Ersatzpflicht für verlorene oder zerstörte Tickets? Ein klares „Nein“ vom OLG München
Hat ein Online-Tickethändler die Pflicht, verlorengegangene oder zerstörte Tickets zu ersetzen? Nein, dachte sich ein Tickethändler und nahm einen entsprechenden Passus in seine AGB auf. Das OLG München gab ihm in einem aktuellen Urteil Recht (09.06.2011, Az. 29 U 635/11).
In dem Verfahren ging es letztlich um die Rechtmäßigkeit der folgenden Klausel aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Onlinehändlers:
„Dem Kunden abhanden gekommene oder zerstörte Tickets werden nicht ersetzt oder zurückerstattet.“
Nach Ansicht des OLG München ist dieser Passus nicht zu beanstanden, da er nicht von der vorgesehenen gesetzlichen Regelung abweicht. Solange Tickets nicht personalisiert sind, stellen sie sogenannte Inhaberpapiere (vgl. § 807 BGB) dar. Bei solchen Eintrittskarten ist der Aussteller zur Leistungserbringung nur an den Karteninhaber und nur gegen deren Aushändigung verpflichtet; anders ausgedrückt: Wer eine Karte hat, kommt rein (egal ob er sie gekauft, geklaut, geerbt, ersteigert oder sonstwie erworben hat), und wer keine Karte hat, kommt nicht rein (egal ob er jemals eine gekauft hat oder nicht).
Wird das Ticket von einem Dritten gekauft, gilt nach Ansicht der Münchner Richter nichts anderes. Insbesondere da § 807 BGB gerade nicht auf § 798 BGB verweist, besteht kein Anspruch auf Ausstellung eines Ersatztickets. Da die AGB-Klausel also letztlich nur die reale gesetzliche Lage wiedergibt, ist sie grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Etwas anderes könnte gelten, wenn die Klausel den Kunden in unangemessener Weise benachteiligen würde, indem sie die Interessen des Tickethändlers unbotmäßig über die Interessen des Käufers stellt. Doch auch eine solche Unverhältnismäßigkeit konnten die Richter nicht finden (vgl. OLG München, Urt. v. 09.06.2011, Az. 29 U 635/11; mit weiteren Nachweisen):
„Unter Berücksichtigung der Risikoverteilung bezüglich nicht-personalisierter Eintrittskarten, wie sie in § 807, § 935 Abs. 2 BGB zum Ausdruck gekommen ist, und unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten ist es nicht als unangemessene Benachteiligung des Kunden einzustufen, dass dem Kunden abhanden gekommene Tickets nicht ersetzt oder zurückerstattet werden. Denn die Leistungsverpflichtung kann bei Tickets, die dem Kunden abhanden gekommen sind, gegenüber dem aktuellen Inhaber bestehen, der das Ticket gutgläubig erworben haben kann (vgl. § 932, § 935 Abs. 2, § 807 BGB) . […] Bei einer Ersatzausstellung bestünde das Risiko, dass Veranstaltungsplätze doppelt belegt werden und dass […] der Aussteller sich deswegen schadensersatzpflichtig macht. Auch eine Rückerstattung ist für […] den Aussteller aus den genannten Gründen nicht zumutbar, da eine Leistungsverpflichtung gegenüber dem aktuellen Inhaber des Tickets weiterhin bestehen kann.“
Auch dass „vernichtete“ Tickets nicht ersetzt werden, stellt keine Benachteiligung des Kunden dar:
„Soweit die Klausel vorsieht, dass zerstörte Tickets nicht ersetzt werden, liegt auch darin […] keine unangemessene Benachteiligung des Kunden. Die genannte Klausel wird von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise […] so verstanden, dass […] nicht jedes in irgendeiner Weise beschädigte Ticket gemeint ist, sondern nur Tickets, die Beschädigungen solch massiver Art aufweisen, dass sie mangels Erkennbarkeit der wesentlichen Merkmale als Eintrittskarte nicht mehr geeignet sind. Insoweit ist die Klausel […] nicht mehrdeutig.“
Eintrittskarte bleibt Eintrittskarte – egal ob sie am Schalter gelöst oder im Internet bestellt wurden. Wer am Einlass sein Ticket vorzeigen kann, kommt rein – wer keines vorweisen kann, kommt eben nicht rein. Zwischen Kauf und Einlass ist und bleibt der Käufer selbst für die sichere Verwahrung der Karten verantwortlich – wer sie verliert oder vernichtet, kann den Verkäufer hierfür nicht verantwortlich machen.
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