Neue Widerrufsbelehrung 2014: Dynamische Widerrufsbelehrung ist nicht praxistauglich
Die ab dem 13.06.2014 nach neuem Verbraucherrecht einzusetzende Widerrufsbelehrung bereitet vielen Händlern Bauchschmerzen. So sieht das gesetzliche Muster gleich an zwei Stellen eine „Dynamik“ der Widerrufsbelehrung vor – die in der Praxis nicht umsetzbar ist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung:
- Erstes dynamisches Element: Fristbeginn
- Zweites dynamisches Element: Angabe der Rücksendekosten bei Speditionsware
- Dynamische Widerrufsbelehrung ist keine Lösung
- Konkrete Liefersituation müsste vorab bekannt sein
- Konkrete Höhe der Rücksendekosten von Speditionsware müsste vorab bekannt sein
- Fazit:
Einleitung:
„Schlicht nicht zu Ende gedacht“ - dieses Fazit beschreibt sehr gut, was der europäische Gesetzgeber in Sachen „Widerrufsbelehrung 2014“ fabriziert hat.
Das neue gesetzliche Muster der Widerrufsbelehrung, welches der deutsche Gesetzgeber wegen des Vollharmonisierungsansatzes 1:1 aus dem europäischen Recht umzusetzen hatte, macht - auf den ersten Blick - den Einsatz einer statischen Widerrufsbelehrung für den Händler unmöglich.
Erstes dynamisches Element: Fristbeginn
Konnten sich Händler bislang einer statischen Widerrufsbelehrung zur ausreichenden Erfüllung ihrer gesetzlichen Informationspflichten bedienen, scheint ihnen diese Möglichkeit ab dem 13.06.2014 abgeschnitten. So sieht das neue gesetzliche Muster für die Widerrufsbelehrung vor, dass bereits in Bezug auf den Fristbeginn ein bestimmter „Textbaustein“ Verwendung finden muss – abhängig von der konkreten Liefersituation.
Die folgenden drei „Ausfüllhinweise“ – von denen der Händler ausschließlich einen, und zwar auf die jeweilige Bestell- und Liefersituation zugeschnitten in seine Widerrufsbelehrung einzusetzen hat - machen die Formulierung einer zutreffenden Widerrufsbelehrung in der Praxis extrem schwer:
Es macht damit künftig für die zutreffende Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist einen Unterschied, ob der Verbraucher eine oder mehrere Waren einheitlich bestellt, wie diese geliefert werden und ob es sich dabei um eine Ware handelt, die für sich genommen in mehreren Teilsendungen oder Stücken geliefert wird. Eine statische Widerrufsbelehrung scheint damit ausgeschlossen zu sein.
Zweites dynamisches Element: Angabe der Rücksendekosten bei Speditionsware
Soll der Verbraucher künftig die Kosten der Rücksendung für solche Waren tragen, die nicht auf dem normalen Postweg verschickt werden können (Speditionsware), so muss der Händler den Verbraucher bereits im Rahmen der Widerrufsbelehrung über die konkrete Höhe dieser Kosten informieren bzw. zumindest mit einer vernünftigen Schätzung dieser Kosten in der Widerrufsbelehrung arbeiten. Da diese Kosten im Regelfall je nach Ware (und diversen weiteren Umständen) variieren, scheint auch diese erweiterte Informationspflicht das Ende der statischen Widerrufsbelehrung zu sein.
Dynamische Widerrufsbelehrung ist keine Lösung
Auch die IT-Recht Kanzlei hat sich zunächst mit dem Gedanken getragen, dass der Händler ab dem 13.06.2014 eben eine dynamische Widerrufsbelehrung vorhalten muss, die hinsichtlich des Fristbeginns und bei dem Verkauf von Speditionsware hinsichtlich der Kosten der Rücksendung individuell anhand der jeweiligen „Warenkorbsituation“ in Echtzeit generiert und dem Verbraucher zur Anzeige gebracht wird. Für eine statische Widerrufsbelehrung schien zunächst kein Raum mehr.
