Ups: Sittenwidrigkeit bei Markenanmeldungen
Nicht alle Marken sind eintragungsfähig. Ein Ablehnungsgrund kann ein Verstoß gegen die guten Sitten sein, wie der EuGH jüngst bei der Marke COVIDIOT entschieden hat. Der Fall zeigt generell, dass auch mehr oder weniger kreative Wortschöpfungen nicht aus diesem Dilemma herausführen, sofern die angesprochenen Verkehrskreise wissen, was dabei gemeint ist.
1. Marken und die guten Sitten
Bevor wir zum Fall kommen nochmal kurz die gesetzliche Grundlage zur Sittenwidrigkeit bei Markenanmeldungen:
Die Ablehnung einer Markenanmeldung aufgrund von „Sittenwidrigkeit“ ist gesetzlich in § 8 Abs. 2 Nr. 5 des Markengesetzes (MarkenG) festgelegt. Danach sind Zeichen vom Markenschutz ausgeschlossen, wenn sie gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen.
Und jetzt zum aktuellen Fall: Der Begriff „COVIDIOT“ kann laut einer Entscheidung des Europäischen Markenamts (EUIPO, Beschluss vom 16.05.2024 - Az.: R0260/2021-G) nicht als Marke registriert werden, da er gegen die allgemeinen Anstandsregeln verstößt und nicht die nötige Unterscheidungskraft aufweist.
Der Antragsteller hatte versucht, eine Wort-Bild-Marke mit dem Text „COVIDIOT“ für verschiedene Produktkategorien, darunter Spielsoftware, mobile Apps, Brettspiele und Spielwaren, schützen zu lassen.
2. Na sowas: Die Pandemie wirkt nach
Das EUIPO entschied, dass die Registrierung des Begriffs nicht möglich sei, da das Wort gegen die moralischen Standards verstoße. Es handle sich um eine Kombination aus „Covid“ und „Idiot“, was als abwertend empfunden werde, da es Menschen, die kritisch gegenüber Pandemie-Maßnahmen eingestellt sind, herabwürdige.
Die Große Kammer stellte klar, dass der Hauptkritikpunkt darin bestehe, dass die Marke die Schwere der Pandemie verharmlost. Die Nutzung des Begriffs in einem kommerziellen Kontext mache sich über eine der schwerwiegendsten und zerstörerischsten Gesundheitskrisen der jüngeren Geschichte lustig und bagatellisiere so eine allgemein bekannte Tragödie.
Das Gericht im Wortlaut dazu:
"Die Große Kammer ist der Auffassung, dass der wichtigste Vorwurf ist, dass die angemeldete Marke die Pandemie verharmlost. Die angemeldete Marke verlacht in einem kommerziellen Kontext eine der tödlichsten und zerstörerischsten Pandemien und trivialisiert damit eine allgemein bekannte Tragödie.
Wie der Anmelder in der Beschwerdebegründung zugibt, hat er eine Marke angemeldet, die Teil einer erhitzten Debatte ist. Wie bereits erwähnt, hatte COVID-19 weltweit verheerende Auswirkungen. Dies bedeutet nicht, dass „COVID“ oder „CORONA“ nicht Teil von Marken sein können, sofern diese nicht gegen die guten Sitten verstoßen, beispielsweise durch Trivialisierung oder Brüskierung, oder gegen andere absolute Eintragungshindernisse verstoßen.
Wo wir gerade dabei sind: Es gibt unzählige weitere Beispiele von Markenanmeldungen, bei denen ein Verstoß gegen die guten Sitten festgestellt wurde – rein exemplarisch erwähnen wir hier etwa aus der Schmuddelecke:
- Pablo Escobar: EuG, Urteil vom 17.04.2024, Az. T-255/23
- Busengrapscher: BGH, GRUR 1995, 592, 595
- KILL YOUR DARLING: BPatG, Beschluss vom 05.08.2010 – 32 W (pat) 117/06
- boob’s: BPatG, Beschluss vom 05.03.2007 – 27 W (pat) 56/06
Eine weitere Übersicht zu verwandten gescheiterten Markenanmeldungen aus der Vergangenheit finden Sie hier.
3. Fehlende Unterscheidungskraft
Zusätzlich fehle nach Ansicht des Gerichts dem Begriff „COVIDIOT“ auch die notwendige Unterscheidungskraft, die für eine Markenregistrierung erforderlich ist.
Nochmal zur Erinnerung:
Die Unterscheidungskraft im Sinne des Markengesetzes beschreibt die Fähigkeit eines Zeichens, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Ein Zeichen muss also geeignet sein, als Herkunftshinweis zu fungieren, damit es als Marke eingetragen werden kann.
