Kurios: Neues Muster für GPSR-Rückrufanzeige der EU-Kommission
Tipp: Weiterführende Informationen finden Sie hier: "EU-Produktsicherheitsverordnung: Wir bieten Beratung an!"
Ab 13. Dezember 2024 werden bei Produktrückrufen für Hersteller, Importeure und Händler die neuen gesetzlichen Vorgaben nach der EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR) gelten - auch hinsichtlich Form und Inhalt von Rückrufanzeigen. Die EU-Kommission hatte im Mai 2024 hierfür ein Muster vorgelegt, das wir bereits vorgestellt hatten. Nun kam es nur zwei Monate später kurioserweise zum Rückruf des Musters und zur Veröffentlichung eines neuen Musters. Wir stellen das Muster vor.
Inhaltsverzeichnis
- I. Pflicht zur Rückrufanzeige bei Produktsicherheitsrückrufen
- 1. Direkte Rückrufanzeige und Sicherheitswarnungen
- 2. Indirekte Rückrufanzeige über andere geeignete Kanäle
- II. Form und Inhalt einer Rückrufanzeige
- III. Gesetzliches Muster für Rückrufanzeige
- 1. Anforderungen
- 2. Veröffentlichung der gesetzlichen Mustervorlage der EU-Kommission
- 3. NEU: Die Änderungen zur bisherigen Mustervorlage
- 4. Keine Pflicht zur Verwendung der Mustervorlage
- IV. Das Wichtigste in Kürze
I. Pflicht zur Rückrufanzeige bei Produktsicherheitsrückrufen
Nach den Vorgaben der Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit ("GPSR"), die ab 13. Dezember 2024 gelten wird, sind Wirtschaftsakteure im Zusammenhang mit Gefahren, die von ihren Produkten ausgehen, unter bestimmten Umständen zu Produktsicherheitsrückrufen ("Produktrückrufen") oder Sicherheitswarnungen verpflichtet. Mit Wirtschaftsakteuren meint die Verordnung insbesondere Hersteller, Importeure und auch Händler von Produkten.
1. Direkte Rückrufanzeige und Sicherheitswarnungen
Bei Produktsicherheitsrückrufen oder Sicherheitswarnungen müssen die Wirtschaftsakteure nach Art. 35 Abs. 1 GPSR alle hierdurch betroffenen Verbraucher, die sie ermitteln können, direkt und unverzüglich unterrichten.
Konkret bedeutet dies, dass die Hersteller, Importeure und Händler der hiervon betroffenen Produkte (nur) diejenigen Verbraucher schriftlich kontaktieren - also etwa per E-Mail oder Briefpost anschreiben müssen - die tatsächlich von dem Produkt und den davon ausgehenden Gefahren betroffen sind.
Datenschutzrechtlich ist dies natürlich kein Problem: Für diese Mitteilung dürfen Sie (natürlich) die personenbezogenen Daten verwenden, die sie ggf. von ihren Kunden zu anderen Zwecken erhoben haben.
2. Indirekte Rückrufanzeige über andere geeignete Kanäle
Typischerweise können aber nicht alle betroffenen Verbraucher direkt kontaktiert werden, insbesondere wenn nicht klar ist, welche Verbraucher konkret betroffen sind, oder wenn keine hinreichenden Kontaktdaten der betroffenen Verbraucher vorliegen.
In diesem Fall müssen die Wirtschaftsakteure eine klare und sichtbare Rückrufanzeige oder Sicherheitswarnung über andere geeignete Kanäle verbreiten, um eine größtmögliche Reichweite zu erreichen und damit möglichst viele betroffene Verbraucher doch noch informieren zu können. Die Verordnung nennt als alternative Kanäle ausdrücklich:
- die Website des Unternehmens
- Kanäle auf sozialen Medien
- Newsletter
- Verkaufsstellen
- ggf. Ankündigungen in Massenmedien und
- andere Kommunikationskanäle
Mit Verkaufsstellen sind sowohl Ladengeschäfte als auch Online-Shops gemeint, in denen physische bzw. digitale Aushänge gemacht werden könnten.
II. Form und Inhalt einer Rückrufanzeige
Die Rückrufanzeige i.S.d. EU-Produktsicherheitsverordnung muss nach Form und Inhalt bestimmte Anforderungen erfüllen, die u.a. in Art 36 GPSR ganz konkret aufgeführt sind. Um sicherzustellen, dass die Verbraucher auf Produktsicherheitsrückrufe reagieren, sollte die Rückrufanzeige klar und transparent sein und das bestehende Risiko eindeutig beschreiben.