Konkrete Liefersituation müsste vorab bekannt sein
In Bezug auf die nachvertragliche Belehrungspflicht über das gesetzliche Widerrufsrecht wäre die oben dargestellte Differenzierung, also das „Einsetzen“ des zutreffenden „Bausteins“ evtl. noch zu realisieren – wenn auch nur mit sehr hohem Aufwand. Hinsichtlich der vorvertraglichen Informationspflichten des Händlers ist die vom Gesetz geforderte Differenzierung bezüglich des Fristbeginns jedoch schlicht unmöglich: Denn der Händler muss den Verbraucher bis spätestens zur Abgabe von dessen Vertragserklärung über die Details des Widerrufsrechts informiert haben. Zu diesem Zeitpunkt weiß er aber regelmäßig noch gar nicht, wie die Waren konkret geliefert werden.
So müsste bereits vor der Auslösung der Bestellung durch den Verbraucher bekannt sein, ob die Bestellung, die mehrere Waren enthält, zusammen verschickt werden kann oder nur eine getrennte Lieferung in Betracht kommt. Dies hängt zum einen natürlich von Gewicht und Volumen der Waren ab. Wird eine Gewichtsgrenze überschritten, werden zwei Pakete fällig. Dasselbe gilt für das Volumen. Bei dem Volumen sind schließlich auch noch Verpackungsmaterialien zu berücksichtigen, etwa bei einer Vase, die mehrfach in Luftpolsterfolie gewickelt werden muss.
Bietet der Händler verschiedene Versandarten an – etwa Versand als Warensendung oder Paket beim selben Frachtführer oder gar Versand über verschiedene Frachtführer, wären jeweils getrennte Szenarien für diese Gewichts- und Volumengrenzen zu berücksichtigen. Das gilt auch für den Fall des Auslandsversands, bei welchem die Grenzen u.U. anders liegen.
Auch besondere Versandkonstellationen müssten beachtet werden, etwa der Versand gefährlicher Güter, die nur getrennt versendet werden können (z.B. keine Einlieferung in Packstationen erlaubt) oder bei Versandwunsch an eine Packstation die Höchstmaße der Sendung.
Ferner steht und fällt der „Zusammenversand“ mit der Frage der Warenverfügbarkeit. Sofern sich ein Artikel noch im Zulauf befindet, und für den anderen eine kürzere Lieferfrist angegeben wurde, wird es im Regelfall auf einen getrennten Versand hinauslaufen.
Wollte der Händler eine dynamische Widerrufsbelehrung zum Einsatz bringen, müsste er zunächst enorme Investitionen in eine entsprechende Softwarelösung tätigen. Der Einsatz einer Warenwirtschaftssoftware wäre obligatorisch. Hier müssten dann für jeden Artikel im Sortiment dessen Gewicht, Volumen, Verpackungsanforderungen sowie weitere Besonderheiten wie etwa Gefahrguteigenschaft hinterlegt werden. Schließlich müssten dann die für die angebotenen Versandarten einschlägigen Szenarien (Gewichts- und Volumengrenzen, Beförderungsausschlüsse) eingepflegt werden. Dies würde je nach Sortimentsgröße einen unzumutbaren finanziellen und personellen Aufwand mit sich bringen, insbesondere, weil diese Daten natürlich auch aktuell gehalten werden müssen.
Nach Auffassung der IT-Recht Kanzlei kann eine dynamische Widerrufsbelehrung schon hinsichtlich des konkreten Fristbeginns in der Praxis nicht umgesetzt werden. Im eigenen Onlineshop mag es mit immensem Aufwand in technischer Hinsicht für die „Großen“ möglich sein, den neuen gesetzlichen Anforderungen zumindest nahe zu kommen. Für den durchschnittlichen Onlinehändler ist dies enorme technische und administrative Aufwand jedoch wohl kaum zu schultern.
Spätestens beim Verkauf über Plattformen ist die Verwendung einer dynamischen Widerrufsbelehrung zum Scheitern verurteilt, weil dem Händler hier in aller Regel gar nicht die technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, eine solche zu relaisieren.
