OLG Nürnberg: Inbox-Werbebanner ist keine unzumutbare Belästigung!
Das klingt erstmal gut: Die Deutsche Telekom stellt Privatnutzern ein kostenloses E-Mail-Postfach zur Verfügung. Aber: Innerhalb dieses E-Mail-Postfachs können Werbende „T-Online.de Mail Ads“ buchen, die dann als Werbebanner in Form „normaler“ E-Mails in der Inbox angezeigt werden. Ob diese Werbeform zulässig ist oder als elektronische Post gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG bzw. als unzumutbare Belästigung im Sinne der Generalklausel des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG zu qualifizieren ist, entschied nun das OLG Nürnberg.
LG Nürnberg: Das ist ja unzumutbar!
Die Parteien (Stromanbieter) stritten über einen Anspruch auf Unterlassung von Werbeanzeigen in kostenlosen E-Mail-Postfächern. Der von seinem Mitbewerber angegriffene Stromanbieter schaltete in diversen privaten E-Mail-Postfächern von T-Online.de Werbung für seine Stromlieferungsangebote.
So erschien in einem privaten Postfach bei T-Online.de im Posteingang eine Werbeanzeige des angegriffenen Stromanbieters. Die Anzeige konnte durch Anklicken des „x“ weggeklickt werden. Durch Klicken auf das Anzeigefeld und den in der Anzeige hinterlegten Hyperlink konnte die detaillierte Werbung auf der Zielseite aufgerufen werden. Das interessante daran: Die Werbung („T-Online.de Mail Ad“) war so gestaltet, dass das Werbebanner in der Inbox ähnlich wie die „echten“ E-Mails in der Übersicht angezeigt wurde.
In erster Instanz qualifizierte das LG Nürnberg-Fürth (Urt. v. 22.03.2018, Az. 3 HK O 4495/17) das „getarnte“ Werbebanner als elektronische Post, denn dafür spreche ihr Erscheinen innerhalb des Posteingangs („Inbox“), eingereiht unter die neu eingegangenen E-Mails. Im Ergebnis sei der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, 7 Abs. 2 UWG gegeben. Gegen diese Bewertung ging der beklagte Stromanbieter im Rahmen der Berufung (OLG Nürnberg) vor.
OLG Nürnberg: Keine unzumutbare Belästigung
Das OLG Nürnberg (Urt. v. 15.01.2019, Az. 3 U 724/18) kassierte die Entscheidung aus der Vorinstanz. Entscheidend war hier die Qualifikation des OLG Nürnberg, dass es sich bei den streitgegenständlichen Anzeigen nicht um Werbung unter Verwendung elektronischer Post im Sinne des § 7 II Nr. 3 UWG handele und im Ergebnis keine unzumutbare Belästigung nach § 7 UWG vorliege.
Grundsätzlich ist nach § 7 II Nr. 3 UWG eine unzumutbare Belästigung bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, anzunehmen.
Die streitgegenständliche Werbeanzeige war jedoch, anders als die „normalen“ E-Mails im Postfach, grau unterlegt und mit dem Hinweis „Anzeige“ versehen. Auf den zweiten Blick fiel auch auf, dass sie keine Datumsanzeige, keinen Absender und keine Optionen zur Bearbeitung (z.B. Beantwortung oder Weiterleitung) enthielt. Auch wurde sie nicht in die Anzahl der ungelesenen E-Mails des jeweiligen Kunden eingerechnet.
Inbox-Werbebanner ist keine E-Mail
Nach der Rechtsprechung und der einhelligen Kommentarliteratur fallen unter den Begriff der elektronischen Post lediglich E-Mails, SMS (Short Message Service) MMS (Mobile Message Service). Bei der streitgegenständlichen Einblendung von Werbung handele es sich aber um keinen dieser Dienste, stellte das OLG Nürnberg fest. Insbesondere sei die streitgegenständliche Werbung nicht als E-Mail zu qualifizieren. Die Werbebanner seien des Weiteren auch nicht mit einer E-Mail vergleichbar.
Das Gericht führte aus, dass E-Mails (elektronische Post) im Kern auf dem „Simple Mail Transfer Protocol“ (SMTP) basieren und eine der traditionellen Briefpost vergleichbare Kommunikation der Teilnehmer im Internet ermöglichen. Die Funktionsweise bei den beanstandeten Werbeanzeigen sei jedoch gänzlich anders. Die Werbung sei nicht unter Verwendung einer individuellen E-Mail-Anschrift über einen E-Mail-Provider in den elektronischen Briefkasten versandt worden. Ein elektronischer Datenaustausch über einen Mail-Server finde demgegenüber gerade nicht statt.
Vielmehr sei die Werbung auf der Webseite von T-Online geschaltet und nur in Echtzeit über einen Ad-Server im Postfach des Kunden von T-Online sichtbar gemacht worden, wenn ein Kunde auf der Webseite der Deutschen Telekom den E-Mail-Service mit einem Webbrowser öffnet.
