LMIV: Wer ist maßgeblicher Lebensmittelunternehmer?
Tipp: Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie hier: "Verkauf von Lebensmitteln"
Für Lebensmittel gelten im E-Commerce besondere Online-Kennzeichnungspflichten nach der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Unter anderem muss der verantwortliche Lebensmittelunternehmer mit Name und Anschrift benannt werden. Doch nicht immer ist klar, um welchen Marktakteur es sich dabei handelt. Wir zeigen, auf welchen Unternehmer es für die Pflichtangabe im Einzelfall ankommt.
Inhaltsverzeichnis
- I. Pflicht zur Benennung des Lebensmittelverantwortlichen im Fernabsatz
- II. Die Verantwortlichkeit für Lebensmittel nach der LMIV
- III. Fallbeispiele zur Ermittlung des korrekten Verantwortlichen für bestimmte Lebensmittelkategorien
- 1.) Wein und Spirituosen
- 2.) Teig- und Süßwaren
- 3.) Nahrungsergänzungsmittel
- IV. Fazit
I. Pflicht zur Benennung des Lebensmittelverantwortlichen im Fernabsatz
Für im Fernabsatz tätige Händler, insbesondere Online-Händler, existieren besondere Lebensmittelinformationspflichten gemäß Art. 14 der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV).
Unter anderem sind sie nach Art. 14 Abs. 1, 9 Abs. 1 Buchstabe h) verpflichtet, den verantwortlichen Lebensmittelunternehmer mit Name bzw. Firma und Anschrift zu benennen.
Im E-Commerce ist diese Informationspflicht idealerweise direkt auf der Produktdetailseite (dort etwa in der Produktbeschreibung) zu erfüllen, von der aus das Lebensmittel in den virtuellen Warenkorb gelegt werden kann.
II. Die Verantwortlichkeit für Lebensmittel nach der LMIV
Gemäß Art. 8 der LMIV ist maßgeblicher Lebensmittelverantwortlicher grundsätzlich diejenige natürliche oder juristische Person, unter deren Name oder Firma das Lebensmittel innerhalb der Union vermarktet oder von außerhalb der EU eingeführt wird.
Diese Person muss von von Fernabsatzhändlern nun in ihren Angeboten mit Name/Firma und Anschrift benannt werden.
Unklarheit besteht aber vielmals deswegen, weil der Lebensmittelverantwortliche gemäß der LMIV derjenige sein soll, der das Lebensmittel "in eigenem Namen vermarktet". Aus dem Wortlaut, der - anders als in den meisten vergleichbaren EU-Rechtsakten - nicht auf das "Inverkehrbringen" abstellt, geht also nicht eindeutig hervor, ob die Regelung des Art. 8 Abs. 1 LMIV nun nur die Hersteller erfassen oder aber die primäre Verantwortlichkeit auf solche Stufen übertragen wollte, welche sich das Produktkonzept zu eigen machen und sodann einen herstellerunabhängigen Vertrieb verfolgen.
Nach der gesetzgeberischen Intention kann der Unternehmer, „unter dessen Namen oder Firma das Produkt vermarktet wird“, aber nur derjenige sein, der das Produkt selbst und in eigenem Namen herstellt oder in dessen Auftrag die Fertigung erfolgt.
Maßgeblich kommt es also auf die natürliche oder juristische Person an, welche für das Inverkehrbringen und die Überwachung des Produkts verantwortlich ist und welche das Lebensmittel als zum eigenen Unternehmen zugehörig auf dem Markt präsentiert.
Nur, wenn der Hersteller nicht innerhalb der EU niedergelassen ist, ist auf den Importeur abzustellen stellen, weil dieser sodann mit der Marktbereitstellung und Überwachung innerhalb der Union betraut wird.
Sofern für den Handel die Möglichkeit besteht, kann der im Fernabsatz zu benennende maßgebliche Verantwortliche stets auch der jeweiligen Produktverpackung entnommen werden. Auf dieser muss im Wege der physischen Kennzeichnung den Anforderungen nach Art. 9 LMIV nämlich bereits im Vorfeld genügt worden sein.
