Wird auch Zeit: EU plant europaweit einheitliches Widerrufsrecht

Wird auch Zeit: EU plant europaweit einheitliches Widerrufsrecht
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von Fabian Karg
08.06.2011 | Lesezeit: 5 min

Vertreter des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission haben sich vergangenen Montag zum Ziel gesetzt, das Widerrufsrecht für Verbraucher bei Fernabsatzverträgen innerhalb der EU zu vereinheitlichen.

1. 14 Tage Widerrufsrecht

Geplante EU-Neuerung: Das Widerrufsrecht des Verbrauchers soll künftig EU-weit einheitlich 14 Tage betragen. Wird der Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht informiert, soll die Widerrufsfrist ein ganzes Jahr laufen.

Wortlaut der Pressemitteilung:

„The new rules will stipulate a 14-day EU-wide withdrawal period for distance and off-premises sales (i.e. those in which the consumer cannot see the good before buying it), during which consumers may change their minds. If they regret the purchase, for whatever reason, they may return it.“ (..)Moreover, if a seller fails to inform a consumer about the withdrawal right, the period for withdrawal will automatically be extended to one year, as originally proposed by Parliament.“

Aktuelle Rechtslage in Deutschland: Für deutsche Online-Händler sind die 14 Tage Widerrufsrecht (bzw. 1 Jahr bei Nichtbelehrung) nichts Neues. Doch in vielen anderen europäischen Ländern beträgt die Widerrufsfrist bisher teilweise nur 7, 8 oder 10 Tage.

2. Lieferung innerhalb von 30 Tagen

Geplante EU-Neuerung: Bestellungen müssen künftig binnen 30 Tagen beim Kunden sein. Anderenfalls hat dieser das Recht vom Vertrag zurückzutreten.

Wortlaut der Pressemitteilung:

„Under the new rules, any good ordered at a distance must be delivered to the buyer within 30 days, otherwise the consumer will have the right to cancel the purchase.“

Aktuelle Rechtslage in Deutschland: Ein automatisches Rücktrittsrecht für Lieferungen die nicht innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen, kennt das deutsche Recht bisher nicht.

1

3. Gefahrtragung für Untergang und Beschädigung

Geplante EU-Neuerung: Die Verantwortung für Untergang oder Beschädigung der Ware auf dem Transportweg soll der Unternehmer tragen.

Wortlaut der Pressemitteilung:

„The trader is responsible for any damage or loss of the good during delivery.“

Aktuelle Rechtslage in Deutschland: Bereits nach aktuellem Recht muss der Händler gegenüber Verbrauchern das Versandrisiko tragen (§§ 474, 477 BGB) .

4. Geld zurück innerhalb von 14 Tagen

Geplante EU-Neuerung: Widerruft der Kunde seine Bestellung so muss ihm der Kaufpreis künftig innerhalb von 14 Tagen zurückerstattet werden.

Wortlaut der Pressemitteilung:

„The price paid by the consumer for the good must be refunded within 14 days of the withdrawal.“

Aktuelle Rechtslage in Deutschland: Derzeit müssen Zahlungsverpflichtungen binnen 30 Tagen ab Empfang der Widerrufserklärung erfüllt werden.

5. Rücksendekosten

Geplante EU-Neuerung: Der Verbraucher soll die Rücksendekosten nach Widerruf auch nicht für Waren bis zu einem Wert von 40 € tragen müssen. Vielmehr hat nach den EU-Plänen immer der Besteller die Rücksendekosten zu tragen – vollkommen unabhängig vom Warenwert. Voraussetzung soll jedoch sein, dass der Unternehmer beim Verkauf deutlich auf entstehende Rücksendekosten hinweist.

Wortlaut der Pressemitteilung:

„MEPs sought to insert a rule that would have required traders to pay the return costs of any goods priced above €40, but this proved  unacceptable to the Council. Instead, MEPs proposed to Council, as a final offer, that the costs of returning a good bought at a distance be clearly stated in the sales contract, so as to allow the consumer to make an informed choice before deciding from whom to buy. Parliament's negotiators hope that this will encourage competition among companies, to the benefit of consumers.“

Aktuelle Rechtslage in Deutschland: In Deutschland gilt derzeit die 40-Euro-Klausel (§ 357 Abs. 2 S. 3 BGB) , wonach es dem Unternehmer möglich ist, seinen Kunden die Rücksendekosten für Warenwerte bis 40 Euro vertraglich aufzuerlegen.

Fraglich ist, ob Deutschland die 40-Euro-Klausel würde dauerhaft aufrecht erhalten können, da diese in Widerspruch zur neuen EU-Regelung stünde und zwar zum Nachteil des Verbrauchers.

6. Ausnahmeregelungen

Geplante EU-Neuerung: Ausnahmen vom Widerrufsrecht sollen für zwei Bereiche gelten: Zum einen für „digitale Güter“ und zum anderen für lokale Händler, die Waren unter 200 Euro sofort (innerhalb eines Tages) liefern.

Wortlaut der Pressemitteilung:

„Digital goods, such as music, films or software programmes, will be exempted from the right of withdrawal. The sale will be regarded as concluded from the moment downloading begins. (...)To avoid creating administrative burdens for the local grocer or the workman doing home repairs, "day-to-day transactions" where the good is delivered "immediately" will be exempted from the information rules. If a consumer calls a tradesman to deliver a service at his home, such as replacing a broken window with a new pane, at a cost of less than €200, the information need not be in writing, but may be delivered orally. For urgent repairs, such as a burst water pipe, a right of withdrawal is considered inappropriate and will thus not apply.“

Aktuelle Rechtslage in Deutschland: In Deutschland besteht derzeit für Software nach § 312d Abs. 4 Nr. 1 Alt. 3 BGB („nicht zur Rücksendung geeignet“) nach überwiegender Auffassung kein Widerrufsrecht. Die 200 € - Klausel dahingegen wäre Neuland. Eine entsprechende Regelung kennt das deutsche Recht nicht.