Voraussetzungen für „elektronische Post“ nicht gegeben
Auch aus den in der Definition von Art. 2 S. 2 Buchst. h Datenschutzrichtlinie verwendeten Begriffe „Post“, „Kommunikationsnetz“ und „Verschicken“ ergebe sich, dass elektronische Post nur bei der Versendung einer Nachricht von einem Nutzer an einen anderen Nutzer durch ein Dienstleistungsunternehmen (wie beispielsweise ein E-Mail-Provider) vorliege. Des Weiteren sei eine elektronische Beförderung an die elektronische „Anschrift“ (wie beispielsweise eine E-Mail-Adresse) des zweiten Nutzers vonnöten.
Bei der „T-Online.de Mail Ad“-Werbung erfolge jedoch kein Versenden der Nachricht in diesem Sine. Es erfolge lediglich über einen Adserver die Darstellung der Werbung in einer bestimmten definierten Fläche einer Internetseite über in der Webseite eingebundene, vordefinierte „AdTags/AdSlots“, ohne dass eine Adressierung an bestimmte Kunden erfolge.
Nach den obigen Ausführungen handele es sich bei der streitgegenständlichen Werbung um ein an die Allgemeinheit gerichtetes Fernkommunikationsmittel, welches nicht unter § 7 II Nr. 1 UWG falle, so das Gericht.
E-Mail-Werbebanner ist keine unzumutbare Belästigung
Schließlich stellen E-Mail-Werbebanner auch keine unzumutbare Belästigung im Sinne der Generalklausel des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG dar, wie das Gericht feststellte. Grundsätzlich ist eine Werbung belästigend, die dem Empfänger aufgedrängt wird und die bereits wegen ihrer Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird. Unzumutbar ist die Belästigung, wenn sie eine solche Intensität erreicht, dass sie von einem großen Teil der Verbraucher als unerträglich empfunden wird, wobei der Maßstab des durchschnittlich empfindlichen Adressaten zugrunde zu legen ist.
Das Gericht verwies auf die „normale“ Banner-Werbung, die wie z. B. auch Pop-Up-Fenster nicht zu beanstanden ist, wenn sich der Nutzer der Werbung in kurzer Zeit durch Wegklicken oder durch Verlassen der Seite entziehen kann oder wenn die Werbung in kurzer Zeit von selbst verschwindet. Im vorliegenden Fall in Bezug auf die Werbebanner im „E-Mail-Look“ ergebe die Abwägung der maßgeblichen Umstände, dass ein durchschnittlich empfindlicher Adressat durch die streitgegenständlichen Werbebanner zwar belästigt werde, diese Belästigung jedoch nicht in unzumutbarer Weise erfolge.
Denn die Werbung sei durch die graue Unterlegung und den „Anzeige“-Hinweis sowie die Anzeige des Firmennamens des Werbenden als solche erkennbar gewesen. Und auch durch die Einblendung der Werbeanzeige seien keine sonstigen Inhalte – wie beispielsweise E-Mails – verdeckt worden. Der Kunde werde zu keinem Zeitpunkt daran gehindert, E-Mails zu lesen.
Entscheidend sei jedoch, dass die streitgegenständlichen Werbeanzeigen auf einer kostenfreien Webseite erfolgen, über die ein kostenloser E-Mail-Dienst zugänglich gemacht werde. Es handele sich um ein „klassisches Werbeumfeld“, bei der Werbung vom Durchschnittsverbraucher erwartet werde, weil er die bewusste Entscheidung für einen kostenlosen und werbefinanzierten E-Mail-Dienst getroffen habe. Darüber hinaus werde der Kunde bei der Registrierung des kostenlosen E-Mail-Dienstes der Deutschen Telekom ausdrücklich auf die Finanzierung durch Werbung hingewiesen.
Fazit: Alles ist möglich
Die Revision des Urteils des OLG Nürnberg wurde zugelassen und wird aktuell beim BGH unter dem Az. I ZR 25/19 geführt. Der BGH wiederum hat dem EuGH mehrere Fragen rund um die „Verwendung elektronischer Post - Inbox-Werbung“ vorgelegt. Es ist also durchaus möglich, dass der EuGH bzw. der BGH zu einem anderen Ergebnis als das OLG Nürnberg kommen wird. Vor diesem Hintergrund ist die „vorläufige“ Rechtsansicht des OLG Nürnberg noch mit Vorsicht zu genießen. Zu den aktuellen Entwicklungen rund um das Problem E-Mail-Werbebanner halten wir Sie natürlich auf dem Laufenden!
UPDATE vom 25.11.2021: Der EuGH hat auf Vorlage des BGH hin entschieden, dass die Werbung in der E-Mail-Inbox einwilligungspflichtig ist! Diese Nachrichten begründen eine Verwechslungsgefahr, die dazu führen kann, dass ein Nutzer, der auf die der Werbenachricht entsprechende Zeile klickt, gegen seinen Willen auf eine die betreffende Werbung enthaltende Internetseite weitergeleitet wird. Lesen Sie mehr zur Entscheidung des EuGH in diesem Beitrag.
Tipp: Wir haben uns in diesem ausführlichen Beitrag mit dem Thema E-Mail-Marketing - in Zeiten der DSGVO mal genauer auseinandergesetzt.
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