III. Fallbeispiele zur Ermittlung des korrekten Verantwortlichen für bestimmte Lebensmittelkategorien
1.) Wein und Spirituosen
Gerade bei der Herstellung alkoholhaltiger Getränke werden verschiedenartige Produktionsschritte (Anbau, Fermentierung/Filterung, Abfüllung, Branding) durchlaufen, die nicht selten auf diverse Unternehmen verteilt werden. Hier kann sich die Benennung des richtigen Verantwortlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 LMIV im Einzelfall schwierig gestalten.
Achtung: bei Wein und weinhaltigen Erzeugnissen wird die Verantwortlichenkennzeichnung nach der LMIV durch die EU-Verordnung nur 2019/33 konkretisiert. Zu benennen ist für in der EU abgefüllte Weinerzeugnisse hier stets der sog. „Abfüller“, bei nicht in der EU abgefüllten Erzeugnissen der „Importeur“. Die Angabe des Abfüllers bzw. Importeurs ist als Konkretisierung des Art. 8 LMIV zu verstehen.
Mit dieser Spezialkennzeichnung wird also grundsätzlich auch die LMIV-konforme Verantwortlichenkennzeichnung umgesetzt.
Weitere Informationen hält die IT-Recht Kanzlei in ihrem Leitfaden zum rechtssicheren Verkauf von Wein bereit.
Folgende Fallbeispiele sollen der Klärung dienen:
1. Fall: Wein wird von der europäischen Firma X für die europäische Firma Y abgefüllt, welche diesen dann vertreibt. Richtiger Verantwortlicher?
Antwort: Verantwortlicher Lebensmittelunternehmer ist die Firma Y. In Ihrem Namen füllt das Unternehmen X den Wein ab, ohne aber an der Vermarktung beteiligt zu sein. Allein Y stellt den konsumfertigen Wein auf dem Markt bereit.
2. Fall: Eine argentinische Finca stellt Wein her, welcher sodann vom niederländischen Importeur X auf dem europäischen Markt bereitgestellt wird. Verantwortlicher Lebensmittelunternehmer?
Antwort: Hat der Weinproduzent seinen Sitz außerhalb des europäischen Binnenmarktes, ist verantwortlicher Lebensmittelunternehmer nach Art. 8 Abs. 1 LMIV der Importeur X, der den Wein in der EU bereitstellt.
3. Fall: Wein wird aus dem Ausland durch das Unternehmen X importiert und abgefüllt. Beide Schritte erfolgen allerdings für das Unternehmen Y. Richtiger Verantwortlicher?
Antwort: Hier bedient sich das Unternehmen Y für Import und Abfüllung des Rohproduktes des Unternehmens X. Erfolgen der Import und die eigentliche Aufbereitung aber im Namen/Auftrag von Y, gilt dieses Unternehmen als eigentlicher Importeur, sofern es sodann den verzehrfertigen Wein auf dem europäischen Markt bereitstellt.
4. Fall: Unternehmen X kauft Sekt vom europäischen Winzer W, füllt diesen verzehrfertig ab und gibt ihn sodann an den Handel weiter. Verantwortlicher Lebensmittelunternehmer?
Antwort: Winzer W fungiert als Zulieferer für X und versorgt diesen zwar mit dem Hauptbestandteil des Endprodukts. Der vermarktungsfähige Sekt entsteht allerdings erst mit der Abfüllung für und durch X, sodass X, wenn es den Sekt sodann vertreibt, der richtige Verantwortliche im Sinne von Art. 8 Abs. 1 LMIV ist.
2.) Teig- und Süßwaren
Sowohl bei Teig- als auch bei Süßwaren sind es meist große Produzenten, welche die Ware im Auftrag für andere Unternehmen herstellen und sodann an diese abgeben. Auch hier kann die Ermittlung des richtigen Verantwortlichen Probleme bereiten:
1. Fall: Großproduzent X stellt Süßigkeiten für das Unternehmen Y her, welches diese sodann unter eigener Marke vertreibt. Richtiger Verantwortlicher?
