BGH: Auch Ankündigung von Markenware von Erschöpfungsgrundsatz erfasst
Dass ein Händler beim Verkauf vorrätiger Originalware in seinen (Onlineshop-) Angeboten den Markennamen der angebotenen Ware für die Bewerbung des Produktes nennen muss und darf, leuchtet ein. Doch was gilt für den Verkäufer bei Ware, die der Hersteller noch nicht mal in Verkehr gebracht hat: Greift die markenrechtliche Erschöpfung auch bei Ankündigung derartiger Markenware? Im brisanten Spannungsfeld von absoluten Markenrechten des Markeninhabers und den Interessen des freien Warenverkehrs entschied sich der Bundesgerichtshof in seiner „Vier Ringe über Audi“ - Entscheidung (BGH, Urteil vom 17.7.2003, I ZR 256/00) für eine erleichterte Anwendung des in § 24 Abs. 1 MarkenG verankerten markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes und stellt auch die Ankündigung von Ware durch den Verkäufer, die der Hersteller noch nicht in Verkehr gebracht hat, unter den Schutz dieser Vorschrift.
I. Das Problem
Ist das Recht aus der Marke erschöpft, ist es dem Markeninhaber aus markenrechtlicher Sicht nicht mehr gestattet den weiteren Vertrieb seiner Waren zu verhindern, sodass insbesondere eine markenrechtliche Abmahnung in diesem Falle als widerrechtlich einzustufen ist.
Der in § 24 Abs. 1 MarkenG geregelte Erschöpfungsgrundsatz verfolgt dabei das Ziel den freien Warenverkehr unter Berücksichtigung der Interessen des Rechteinhabers zu gewährleisten. Selbstverständlich soll der Markeninhaber seine markenrechtlich garantierte Stellung umfassend nutzen können. Seine Rechte gelten jedoch dann als ausgeschöpft, wenn er die konkrete Ware selbst oder durch einen Dritten in einem der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht hat. Ab diesem Zeitpunkt ist es dem Markeninhaber nicht mehr möglich einem Händler, die Weiterveräußerung der konkreten Originalware oder auch die produktbezogene Werbung hierfür zu verbieten.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufung auf dem Erschöpfungsgrundsatz ist daher grundsätzlich ein Inverkehrbringen der konkreten Ware. Darunter versteht man die Übertragung der Verfügungsgewalt über die mit der Marke versehenen Waren auf einen Dritten, beispielsweise durch Veräußerung oder Überlassung zu Werbezwecken. Die Beweislast für die Erschöpfung des Markenrechts trifft dann grundsätzlich denjenigen, der der Markenverletzung bezichtigt wird.
Mit der Beurteilung, wie sich der Erschöpfungsgrundsatz nun im Spannungsfeld zwischen Markeninhaber und Werbenden ausgestaltet, hat sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung „Vier Ringe über Audi“ auf die Berufung der Beklagten hin auseinanderzusetzen.
In der fraglichen Konstellation betrieb die Beklagte einen Handel mit Kraftfahrzeugen einer Vielzahl von Automobilherstellern, darunter auch die Klägerin als Inhaberin der Wortmarke „Audi“. Die Klägerin hat über den Rechtsweg geltend gemacht, die Beklagte verletze durch die Verwendung ihrer Wort-/Bildmarke „vier Ringe über Audi“ ihr Markenrecht. Die Beklagte berief sich daraufhin auf den Erschöpfungsgrundsatz und trug vor, die Klägerin habe keine berechtigten Gründe, ihr die Verwendung der in Rede stehenden Wort-/Bildmarke zu verbieten. Sie habe ausschließlich Kraftfahrzeuge der Marke Audi vertrieben, die zuvor von der Klägerin innerhalb der Europäischen Union in den Verkehr gebracht worden seien.
II. Die Entscheidung
Die BGH-Richter gaben der Beklagten im Ergebnis Recht und verneinten die von der Klägerin geltend gemachten markenrechtlichen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach § 14 Abs. 5, Abs. 6 MarkenG.
Im Unterschied zur vorhergegangenen Entscheidung des Berufungsgerichts, sah der BGH die Voraussetzungen einer Erschöpfung des Markenrechts der Klägerin nach § 24 Abs. 1 MarkenG für gegeben.
Das Berufungsgericht hatte den Einwand der Erschöpfung mit der Begründung abgewiesen, dass die Anzeige der Beklagten sich zumindest auch auf Kraftfahrzeuge beziehe, die von der Klägerin im Zeitpunkt des Erscheinens der Anzeige noch nicht in den Verkehr gebracht worden seien.
Das Entscheidung des BGH stellte jedoch deutlich heraus, dass auch bei mangelndem Inverkehrbringen die Erschöpfungswirkung des § 24 Abs. 1 MarkenG im Verhältnis zum Werbenden unter unionsrechtlich konformer Auslegung des Begriffs Anwendung findet.
"Für die Wirkung der Erschöpfung des Rechts aus der Marke im Verhältnis zum Werbenden reicht es jedoch aus, wenn dieser über die Ware, auf die sich die Werbung bezieht, im vorgesehenen Zeitpunkt ihres Absatzes ohne Verletzung des Rechts des Markeninhabers verfügen kann. Es ist nicht erforderlich, daß der Werbende die Waren im Zeitpunkt der Werbung bereits vorrätig hat oder daß die Waren zu diesem Zeitpunkt vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind."
Die Werbung eines Händlers mit einer Marke, so das Gericht, könne im Hinblick auf die Wirkung des Rechts aus der Marke und seiner Erschöpfung nicht unterschiedlich danach beurteilt werden, ob er die im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebrachte Ware bereits vorrätig habe, eine bei einem Dritten im Europäischen Wirtschaftsraum auf dem Markt befindliche Ware bewirbt, oder mit seiner Werbung auch solche Waren erfasse, die auf diesem Markt erst noch in den Verkehr gebracht werden.
"Entscheidend ist, daß der werbende Händler die Markenware im Zeitpunkt des Absatzes markenrechtlich zulässig veräußern kann. Denn Art. 7 MarkenRL, der durch § 24 MarkenG umgesetzt wird, dient dazu, die Belange des Markenschutzes mit denen des freien Warenverkehrs in der Europäischen Union in Einklang zu bringen. Damit wäre es nicht vereinbar, die Werbung, die sich notwendig auf einen erst zukünftigen Absatz bezieht, auf Waren zu beschränken, bei denen im Zeitpunkt der Werbung Erschöpfung bereits eingetreten ist."
Ansonsten, so der abschließende Hinweis des Gerichts, erführe der Grundsatz der Erschöpfung in dem für den Absatz der Waren existenziellen Bereich der Werbung eine durch das Markenrecht nicht gerechtfertigte Einschränkung.
III. Unser Fazit
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshof dürfen werbende Händler aufatmen. Für die Wirkung der Erschöpfung des Rechts aus der Marke im Verhältnis zum Werbenden reicht es aus, wenn dieser über die Ware, auf die sich die Werbung bezieht, erst im vorgesehenen Zeitpunkt ihres Absatzes verfügen kann.
Dies hat zur Folge, dass den Werbenden im Streitfall nicht die Beweislast bezüglich des Inverkehrbringens der konkreten Ware durch den Markeninhaber im Zeitpunkt der Werbung trifft. Da sich dieser grundsätzlich nicht durch eine etwaige Unkenntnis entlasten kann, stellt die dargelegte Ausnahme für Werbende eine erhebliche Erleichterung dar.
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