Vor diesem Hintergrund sollten die folgenden Punkte in einer Rückrufanzeige enthalten sein:
- Verständliche Sprache: Die Rückrufanzeige muss in einer Sprache gehalten sein, die für die betroffenen Verbraucher leicht verständlich ist. Sie muss dabei in der Sprache oder den Sprachen der EU-Mitgliedstaaten verfügbar sein, in denen das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wurde.
- *Überschrift der Rückrufanzeige": Vorhandensein einer Überschrift mit den Worten "Produktsicherheitsrückruf".
- Beschreibung des Produkts: Klare Beschreibung des zurückgerufenen Produkts, d.h. Abbildung, Name und Marke des Produkts, Produktionskennnummern, wie etwa Chargen- oder Seriennummer, und ggf. einer grafischen Darstellung, wo diese auf dem Produkt zu finden sind, sowie Angaben dazu, wann, wo und von wem das Produkt verkauft wurde (sofern diese Angaben verfügbar sind).
- Beschreibung der Gefahr: Klare Beschreibung der mit dem zurückgerufenen Produkt verbundenen Gefahr; dabei sollten keine Begriffe oder Worte verwendet werden, die die Risikowahrnehmung der Verbraucher beeinträchtigen können, wie etwa wie "freiwillig", "vorsorglich", "im Ermessen", "in seltenen Situationen" oder "in spezifischen Situationen"; auch sollen keine Hinweise erfolgen, dass keine Unfälle gemeldet wurden.
- Beschreibung der Verbraucher-ToDos: Klare Beschreibung, wie Verbraucher vorgehen sollten, einschließlich einer Anweisung, die Verwendung des zurückgerufenen Produkts unverzüglich einzustellen.
- Beschreibung der Abhilfemaßnahmen: Klare Beschreibung der den Verbrauchern zur Verfügung stehenden Abhilfemaßnahmen.
- Angabe von Kontaktdaten: Angabe einer gebührenfreie Telefonnummer oder einen interaktiven Online-Dienst, bei dem Verbraucher mehr Informationen in der oder den jeweiligen Amtssprachen der Union erhalten können.
- Weitergabe der Hinweise: Aufforderung, die Informationen über den Rückruf gegebenenfalls an andere Personen weiterzuleiten.
- *Barrierefreiheit": Bei der Online-Veröffentlichung einer Rückrufanzeige müssen die Standards und bewährten Verfahren für die Barrierefreiheit im Internet berücksichtigt werden, wobei von zentraler Bedeutung ist, dass die in einem Bild gegebenenfalls enthaltenen wichtigen Informationen über das zurückgerufene Produkt oder zu dessen Identifizierung als maschinenlesbarer Text bereitgestellt werden.
III. Gesetzliches Muster für Rückrufanzeige
1. Anforderungen
Weiter sieht Art. 36 Abs. 3 GPSR vor, dass die EU-Kommission im Wege von sog. Durchführungsrechtsakten unter Berücksichtigung von wissenschaftlichen Entwicklungen und Marktentwicklungen und nach einem bestimmten Verfahren eine Vorlage für eine Rückrufanzeige festlegt.
Dabei muss die EU-Kommission die Mustervorlage in einem Format zur Verfügung stellen, die es den Wirtschaftsakteuren - also den zu einer Rückrufanzeige verpflichteten Herstellern, Importeuren oder Händlern - ermöglicht, eine Rückrufanzeige auf einfache Weise zu erstellen. Vor allem müssen die Formate der Mustervorlagen auch für Menschen mit Behinderungen oder sonstigen Einschränkungen zugänglich sind.
2. Veröffentlichung der gesetzlichen Mustervorlage der EU-Kommission
Im Rahmen der Durchführungsverordnung (EU) 2024/1435 vom 24. Mai 2024 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) 2023/988 zur Festlegung einer Vorlage für eine Rückrufanzeige hatte die EU-Kommission bereits im Mai 2024 eine entsprechende Mustervorlage veröffentlicht.
Allerdings stieß diese erste Version Mustervorlage auf viel Kritik und auch die EU-Kommission selbst war mit ihr nicht ganz zufrieden. Daher veröffentlichte die EU-Kommission nun - nur zwei Monate später - im Juli 2024 eine neue Version der Mustervorlage.
Neben den Pflichtinhalten gemäß Art. 36 Abs. 2 GPSR sieht - wie schon die erste Version der Mustervorlage - auch die neue Mustervorlage einige optionale Elemente vor, die Wirtschaftsakteure übernehmen können, wie:
- Abbildung des Logos des betroffenen Wirtschaftsakteurs oder der Marktüberwachungsbehörde, die den jeweiligen Produktrückruf angeordnet hat.
