Müssen Händler die Einsendekosten zur Mängelprüfung übernehmen?

Müssen Händler die Einsendekosten zur Mängelprüfung übernehmen?
Stand: 05.11.2024 5 min

Händler haben vor Anerkennung etwaiger Gewährleistungsansprüche das Recht, die beanstandete Ware auf Mängel zu untersuchen. Im Fernabsatz kann dazu regelmäßig die Einsendung der vermeintlich mangelhaften Ware verlangt werden. Doch wer trägt in diesem Fall die Kosten der Rücksendung?

I. Die Einsendung zur Mängelprüfung im Online-Handel

Zwar wird im Verbrauchergewährleistungsrecht gemäß § 477 BGB zugusten des Verbrauchers bei Auftreten eines Mangels vermutet, dass dieser Mangel bzw. seine Ursache schon im Lieferzeitpunkt vorhanden war und dem Verbraucher daher Gewährleistungsansprüche zustehen.

Dem Händler im Gegensatz aber nicht zugemutet werden, diese Vermutung ohne Prüfung im Einzelfall gegen sich wirken zu lassen.

Er kann daher Erfüllung seiner gesetzlichen Nacherfüllungspflichten von einer vorherigen Mängelprüfung abhängig machen (s. etwa BGH, Urteil vom 10.03.2010 – Az.: VI ZR 310/08).

Diese soll ihn in die Lage versetzen, die verkaufte Sache daraufhin zu untersuchen, ob der behauptete Mangel überhaupt besteht, ob er bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann.

In Ausübung seines Mängelprüfrechts darf der Händler den Verbraucher um Einsendung der Ware bitten. Etwaige Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers sind bis zum Ergebnis der Mängelprüfung gehemmt.

Hinweis: Lässt sich die Begründetheit der Mängelrüge auch auf einem anderen geeigneten Weg, etwa der Zusendung von Fotos an den Händler, feststellen, bedarf es einer Einsendung nicht. Der Händler kann den Käufer zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes anstelle einer Einsendung auch berechtigterweise dazu auffordern, aussagekräftige Fotos vom Produkt und vom behaupteten Mangel anzufertigen und ihm zukommen zu lassen. Kann dadurch ein Sachmangel bereits festgestellt werden, erübrigt sich die Einsendung.

Zweifelt der Händler auch nach Erhalt der Fotos an der Begründetheit der Mängelrüge, muss er aber sodann die Einsendung anfordern.

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II. Regeln für die Einsendekosten bei Mängelprüfung

Kann der Händler vom Käufer verlangen, die gerügte Kaufsache zur Durchführung der Mängelprüfung an ihn zu versenden, ist fraglich, wer die hierfür anfallenden Versandkosten zu tragen hat.

Die Versandkostenschuld hängt hierbei maßgeblich von der Begründetheit der Mängelrüge ab.

1.) Begründete Mängelrügen

Ergibt die Mängelprüfung des Händlers, dass die Mängelrüge des Verbrauchers gerechtfertigt war, sind die angefallenen Einsendekosten rückwirkend als "Kosten der Nacherfüllung" zu verstehen, die gemäß § 439 Abs. 2 BGB vom Händler zu tragen sind.

Immerhin dienten die Versandkosten dann dazu, dem Händler die Erkenntnis der Mangelhaftigkeit und diejenige seiner Einstandspflicht zu ermöglichen.

Kommt der Händler also bei Durchführung der Mängelprüfung zu dem Ergebnis, dass ein Mangel tatsächlich bereits im Zeitpunkt der Übergabe vorlag, ist er zur Tragung der Einsendekosten verpflichtet.

2.) Unbegründete Mängelrügen

Ergibt die Mängelprüfung dahingegen, dass der gerügte Mangel nicht vorliegt und Gewährleistungsansprüche gegen den Händler mithin nicht bestehen, können die Einsendekosten zu Untersuchungszwecken vom Käufer niemals „zum Zwecke der Nacherfüllung“ im Sinne des §439 Abs. 2 BGB aufgewendet worden sein.

Zu einer solchen ist der Händler dann nämlich gerade nicht verpflichtet.

Einsendekosten, die dem Verbraucher für die Einsendung einer eigentlich nicht mangelhaften Ware zur Überprüfung entstehen, sind daher grundsätzlich von diesem selbst zu tragen und müssen vom Händler nicht erstattet werden.

3.) Achtung: Vorschusspflicht des Händlers

Weil die Kostentragung für die Einsendekosten maßgeblich vom Ergebnis der Mängelprüfung abhängt, könnten Händler nun geneigt sein, dem Verbraucher die Einsendekosten zunächst stets aufzuerlegen und sich bei Begründetheit der Mängelrüge nachträglich zu deren Erstattung bereit zu erklären.

Dies liefe aber der gesetzlichen Regelung des § 475 Abs. 4 BGB zuwider, nach welcher der Verbraucher für Kosten der Nacherfüllung im Sinne des § 439 Abs. 2 BGB vom Händler Vorschuss verlangen kann.

Weil die Mangelhaftigkeit der Kaufsache zugunsten des Verbrauchers gemäß § 477 BGB vermutet wird (s.o.), wird ebenfalls vermutet, dass Einsendekosten zur Mängelprüfung gewährleistungsbedingte Nacherfüllungskosten nach § 439 Abs. 2 BGB sind.

Damit gilt, dass die Einsendekosten zum Zwecke der Mängelprüfung vom Händler in jedem Fall im Voraus zu übernehmen sind.

Diese Vorschusspflicht kann der Händler beispielsweise umsetzen, indem er dem Käufer ein (zunächst) kostenfreies Retourenlabel zur Verfügung stellt.

Erweist sich die Mängelrüge als Ergebnis der Prüfung später als unbegründet, kann der Händler vom Käufer die Erstattung der übernommenen Einsendekosten nach §812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nachträglich verlangen, weil er für diese ohne den Rechtsgrund eines gewährleistungsauslösenden Sachmangels aufgekommen ist.

Tipp:

Für Mandanten stellen wir diverse Reaktionsmuster im Zusammenhang mit der Mängelprüfung bereit, die von der Bitte um Einsendung über die Mitteilung des Prüfergebnisses bis zur Forderung der Rücknahme der Sache bei ergebnisloser Prüfung reichen.

Mandanten finden diese und viele weitere Muster zum Gewährleistungsrecht hier.

III. Fazit

Macht der Händler bei einer Mängelrüge des Verbrauchers von seinem Recht auf Mängelprüfung Gebrauch, hängt die Verantwortlichkeit für die Einsendekosten der Ware davon ab, ob sich die Kaufsache bei der Prüfung als tatsächlich mangelhaft erweist oder nicht.

Ergibt die Prüfung einen Sachmangel und damit die Begründetheit des Käufervorwurfs, muss der Händler gemäß §439 Abs. 2 BGB für die Einsendekosten aufkommen. Ist das Gegenteil der Fall, obliegen diese dem Verbraucher.

Allerdings ist der Händler gemäß § 475 Abs. 4 BGB stets verpflichtet, die Einsendekosten als Vorschuss zu übernehmen, und kann diese nicht anfänglich und mit der Bereitschaft einer eventuellen späteren Rückerstattung auf den Käufer abwälzen. Vielmehr muss der Händler vorgeschossene Einsendekosten im Falle einer unbegründeten Mängelrüge nachträglich vom Käufer zurückzufordern.

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