Einmalige Falschlieferung abmahnbar?! Das Problem bei "Versand durch Amazon" und Dropshippern durch die EuGH-Rechtsprechung
Nach neuster Rechtsprechung kann bereits die einmalige Falschlieferung an einen Verbraucher ein abmahnfähiger Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sein. Dies gilt auch dann, wenn der Versand gar nicht durch den Webshop selbst, sondern einen unabhängigen Versanddienstleister (z.B. Amazon) erfolgt. Ganz andere Probleme können zudem auftreten, wenn solche Versanddienstleister von Kunden zurückerhaltene Retouren in den Lagerbestand anderer Webshops einbuchen. Die IT-Recht Kanzlei erläutert die Hintergründe.
I. Problematische Falschlieferungen
Webshops sind nicht fehlerfrei. Es kann vorkommen, dass – aus Versehen – ein ganz anderes Produkt an den Kunden geliefert wird, als dieser bestellt hatte, oder zumindest eine andere Ausführung des bestellten Produkts. Steckt dahinter kein System, will also der Webshop nicht etwa bewusst billigere Ausführungen eines Produktes zu möglichst teuren Preisen den Verbrauchern andrehen, könnte man meinen, eine falsche Lieferung sei doch kein Problem.
Immerhin kann der Kunde ja reklamieren, so dass die Ware letztlich problemlos ausgetauscht werden kann. Allerdings schiebt die Rechtsprechung dem Ganzen nun einen Riegel vor. Bereits eine Falschlieferung an einen Kunden kann ein Wettbewerbsverstoß sein und dementsprechend zu Abmahnungen führen.
Spezielles Problem - Fulfilment-Dienstleister und Dropshipper:
Webshops, die die Bestellabwicklung und den Versand anderen Unternehmen wie beispielsweise dem „Fulfillment by Amazon“ überlassen, sind auf die Zuverlässigkeit dieses Dienstleisters angewiesen. Versendet der Dienstleister falsche Waren an die Kunden, so wird dies im Ergebnis dem Webshop negativ angerechnet; dieser bleibt im Außenverhältnis gegenüber seinen Kunden verantwortlich.
Probleme können zudem auch dadurch auftreten, dass Retouren, etwa aufgrund von Reklamationen oder nach Ausübung des Verbraucherwiderrufsrechts, durch die Versanddienstleister von Amazon & Co aus Versehern den Lagerbeständen von anderen Webshops zugeordnet werden. Wird die (intakte) Ware nun durch diesen anderen Webshop (erneut) verkauft, wird technisch gesehen Eigentum des ersten Webshops an den Kunden gesendet. Dies kann zu weitreichenden Rechtsproblemen führen.
II. Falschlieferungen sind Wettbewerbsverstöße
Werden einem Verbraucher anlasslos unbestellte Waren zugesendet, so liegt darin unzweifelhaft ein Wettbewerbsverstoß, der von Verbraucherschutzverbänden oder Mitbewerbern des versendenden Unternehmers nach den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (kurz: UWG) abgemahnt werden kann.
Nun lässt sich darüber streiten, ob auch die Zusendung eines anderen Produkts als das tatsächlich vom Verbraucher bestellte oder die Zusendung einer anderen Produktausführung (etwa eine andere Farbe oder mit anderem Zubehör) auch die die Zusendung „unbestellter“ Ware in diesem Sinne ist.
Immerhin liegt ja eine Bestellung des Verbrauchers vor, wenn auch für ein anderes Produkt. Jedenfalls nimmt die Rechtsprechung auch in solchen Fällen in letzter Zeit einen abmahnfähigen Wettbewerbsverstoß an. Während in einem vom LG Hamburg (Urteil vom 1. April 2016, Az. 315 O 287/15) entschiedenen Fall zumindest die zweifache Falschlieferung an denselben Kunden (nachgewiesen durch mehrerer Testkäufe des Kunden) als irreführende geschäftliche Handlung und damit wettbewerbswidrig angesehen worden ist, hält der EuGH (Urteil vom 16. April 2015, Az. C 388/13) nach gängiger Lesart bereits eine einmalige „falsche“ geschäftliche Handlung gegenüber einem Verbraucher für einen möglichen Wettbewerbsverstoß.
Zwar ging es in dem vom EuGH zu entscheidenden Fall nicht um die Falschlieferung einer Ware, sondern um die falsche Auskunft eines Dienstleisters über die Vertragsbeziehung zwischen dem Unternehmen und dem anfragenden Kunden. Allerdings weist der EuGH in seinem Urteil deutlich darauf hin, dass nach der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken grundsätzlich eine einmalige geschäftliche Handlung gegenüber einem Verbraucher im Anwendungsbereich der Richtlinie für einen Wettbewerbsverstoß genügt und es dabei u.a. nicht auf die Frage ankommt, ob der Unternehmer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.
Mit anderen Worten kann somit auch eine einmalige geschäftliche Handlung, etwa die Falschlieferung eines Produktes, einen Wettbewerbsverstoß darstellen, selbst wenn dahinter keinerlei Absicht des Webshops oder des Versanddienstleisters steckt.
Für Webshop-Betreiber bedeutet dies, dass sie künftig gesteigerten Wert auf eine saubere Bestellabwicklung legen müssen. Lassen sie ihre Waren durch andere Dienstleister verpacken und versenden, sollten sie darauf hinwirken, dass zum eigenen Schutz auch diese sorgfältig arbeiten. Denn deren Verstöße fallen auch ihnen selbst zur Last.