Antwort: Zwar ist X hier Hersteller im eigentlichen Sinne. Allerdings erfolgt die Produktion nur im Auftrag des Y, welcher die Produkte abnimmt, mit einem eigenen Branding versieht und sodann erstmalig auf dem Markt bereitstellt. X hingegen kommt mit anderen Handelsstufen nicht in Kontakt. Folgerichtig ist Y der richtige Lebensmittelverantwortliche.
2. Fall: Bauer B liefert Getreide an das Großunternehmen U, welches damit sodann industrielle Backwaren fertigt. Dies geschieht allerdings wiederum für den Brothersteller X, der letztlich die rohen Waren verpackt und mit seinem Namen versieht. Verantwortlicher Lebensmittelunternehmer?
Antwort: in Betracht kommt zunächst eine Verantwortlichkeit des U. Dieses fertigt die Produkte nämlich an. Weil die Herstellung allerdings im Namen des X erfolgt und erst dieser die Marktbereitstellung der eigentlichen Endprodukte initiiert, muss X der richtige Verantwortliche sein.
3.) Nahrungsergänzungsmittel
Auch Nahrungsergänzungsmittel weisen meist komplexe, mehrstufige Fertigungsprozesse auf und bedürfen vor der eigentlichen Vermarktung nicht selten einer Extraktion bzw. Synthese von Inhaltsstoffen und einer chemischen Aufbereitung. Die Feststellung des richtigen Verantwortlichen nach der LMIV erweist sich also als nicht immer einfach:
Fall: Chemieunternehmen C gewinnt synthetisch verschiedene Vitamine und Mineralstoffe und liefert diese an das Pharmaunternehmen P, welches wiederum im Auftrag und im Namen des Sportunternehmers S fertige Nahrungsergänzungsmittel herstellt und mit S’ Hausmarke versieht. Richtiger Lebensmittelverantwortlicher?
Antwort: Auch hier kommt es entscheidend auf die erste Marktbereitstellung an. Zwar ist P der Hauptakteur bei der Herstellung des Endprodukts und seinerseits von der Zulieferung durch C abhängig. Der gesamte Fertigungsprozess erfolgt jedoch für das Sportunternehmen S, unter dessen Marke und auf dessen Weisung hin das Nahrungsergänzungsmittel erstmalig die Produktionsebene verlässt. S ist richtiger Verantwortlicher.
IV. Fazit
Für Online- und sonstige Fernabsatzhändler, denen die LMIV die Erfüllung eigener Informationspflichten auf dem jeweiligen Trägermaterial auferlegt, stellt vor allem die Ermittlung des zu benennenden Lebensmittelverantwortlichen vielmals ein Problem dar.
Hier ist der Gesetzgeber von gängigen Begriffsbestimmungen abgewichen und hat mit einem "Vermarktungstatbestand" für erhebliche Unklarheiten gesorgt.
Zu lesen ist die maßgebliche Bestimmung des Art. 8 LMIV richterweise wie folgt:
Verantwortlich für die Information über ein Lebensmittel ist der Lebensmittelunternehmer,
- unter dessen Handelsmarke oder Unternehmenskennzeichen das Lebensmittel in Verkehr gebracht wird, oder,
- wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt
Besondere Konstellationen der Lebensmittelproduktion werden in den obigen Fallbeispielen der Ermittlung des korrekte Verantwortlichen zugeführt.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
2 Kommentare
Bin ich nicht der Ersteller des Korbes (Artikel) und somit der Lebenmittelunternehmer?
FG
Oder besser eine Zusatzseite, damit von allen Seiten der Webseite mit einem Klick darauf zugegriffen werden kann? Oder ein Link bei jedem Produkt mit Namen "Lebensmittelverantwortlicher", der auf eine passende Unterseite verlinkt? Reicht der Name oder muss die komplette Anschrift dazu?