EuGH: Bewerbung der Hautfreundlichkeit von Desinfektionsmitteln unzulässig

EuGH: Bewerbung der Hautfreundlichkeit von Desinfektionsmitteln unzulässig
08.07.2024 | Lesezeit: 4 min

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Die Werbung für Biozidprodukte, etwa Desinfektionsmitteln, ist gesetzlich streng reguliert. Untersagt sind insbesondere Werbeaussagen, welche Risiken für Mensch , Tier oder die Umwelt verharmlosen. Ob von diesem Verbot auch Hinweise auf die Hautfreundlichkeit umfasst sind, entschied nun höchstrichterlich der EuGH.

I. Sachverhalt und Verfahrensgang

Die Drogiermarktkette „dm“ hatte ein Desinfektionsmittel zum Verkauf angeboten, auf dessen Etikett unter anderem das Attribut „Hautfreundlich“ ausgewiesen war.

Die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sah darin einen Verstoß gegen die Werbeverbote aus Art. 72 Abs. 3 der EU-Biozid-Verordnung 528/2012, die Folgendes gebieten:

In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten.

Nach Ansicht der Wettbewerbszentrale sei die beworbene Hautfreundlichkeit ein „ähnlicher Hinweis“ im Sinne der Vorschrift, weil er das Risikopotenzial des unstreitig als Biozid einzustufenden Desinfektionsmittels relativiere.

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Nach erfolgloser Abmahnung erhob die Wettbewerbszentrale Klage zum Landgericht Karlsruhe, das die Drogeriemarktkette „dm“ als Beklagte mit Entscheidung vom LG Karlsruhe, Urteil vom 25.03.2021 (Az. 14 O61/20) antragsgemäß zur Unterlassung verurteilte.

In der Berufungsinstanz vor dem OLG Karlsruhe wurde das erstinstanzliche Urteil aber mit Entscheidung vom 08.06.2022 (Az. 6 U 95/21) teilweise aufgehoben und die Klage partiell abgewiesen.

Die ausgelobte „Hautfreundlichkeit“ relativiere nicht wie die explizit unzulässigen Aussagen die potenziellen Risiken für den Menschen im Sinne einer Unschädlichkeitsbehauptung im Allgemeinen , sondern weise nur eine Verträglichkeit für die menschliche Haut aus. Es handle sich gerade nicht um eine pauschale Verharmlosung, sondern um eine Information über die Schonung eines konkreten Körperorgans.

Die Angabe sei damit nicht als „ähnlicher Hinweis“ im Sinne von Art. 72 Abs. 3 der Biozid-Verordnung zu qualifizieren, weil eine Vergleichbarkeit mit den explizit als unzulässig kodifizierten Aussagen fehle.

Gegen das zweitinstanzliche Urteil legte nunmehr die Wettbewerbszentrale Revision zum BGH ein, der mit Beschluss vom 20.04.2023 (Az. I ZR 108/22) das Verfahren aussetzte und dem EuGH die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorlegte:

Sind "ähnliche Hinweise" im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 nur solche, die genauso wie die in dieser Vorschrift ausdrücklich aufgezählten Begriffe die Eigenschaften des Biozids hinsichtlich der Risiken für die Gesundheit […] in pauschaler Weise verharmlosen, oder fallen unter "ähnliche Hinweise" alle Begriffe, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit […] einen den konkret aufgezählten Begriffen vergleichbaren verharmlosenden, nicht aber zwingend auch einen generalisierenden Gehalt aufweisen?

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II. Die Entscheidung

Mit Urteil vom 20.06.2024 (Az. C-296/23) entschied der EuGH, dass es für die Anwendbarkeit des Werbeverbots auf einen allgemeinen Charakter von verharmlosenden Werbeaussagen nicht ankommen könne.

„Ähnliche Hinweise“ im Sinne von Art. 72 Abs. 3 der Biozid-Verordnung erfassten jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukte, der – wie die in dieser Bestimmung genannten Angaben – diese Produkte in einer Art und Weise darstellt, die hinsichtlich der Risiken dieser Produkte für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder ihrer Wirksamkeit irreführend ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend allgemeinen Charakter zu haben.

Mit der streitgegenständlichen Angabe „hautfreundlich“ werde impliziert, das Biozidprodukt könne für die Haut von Nutzen sein, was die Wirkungen des Produkts positiv konnotiere und schädliche Nebenwirkungen zu überlagere.

Sie sei damit ein „ähnlicher Hinweis“ und nach Art. 72 Abs. 3 der Biozid-Verordnung unzulässig.

III. Fazit

Nach Art. 72 Abs. 3 der EU-Biozid-Verordnung darf ein Biozidprodukt nicht mit Angaben beworben werden, welche die Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt verharmlosen oder welche über die Wirksamkeit irreführen.

Neben explizit verbotenen Aussagen wie „unschädlich“ oder „umweltfreundlich“ sind auch alle ähnlichen Hinweise vom Verbotsumfang umfasst.

Der EuGH stellte nun klar, dass ein verbotener „ähnlicher Hinweis“ nicht zwingend allgemeinen Charakter haben oder eine allgemeine Wirkungsaussage treffen muss, sondern dass auch Aussagen, die eine vermeintliche spezifische Gesundheitswirkung behaupteten, verboten seien.

Das Verbot betrifft neben Ausweisungen eines ökologischen oder biologischen Charakters nach höchstrichterlicher Feststellung auch die Bewerbung eines Biozids mit dem Attribut „hautfreundlich“.

Tipp:

Die geltenden rechtlichen Voraussetzungen für den Verkauf von Biozid-Produkten stellt die IT-Recht Kanzlei in diesem detaillierten Leitfaden dar.

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