III. Probleme durch Zuordnung zum falschen Lagerbestand
Webshops, die die weitere Bestellabwicklung, also insbesondere den Versand und die Bearbeitung von Retouren, an Dienstleister wie „Fulfillment by Amazon“ oder Dropshipper auslagern, laufen Gefahr, dass dabei Fehler passieren, die zu Nachteilen führen.
Denkbar ist etwa, dass Retouren durch den Dienstleister zwar empfangen, dann aber elektronisch einem falschen Lagerbestand zugeordnet bzw. „ins falsche Regal“ gelegt werden. Man muss sich die Versandabteilung eines solchen Dienstleisters als riesige Lagerhalle vorstellen, in der unzählige Regale stehen, die (zumindest) elektronisch einzelnen Webshops zugewiesen sind.
Werden Retouren elektronisch oder durch das Personal falsch erfasst bzw. einem falschen Webshop zugeordnet, so fehlt die Ware nicht nur im (ggf. elektronisch verwalteten) Lagerbestand des einen Webshops, der die ursprüngliche Versendung an den Kunden veranlasst hatte, weil sie dort nicht eingebucht worden ist. Vielmehr kann es nun passieren, dass die Ware bei einer Bestellung aus dem Lagerbestand des Webshops, in den die Ware „falsch“ eingebucht worden ist, an den Besteller geliefert wird. Da die Ware jedoch nicht im Eigentum des versendenden Webshops steht, kann dieser dem Kunden grundsätzlich auch nicht das Eigentum daran verschaffen. Zudem steht der durch den Verkauf erzielte Erlös grundsätzlich nicht dem verkaufenden Webshop, sondern dem anderen Webshop zu, in dessen Eigentum die Ware eigentlich steht.
Soweit bekannt sind weiter daraus folgende Rechtsprobleme bislang jedoch nicht bei den Gerichten angekommen.
IV. Fazit
Wer als Webshop Waren an Verbraucher liefert, die diese nicht oder nicht so bestellt haben, setzt sich nach der neusten Rechtsprechung dem (Kosten-)Risiko von Abmahnungen aus. Dabei spielt es keine Rolle, ob dem Webshop ein Verschulden vorzuwerfen ist, dieser also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Bereits die erste Falschlieferung kann wettbewerbswidrig sein.
Wer zudem Aufgaben an andere delegiert, setzt sich naturgemäß dem Risiko aus, dass diese die Aufgaben nicht ordentlich erledigen und dies auf einen selbst zurückfällt. Im Falle der Falschlieferung durch Dienstleister, die vom Webshop zur weiteren Bestell- und Versandabwicklung eingesetzt werden (wie z.B. "Versand durch Amazon" oder Dropshipper), ist und bleibt wettbewerbsrechtlich der Webshop-Betreiber verantwortlich.
Ordnen Versanddienstleister Retouren nicht dem Lagerbestand des richtigen Webshops zu, kann es zu rechtlichen Folgeproblemen kommen, insbesondere wenn der fremde Webshop die „geschenkte“ Ware im eigenen Namen verkauft und den entsprechenden Gewinn bei sich verbucht.
Bei Problemen, Rückfragen sowie weiteren Fragen zu diesem Thema hilft Ihnen das Team der IT-Recht Kanzlei selbstverständlich gerne auch persönlich und im Einzelfall weiter.
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9 Kommentare
diese Gesetze sind einfach nur weltfremd. Abmahngesellschaften,Gerichte und Anwälte verdienen prächtig daran. Verkäufe im Internet sind gesetzeskonform nicht möglich für kleine Firmen. Wurde auch schon abgemahnt. Bei Garantieangaben des Herstellers hatte ich die Internetadresse falsch angegeben. Ein Buchstabe war falsch geschrieben. Wurde vom Gericht verurteilt. Gesamtkosten von 5000 Euro.Gerichtskosten,Anwaltskosten und Vertragstrafe. Das beste kommt zum Schluss. Mein Rechtsbeistand wollte mich noch bei den Anwaltskosten betrügen und eine erhöhte Gebühr abrechnen.
Wenn man das Gesetz ändern würde, dann wären die Abmahnungen sofort beendet.
Strafzahlungen werden nur an mildtätige Organisationen erlaubt...
Zum Glück hatte ich nur im Nebenerwerb verkauft und muss nicht davon leben. Aber habe durch diese Abmahnung 1 Jahr für umsonst gearbeitet.
Leider ist die Gerichtsbarkeit in Deutschland sehr ungerecht !
Und es wird weitere geben, bei denen normale Menschen nur mit dem Kopf schütteln können!
Es werden überleben: die großen Händler, die sich eine Rechtsabteilung leisten können!
Ich frage mich, welche Bürokraten solche Entscheidungen treffen? Die Menschheit wird immer kränker.
Als kleiner Abmahnvorschlag - demnächst dürfen Reisebusunternehmer Ihre Mitbewerber abmahnen wenn diese die Geschwindigkeitsbegrenzungen überschreiten und daher sich einen Zeit-Strecke-Vorteil verschaffen. Diese müssen dann eine Unterlassungserklärung und eine Auskunftverpflichtung gegenüber Ihrem Mitbewerber unterschreiben???? Selbiges gilt natürlich für Taxifahrer... Dann muss der Taxifahrer nicht mehr fahren sondern nur noch Abmahnungen schreiben und für entsprechendes Inkasso der Vertragsstrafen im Widerholungsfall sorgen...
Fazit: Vollautomatisation, Roboter aber bloß keine Menschen beschäftigen. Bravo.