Die rechtliche Grundlage für die Unterscheidungskraft findet sich in § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Dort ist geregelt, dass Marken vom Schutz ausgeschlossen sind, wenn ihnen die Unterscheidungskraft fehlt. Dies betrifft vor allem allgemeine Begriffe, beschreibende Angaben oder Zeichen, die im allgemeinen Sprachgebrauch gebräuchlich sind und daher nicht zur Unterscheidung geeignet sind.
Beispiele für fehlende Unterscheidungskraft:
- Beschreibende Angaben: Zeichen, die die Art, Beschaffenheit, Menge oder andere Merkmale der Ware oder Dienstleistung beschreiben (z.B. „Lecker“ für Lebensmittel).
- Allgemein gebräuchliche Begriffe: Begriffe, die so üblich sind, dass sie vom Verbraucher nicht als Herkunftshinweis verstanden werden (z.B. „Toll“ für diverse Produkte).
Zusammengefasst dient die Unterscheidungskraft also dazu, sicherzustellen, dass Verbraucher die Marke mit einer bestimmten Quelle oder einem bestimmten Anbieter verbinden können.
Zurück zum Fall:
Die Bezeichnung werde lediglich als Ausdruck für ein zeitlich begrenztes Phänomen verstanden, ohne dabei eine präzise Verbindung zu einer bestimmten Ware oder Dienstleistung herzustellen.
Laut der Entscheidung würden die Verbraucher das Wort „COVIDIOT“ lediglich als einen Hinweis auf ein soziales, politisches oder historisches Ereignis erkennen. Insbesondere bei Lernspielen würde es nur auf den thematischen Inhalt verweisen und keinen klaren Bezug zu einer spezifischen gewerblichen Herkunft der Produkte herstellen. Daher fehle es an der erforderlichen Fähigkeit, die Marke als Hinweis auf einen bestimmten Anbieter zu verstehen.
4. Fazit: Alles was Recht ist
Bei einigen Zeichen kann man sich vorstellen, dass sie nicht als Marke schutzfähig und damit nicht eintragungsfähig sein sollen. Hier hat der Gesetzgeber eine nachvollziehbare Aufgabe. Bei manchen Marken mag dies jedoch etwas kniffliger erscheinen - so auch im bereits besprochenen Fall COVIDIOT. Die Entscheidung zeigt vor allem, dass auch Wortschöpfungen, die einen Verstoß gegen die guten Sitten nur andeuten können, als nicht eintragungsfähig angesehen werden, da der Verkehr weiß, was gemeint ist. Und das ist die Lehre: Bei Marken kommt es nicht darauf an, was sich der Anmelder gedacht hat, sondern darauf, wie die Marke verstanden wird. Das hebelt dann auch die kreativste Wortschöpfung ggf. aus - und führt zur Ablehnung der Markeneintragung.
Tipp: Marke anmelden! Wenn nicht jetzt - wann dann?
Sie wollen sicher sein bei der Markenanmeldung? Dank der EU-Förderung für Markenanmeldungen ist jetzt ein guter Zeitpunkt, dies kostengünstig umzusetzen. Für Mandanten der IT-Recht Kanzlei, die ein Schutzpaket abgeschlossen haben oder abschließen möchten, bieten wir unter bestimmten Bedingungen die kostenlose Anmeldung einer deutschen Marke an – ohne Berechnung unseres Honorars.
- Für neue Mandanten: Wer sich neu für eines unserer Schutzpakete entscheidet und dabei eine Mindestlaufzeit von mindestens 12 Monaten (im Unlimited-Paket obligatorisch) wählt, der bekommt einmal pro Jahr eine (1) Markenanmeldung on top. Gemeint ist damit die Prüfung der Eintragungsfähigkeit einer deutschen Marke und Durchführung der Anmelde- und Zahlungsmodalitäten ohne Berechnung unseres normalerweise anfallenden Honorars. Die anfallenden Amtsgebühren sind davon natürlich ausgenommen und weiterhin vom Markenanmelder zu tragen. Interesse? Hier geht es zu unseren Schutzpaketen.
- Für Bestandsmandanten: Wer bereits Mandant der IT-Recht Kanzlei ist und eines unserer Schutzpakete bezieht und sich erst jetzt für eine Mindestlaufzeit von 12 Monaten entscheidet (bzw. sich bereits für eine Mindestlaufzeit (im Unlimited-Paket obligatorisch) bei Paketbuchung entschieden hatte), auch der soll von dieser Regelung zur de-Markenanmeldung profitieren und bekommt die obenstehende Beratung zur Markenanmeldung gratis. Interesse?
Dann wenden Sie sich bitte an den für Sie bereits zuständigen Rechtsanwalt der IT-Recht Kanzlei oder an die info@it-recht-kanzlei.de.
Mehr zu diesem Service finden Sie in diesem Beitrag.
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