- Aufnahme von Links zu weiteren Informationen auf Social Media-Kanälen oder der Website des jeweiligen Wirtschaftsakteurs.
- Aufnahme von QR-Codes etc. zum direkten Abruf von weiteren Informationen.
- Vorsehung der Möglichkeit der Formulierung einer Entschuldigung direkt in der Rückrufanzeige.
Wichtig: Die Mustervorlage für die Erstellung der Rückrufanzeige ist als Anhang der Berichtigung der Durchführungsverordnung abrufbar und wird künftig auch auf der Website der EU-Kommission abgerufen und heruntergeladen werden können.
3. NEU: Die Änderungen zur bisherigen Mustervorlage
Der Vergleich der alten und der neuen Version der Mustervorlage macht folgende Anpassungen der Mustervorlage ersichtlich:
- Grafische Vereinheitlichung: Die Mustervorlage bestand und besteht auch weiterhin aus zwei Seiten, die allerdings unterschiedlich grafisch gestaltet waren. So war die eine Seite rot umrandet, während die andere Seite keine solche rote Umrandung enthielt. Nun verfügen beide Seiten des Musters über eine solche rote Umrandung, so dass ersichtlich wird, dass beide Seiten zusammengehören und auch gleichermaßen wichtig sind.
- Neue Musterfelder: In der Mustervorlage sind nun auch Felder zur Angabe von Hinweisen auf die Möglichkeit der Selbstreparatur durch die Verbraucher und der sicheren Nutzung des defekten Produkts für eine vorübergehende Zeit vorhanden.
- Kontaktdaten: Bislang hatte die Mustervorlage nur ein kleines Feld vorgesehen, in dem die Unternehmen ihre Kontaktdaten angeben sollten, so dass die betroffenen Verbraucher mit dem Unternehmen in Kontakt treten können. Das neue Muster sieht nun ein solches Feld vor, in dem nicht nur die Adresse eines interaktiven Online-Dienstes (z.B. eine Website), sondern auch - optional - eine Postanschrift des Unternehmens angegeben werden kann.
- Information von anderen Personen: Bislang war in der Mustervorlage vorgesehen, dass die Adressaten der Rückrufanzeige auch "Freunde und Familie" über den Produktrückruf informieren sollen. Dies ergab wenig Sinn, weil zum einen Familie und Freunde mit dem betroffenen Produkt ggf. gar nicht in Berührung gekommen sind - weshalb deren Information überflüssig gewesen wäre. Auf der anderen Seite sollten natürlich besser auch sonstige Personen informiert werden, die durch das defekte Produkt tatsächlich gefährdet sein können. Das überarbeitete Muster enthält daher nun auch die Formulierung: "Machen Sie andere auf diesen Rückruf aufmerksam, insbesondere wenn Sie jemanden kennen, dem das zurückgerufene Produkt angeboten, geliehen oder verkauft wurde."
Insgesamt zeigt sich die neu gefasste Mustervorlage als weniger überladen und damit übersichtlicher als ihre Vorgängerversion.
4. Keine Pflicht zur Verwendung der Mustervorlage
Wichtig: Diese Mustervorlage kann für die Erstellung einer Rückrufanzeige verwendet werden - sie muss es aber nicht!
Eine gesetzliche Verpflichtung hierzu besteht nicht, auch wenn die Verwendung dieser Mustervorlage zur Vermeidung von Fehlern sicherlich empfehlenswert ist.
IV. Das Wichtigste in Kürze
- Ab 13. Dezember 2024 müssen Wirtschaftsakteure wie Hersteller, Importeure und Händler die neuen Vorgaben der EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR) auch im Hinblick auf Produktsicherheitsrückrufe und damit verbundene Rückrufanzeigen beachten, wenn Produkte als gefährlich eingestuft werden.
- Die EU-Produktsicherheitsverordnung macht den Wirtschaftsakteuren dabei konkrete Vorgaben zu Form und Inhalt von Rückrufanzeigen.
- Die EU-Kommission hatte hierfür bereits im Mai 2024 ein Muster für Rückrufanzeigen vorgelegt.
- Nach Kritik an dem Muster hat die EU-Kommission nach nur zwei Monaten nun eine überarbeitete Version des Musters veröffentlicht.
- Das Muster kann, muss aber nicht bei Produktrückrufen verwendet werden - es ist allerdings zu empfehlen.
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