Konkrete Höhe der Rücksendekosten von Speditionsware müsste vorab bekannt sein
Will der Händler nach neuem Recht im Falle des Verkaufs von Ware, die der Verbraucher nicht auf dem normalen Postwege an ihn zurücksenden kann (Speditionsware), dass der Verbraucher die Kosten der Rücksendung trägt, steht er vor einem weiteren gewaltigen Problem:
Der Gesetzgeber hält es für notwendig, dass der Verbraucher in einem solchen Falle bereits im Rahmen der vorvertraglichen Information über das Widerrufsrecht über die konkrete Höhe der Rücksendekosten informiert werden muss.
Diese Information bereits in diesem Stadium zur erteilen, ist jedoch regelmäßig ein Ding der Unmöglichkeit. Der Händler müsste bereits vor Abgabe der Bestellung wissen, welche Speditionskosten anfallen werden. Die Höhe dieser Kosten hängt jedoch in aller Regel wesentlich von der Entfernung ab, welche die Spedition zurücklegen muss. Ferner werden auch die konkreten Wohnumstände des Verbrauchers kostenmäßig zu berücksichtigen sein. Ein Klavier bei einem Verbraucher, der im Parterre wohnt wird wesentlich günstiger abzuholen sein, als bei einem Verbraucher, der im fünften Stock eines Hauses ohne Lift wohnt. Zudem hat der Verbraucher das Recht, selbst zu bestimmen, welche Spedition er letztlich mit der Rücksendung beauftragen möchte. Die Preise sind jedoch von Spedition zu Spedition unterschiedlich.
Ferner sieht das gesetzliche Muster auch keine Lösung für den Fall vor, dass der Verbraucher paketversandfähige Ware und Speditionsware einheitlich in einer Bestellung ordert. In diesem Falle kann es sein, dass er den Kaufvertrag komplett widerruft, dass er lediglich die paketversandfähige Ware zurückschicken möchte oder aber lediglich die Speditionsware. Die Kosten unterscheiden sich aber jeweils.
Auch der Fall, dass der Verbraucher mehrere Speditionsartikel einheitlich bestellt, ist nicht abzubilden. Kauf der z.B. eine Waschmaschine und einen Trockner im Rahmen einer Bestellung, müsste darüber informiert werden, was die gleichzeitige Rücksendung von beiden Geräten kosten wird, was die Rücksendung von Trockner bzw. Waschmaschine jeweils einzeln kosten wird und dass die zuletzt genannten Kosten kumulativ anfallen können, wenn der Verbraucher sich zunächst für die Rücksendung der Waschmaschine entschließt, und deutlich später für die Rücksendung auch des Trockners.
Auch in diesem Punkt geht der Gesetzgeber anscheinend davon aus, dass der Händler in der Lage sei, eine dynamische Widerrufsbelehrung vorzuhalten, bei welcher die Software im Hintergrund quasi in Echtzeit die anfallenden Speditionskosten – in Abhängigkeit von den konkreten Parametern der Bestellung (z.B. Entfernung zum Verbraucher) berechnen kann. Auch dies ist in der Praxis u.E. schlicht nicht umsetzbar, so dass hier nur die Möglichkeit verbleibt, mit einer vernünftigen Schätzung zu arbeiten.
Fazit:
Die oftmals als Lösung angepriesene dynamische Widerrufsbelehrung kann in der Praxis nicht die Lösung zur Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben sein. Selbst wenn ein Händler die erheblichen Investitionen in die Schaffung der technischen Notwendigkeiten und den laufenden Pflegeaufwand nicht scheut, kann auch eine dynamische Widerrufsbelehrung nicht sämtliche vom Gesetzgeber angedachten Informationspflichten erfüllen. Und genau diese Lücken dürften dann von diversen Abmahnern gezielt ausgenutzt werden.
In der Praxis ist die eine dynamische Widerrufsbelehrung nicht zu realisieren.
Die IT-Recht Kanzlei ermöglicht ihren Mandanten auch nach neuem Verbraucherrecht, beim Verkauf von Waren weiterhin mit einer statischen Widerrufsbelehrung zu arbeiten. Und dies ganz ohne die immensen Investitionen, welche die Einrichtung einer dynamischen Widerrufsbelehrung mit sich bringen würde.
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