EuGH: Online-Händler müssen Bio-Lebensmittel ausnahmslos kontrollieren lassen
Grundsätzlich gilt: Mit „Bio“ darf nur werben, wer kontrolliert und mit einem Zertifikat versehen wird. Eine Ausnahme gilt dabei jedoch für Händler, die Bio-Erzeugnisse direkt (!) an Endverbraucher verkaufen. Diese sind von der Kontroll- und Zertifizierungspflicht grundsätzlich befreit. Doch fallen auch Online-Händler unter diese Ausnahmevorschrift? Diese Frage hat der EuGH nun beantwortet.
A. Rechtlicher Hintergrund der Zertifizierungspflicht
Verbraucher, die „Bio“ kaufen, sollen auch sicher sein dürfen, dass tatsächlich „Bio“ drin ist. Aus diesem Grund unterliegen Bio-Produkte strengen unionsrechtlichen Vorgaben.
So macht die EG-Öko-Verordnung (EG-VO 834/07) die Vergabe des Bio-Siegels und dessen zulässige Verwendung von einem aufwendigen und umfassenden Prüf- und Zertifizierungsprozess abhängig. Verstöße gegen diese Prozesse können Ordnungswidrigkeiten und lauterkeitsrechtliche Ansprüche begründen.
Wettbewerbsrechtliche Relevanz entfaltet dabei insbesondere die Pflicht zur Anführung der Nummer der prüfenden Kontrollstelle. Verstöße gegen diese Pflicht wurden in der Vergangenheit etliche Male abgemahnt.
Die Pflicht zur Angabe der Kontrollnummer ergibt sich aus Art. 24 lit. a) der EG-Öko-Verordnung. Dieser schreibt für jegliche Werbung und alle Angebote, die erkennen lassen, dass ein Erzeugnis nach den Vorgaben der Verordnung hergestellt wurde und mithin das Bio-Siegel, die Bezeichnung „Bio“ oder ein Äquivalent ausweisen darf, stets auch die Darstellung der spezifischen Kontrollstellennummer vor.
B. Ausnahme von der Zertifizierungspflicht
Eine Ausnahme von der Kontrollpflicht findet sich jedoch in § 3 Abs. 2 des Öko-Landbaugesetzes (ÖLG). Danach unterliegen Händler, die biologische Erzeugnisse direkt an Endnutzer abgeben, ohne diese selbst zu erzeugen, aufzubereiten oder zu importieren, nicht der Zertifizierungspflicht.
Dementsprechend sind sie auch nicht dazu verpflichtet, die Kontrollnummer der prüfenden Stelle abzugeben.
C. Ausnahme auch im Online-Handel?
Angesichts der wachsenden Bedeutung des Online-Handels und der steigenden Zahl an wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen wegen eines Verstoßes gegen die Nennung der Kontrollnummer wurde kontrovers diskutiert, ob die Ausnahme von der Zertifizierungspflicht auch für den Online-Handel gilt. Dreh- und Angelpunkt der Diskussionen war dabei die Auslegung des Begriffs „direkte“ Abgabe an Endverbraucher. So wurde teilweise argumentiert, dass auch Online-Händler ihre Produkte „direkt“ an Verbraucher veräußern. Andere tendierten dazu, dass die Ausnahmevorschrift auf den Online-Handel nicht anwendbar ist.
D. Die Vorlagefrage des BGH
Als der BGH anlässlich eines Verfahrens der Wettbewerbszentrale gegen einen Online-Händler von „Bio“-Gewürzen mit eben dieser Problematik konfrontiert wurde, nutzte dieser die Gelegenheit und setzte das Verfahren mit Beschluss vom 24.03.2016 (BGH Az. I ZR 243/14) aus.
Konkret legte der BGH dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
"Liegt ein im Sinne von Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 „direkter“ Verkauf an den Endverbraucher bereits vor, wenn der Unternehmer oder sein Verkaufspersonal dem Endverbraucher die Erzeugnisse ohne Zwischenschaltung eines Dritten verkauft, oder setzt ein „direkter“ Verkauf darüber hinaus voraus, dass der Verkauf am Ort der Lagerung der Erzeugnisse unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt?"
E. Die Entscheidung des EuGH: Keine Ausnahme für Online-Handel mit Bio-Produkten
Der EuGH entschied mit Urteil vom 12.10.2017 (C-289/16) dass der Verkauf von Bio-Produkten im Internet nur durch einen zertifizierten Online-Händler gestattet ist. Die Ausnahme von der Zertifizierungspflicht nach § 3 Abs. 2 ÖLG gilt nur für den „direkten“ Verkauf an Endverbraucher. „Direkt“ meine dabei, dass der Verkauf „unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt.“
Die Kontrollpflicht für den Online-Handel sei auch gerechtfertigt, da „die Lagerung der Erzeugnisse – in der Regel in nicht geringen Mengen – und die Auslieferung durch zwischengeschaltete Dritte ein Risiko der Umetikettierung, des Vertauschens und der Kontaminierung bergen, das nicht als generell gering eingestuft werden kann.“
F. Fazit
Händler, die online Bio-Lebensmitteln vertreiben, unterliegen der Zertifizierungspflicht und müssen dementsprechend die Nummer der prüfenden Öko-Kontrollstelle angeben. Sie können sich nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 2 ÖLG berufen. Online-Händler, die die Prüfnummer nicht ordnungsgemäß angeben, müssen mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen rechnen.
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