7. Informationspflichten

Geplante EU-Neuerung: Die Identität des Verkäufers sowie dessen Adresse müssen immer erkennbar sein. Ferner soll versteckten Kosten der Riegel vorgeschoben werden.
Wortlaut der Pressemitteilung:

„It should be clear to consumers from whom they are buying, exactly what they are buying and how much it will cost when shopping online or ordering from a catalogue. The identity and address of the seller must always be clear. The new information rights will also put an end to hidden charges, such as those associated with the "pre-ticked boxes" sometimes used in internet sales. In addition, the buyer will have to knowingly accept the total price before a sale is concluded.“

Aktuelle Rechtslage in Deutschland: Nach deutschem Recht muss ein Händler immer seine Identität offen legen (Stichwort: Impressumspflicht) und hat die Preise transparent darzustellen (PreisangabenV).

Fazit

Zwar erfüllen die bisherigen deutschen Regelungen zum Widerrufsrecht für Verbraucher im Rahmen von Fernabsatzverträgen bereits jetzt einige der angestrebten Änderungen. Dennoch ergäben sich für deutsche Online-Händler zahlreiche Neuerungen, sollten die Richtlinie tatsächlich so vom Europäischen Rat bzw. Parlament beschlossen werden. Neu wäre die Versandpflicht innerhalb von 30 Tagen (bisher nicht geregelt), die Pflicht zur Rücküberweisung innerhalb von 14 Tagen (bisher 30 Tage), möglicherweise der Entfall der 40-Euro-Klausel sowie die 200 € - Ausnahme für lokale Händler bzw. Handwerker.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .

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8 Kommentare

W
Wojciechowski 23.06.2011, 12:37 Uhr
EU-Recht oder National?
Laut eines Tagespostberichtest wird/wurde oben genanntes Widerrufsrecht heute in Kraft gesetzt. Weiß jemand ob dem so ist und 2. Frage ergibt sich daraus dann direkt ob für mich als gewerblicher Verkäufer auf internationaler Ebene nun dieses EU-Recht gilt oder weiterhin nationales sprich deutsches Recht?
Danke für jede sinnvolle Antwort.
M
MIFU 10.06.2011, 09:43 Uhr
Punkt 5 Rücksendekosten
Hallo,

aus dem Punkt 5 werde ich noch nicht so richtig schlau. Der Verbraucher ist doch der Besteller ? Einmal soll er die Kosten tragen einmal nicht.
In dem englischen Text steht dann, dass man es "nur" eindeutig bei Vertragsschluss regelen muss. Wenn man es aber nur eindeutig klären muss hat der dt. Verbraucher ja eine Verschlechterung im Vergleich zu der aktuellen 40€ Regel und keine Verbesserung.

Wäre eine Vereinbarung wiefolgt möglich: Der Kunde hat die Rücksendekosten zu tragen. Ein Retourenlabel kann durch uns für 5,00€ erstellt werden (und wird bei der Erstattung abgezogen).

Wird es eine Regelung zu den Hinsendekosten und deren Erstattung geben?
I
IT-Recht Kanzlei 09.06.2011, 14:25 Uhr
Reaktion
Sehr geehrter Herr Taubert, wir hatten Ihnen bereits geantwortet, s. http://www.it-recht-kanzlei.de/Kommentar/3786/Bez_40_Euro_Klausel_Taubert.php Mfg, RA Keller
T
Taubert 09.06.2011, 13:41 Uhr
40,00 Euro Klausel
Guten Tag,

eine kurze Antwort auf meinen Hinweis bzgl. Ihres Fehlers wäre zumindest angebracht gewesen.

MfG.
I
IT-Recht Kanzlei 09.06.2011, 13:06 Uhr
40-€-Klausel
Hallo Herr Kollege Franz, auch Ihnen vielen Dank für den Hinweis. Mfg, RA Keller
I
IT-Recht Kanzlei 09.06.2011, 10:22 Uhr
Bez. 40 Euro Klausel (Taubert)
Haben Sie vielen Dank für den Hinweis, absolut richtig!
T
Taubert 09.06.2011, 10:14 Uhr
40,00 Euro Klausel
Der Autor schreibt: "Aktuelle Rechtslage in Deutschland: In Deutschland gilt derzeit die 40-Euro-Klausel ( § 357 Abs. 2 S. 3 BGB) , wonach es dem Unternehmer möglich ist, seinen Kunden die Rücksendekosten für Warenwerte ab 40 Euro vertraglich aufzuerlegen."

Richtig ist, dass es dem Unternehmer möglich ist, seinen Kunden die Rücksendekosten für Warenwerte bis 40 Euro vertraglich aufzuerlegen."

Bis und nicht ab 40,00 Euro.
Zitat aus der derzeit gültigen WRB: "Sie haben die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt ..."
C
Christian Franz, LL.M. 09.06.2011, 10:14 Uhr
40-€-Klausel
Hallo Herr Kollege Krug,

ein schön aufbereiteter Beitrag, vielen Dank für den informativen Überblick. Allerdings dürfte Ihnen in Bezug auf die 40-€-Klausel ein Missverständnis unterlaufen sein - die Rücksendekosten sollen künftig stets vom Verbraucher zu tragen sein (!), was für unsere Mandaten eine erhebliche Entlastung zur Folge hätte.

Vielleicht werfen Sie noch einmal einen Blick darauf.

Mit freundlichem kollegialem Gruß

Christian Franz, LL.M.
Rechtsanwalt

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