nicht das Pfand inkludierte.
Auf die ausgesprochene wettbewerbsrechtliche Abmahnung hin wurde keine Unterlassungserklärung abgegeben, es folgte eine Klage des Wettbewerbsvereins vor dem LG Kiel.
2. Vom LG Kiel zum OLG Schleswig
Das LG Kiel gab der Klage des Wettbewerbsvereins statt (Urteil vom 26.06.2019, Az. 15 HKO 38/18). Das Gericht war der Auffassung, dass die Nichteinbeziehung des Pfandes in den Gesamtpreis einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 PAngV darstelle.
In der Berufung wies das OLG Schleswig (Urteil vom 30.07.2020, Az. 6 U 49/19) die Klage des Wettbewerbsvereins ab. Das Gericht stellte fest, dass aufgrund der separaten Ausweisung des Pfands nach geltendem Recht kein Anspruch auf Unterlassung bestehe.
Obwohl die Vorschrift das § 7 PAngV europarechtswidrig sei, bleibe diese Vorschrift nach Auffassung des OLG Schleswig weiterhin anwendbar.
Das Gericht wies darauf hin, dass dieses "aus rechtsstaatlichen Gründen an einer Stattgabe des Klageantrags gehindert" sei.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil Revision zum BGH eingelegt.
3. Vorlage des BGH
Der BGH (Beschluss vom 29.07.2021, Az. I ZR 135/20) hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung der Preisangabenrichtlinie (Richtlinie 98/6/EG) und der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (Richtlinie 2005/29/EG) vorgelegt.
Die Fragen zur Vorabentscheidung an den EuGH lauteten wie folgt:
"1. Ist der Begriff des Verkaufspreises i. S. v. Art. 2 Buchst. a) der Richtlinie (EG) Nr. 6/1998 dahin auszulegen, dass er den Pfandbetrag enthalten muss, den der Verbraucher beim Kauf von Waren in Pfandflaschen oder Pfandgläsern zu zahlen hat?"
"2. Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird: Sind die Mitgliedsstaaten nach Art. 10 der Richtlinie (EG) Nr. 6/1998 berechtigt, eine von Art. 3 Abs. 1 und 4 i.V. m. Art. 2 Buchst. a) der Richtlinie (EG) Nr. 6/1998 abweichende Regelung wie die in §1 Abs. 4 PAngV beizubehalten, wonach für den Fall, dass außer dem Entgelt für eine Ware eine rückerstattbare Sicherheit gefordert wird, deren Höhe neben dem Preis für die Ware anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden ist, oder steht dem der Ansatz der Vollharmonisierung der Richtlinie (EG) NR. 29/2005 entgegen?"
4. Die Entscheidung des EuGH
Gemäß der klaren Feststellung des Europäischen Gerichtshofs ist es erforderlich, dass der Verkaufspreis als Endpreis alle zwingenden und vorhersehbaren Kosten umfasst, die der Verbraucher tragen muss und die den Geldwert der erworbenen Ware darstellen.
Es wurde klargestellt, dass der Pfandbetrag nicht zu diesen Kosten gehört. Obwohl der Verbraucher verpflichtet ist, beim Kauf eines entsprechenden Artikels eine Pfandgebühr zu entrichten und einen Pfandbehälter zu erhalten, hat er das Recht, den Pfandbetrag erstattet zu bekommen, sobald er den Behälter zurückgibt.
Des Weiteren ist es nach dem EuGH unerlässlich, dass der Verkaufspreis als Endpreis zwangsläufig sämtliche unausweichlichen und vorhersehbaren Komponenten enthält, die der Verbraucher verpflichtend zu tragen hat und die die monetäre Gegenleistung für den Erwerb des jeweiligen Produkts darstellen.
Der EuGH führte hierzu aus:
"Eine Ware in einem Pfandbehälter kann ohne diesen Behälter nicht erworben werden, und der Pfandbetrag stellt damit einen „unvermeidbaren Bestandteil des Verkaufspreises“ dar. Gibt der Verbraucher den Behälter aber bei einer Verkaufsstelle zurück, hat er einen Anspruch auf Erstattung des Pfandbetrags. (…)
Folglich ist der Pfandbetrag, den der Verbraucher beim Kauf einer Ware in einem Pfandbehälter zu entrichten hat, kein Bestandteil des Verkaufspreises im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6 in seiner Auslegung durch die in Rn. 19 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung."
Nach Ansicht des EuGH besteht die Zielsetzung der PreisangabenRL auch darin, die Verbraucherinformation zu verbessern und einen Vergleich der Verkaufspreise zu ermöglichen.
Da einige Produkte unter Umständen mit einer Pfandverpflichtung einhergehen, möglicherweise sogar in verschiedenen Beträgen, während für andere Produkte keine Pfandgebühr anfällt, besteht beim Zusammenführen eines Gesamtpreises die Gefahr, dass falsche Vergleiche gezogen werden könnten.
Der EuGH führte weiter aus:
"Da es sein kann, dass erstens für einige dieser Erzeugnisse ein Pfand erhoben wird, für andere aber nicht, und zweitens je nach Art des Behälters unterschiedliche Pfandbeträge gelten, birgt die Einbeziehung des Pfandbetrags in den Verkaufspreis des Erzeugnisses für die Verbraucher die Gefahr, insoweit unzutreffende Vergleiche anzustellen.
(…)
Vor diesem Hintergrund ist ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher in der Lage, den Preis des Erzeugnisses und den Pfandbetrag zu addieren, um den Gesamtbetrag zu ermitteln, den er zum Zeitpunkt des Kaufs zu entrichten hat."
4. Was Online-Händler zur Pfandangabe jetzt wissen müssen
Obwohl es sich im konkreten Fall um Werbung in einem Offline-Prospekt handelte und das Unternehmen im stationären Handel tätig war, kann die Entscheidung auch auf den Online-Handel übertragen werden. Denn sowohl die deutsche Preisangabenverordnung als auch die EU-Richtlinie 98/6/EG gelten sowohl für die Offline-Prospekte, als auch für den Online-Handel (und damit für die Werbung und Preisangaben im Internet).
Merksatz für Online-Händler: Ein Pfand ist nicht in den Gesamtpreis einzubeziehen, sondern dessen Höhe ist neben dem Gesamtpreis anzugeben.
Der deutsche Gesetzgeber hat bereits vor dem Urteil des EuGH an dieser Auffassung bei der Novellierung der PAngV (im letzten Jahr) an § 7 PAngV festgehalten.
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