Haftet der Domain-Registrar für Rechtsverletzungen Anderer? Nur subsidiär!
Auf einer Online-Plattform finden massenweise Urheberrechtsverletzungen statt. Der Domain-Inhaber hat seinen Sitz im Ausland und ist nicht greifbar. Kann ein Rechteinhaber nun gegen den Domain-Registrar vorgehen, der im Auftrag des Domain-Inhabers die Domain für diesen registrieren und konnektieren ließ? Unter welchen Voraussetzungen ein Registrar für die Rechtsverletzung Anderer haftet, hat der BGH mit Urteil vom 15.10.2020 (Az. I ZR 13/19) entschieden …
Inhaltsverzeichnis
Auf einer Online-Plattform finden massenweise Urheberrechtsverletzungen statt. Der Domain-Inhaber hat seinen Sitz im Ausland und ist nicht greifbar. Kann ein Rechteinhaber nun gegen den Domain-Registrar vorgehen, der im Auftrag des Domain-Inhabers die Domain für diesen registrieren und konnektieren ließ? Unter welchen Voraussetzungen ein Registrar für die Rechtsverletzung Anderer haftet, hat der BGH mit Urteil vom 15.10.2020 (Az. I ZR 13/19) entschieden …
1. Hintergrund
Wer eine Domain auf sich registrieren lassen will, benötigt einen so genannten Domain-Registrar, der die Registrierung für ihn bei der zuständigen Domain-Registrierungsstelle vornimmt. Registrierungsstellen sind z.B. die DENIC e.G. (für die Top-Leve-Domain „.de“) oder die ICANN (für die Top-Leve-Domain „.com“). Der Registrar teilt der Registrierungsstelle die Daten seines Kunden für die Konnektierung der Domain mit.
In der aktuellen BGH-Entscheidung ging es (vereinfacht) um folgenden Sachverhalt:
Die ausschließliche Nutzungsrechtsinhaberin der Rechte an einem Musikalbum stellte fest, dass dieses Album unter der Domain „h33t.com“ auffindbar und downloadbar war (File-Sharing). Dies geschah ohne Berechtigung. Bei Urheberrechtsverletzungen besteht u.a. ein Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs.1 S.1 UrhG. Die Plattenfirma (Tonträgerhersteller) kann sich als Rechtinhaberin auf §§ 85 Abs.1, 97 Abs.1 S.1 UrhG berufen.
Einen Unterlassungsanspruch konnte sie anscheinend jedoch nicht gegen den Domain-Inhaber, ein auf den Seychellen ansässiges Unternehmen, oder gegen andere Beteiligte (z.B. Host-Provider) durchsetzen. Sie entschied sich, gegen den „greifbaren“ Registrar vorzugehen und zog gegen diesen in Deutschland vor Gericht. Im streitgegenständlichen Fall verwies der BGH den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurück, da es an erforderlichen Tatsachenfeststellungen fehlte.
2. Voraussetzungen der Haftung des Registrars
Von grundlegender Bedeutung ist das BGH-Urteil mit Blick auf die Frage der Haftung des Registrars, der ja schließlich die Rechtsverletzung nicht selbst vorgenommen, sondern nur im Auftrag eines Kunden die Domain registriert und für die Konnektierung der Domain gesorgt hat.
Der Registrar ist also nicht Täter oder Teilnehmer der urheberrechtswidrigen Handlung. Er hat sie weder selbst begangen, noch als Gehilfe des Täters an ihr mitgewirkt.
In solchen Fällen kommt die von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsfigur der so genannten „mittelbaren Störerhaftung“ ins Spiel: Störer ist, wer willentlich und/oder adäquat kausal die Beeinträchtigung, die von einem Dritten ausgeht, mitverursacht hat.
Und dies hat der Registrar: Er hat nämlich für die technische Konnektierung der Domain gesorgt. Als Störer wird allerdings nur gehaftet bei Verletzung zumutbarer Prüfpflichten, deren Beurteilung sich nach dem Einzelfall richtet. Eine anlasslose Prüfpflicht besteht grundsätzlich nicht - es ist zunächst ein Hinweis erforderlich, damit der Störer Kenntnis von der Rechtsverletzung erhält und sodann seinen zumutbaren Prüfpflichten nachkommen kann.
In dem aktuellen Urteil stellt der BGH fest, dass eine Haftung des Registrars auf Dekonnektierung der Domain entsprechend den Grundsätzen der mittelbaren Störerhaftung des Internetzugangsproviders (Access-Provider) in Betracht kommt und fasst die Voraussetzungen der Störerhaftung des Registrars in den Leitsätzen des Urteils vom 15.10.2020 zusammen:
1. Der Registrar einer Internetdomain, der im Auftrag des zukünftigen Domaininhabers der Registrierungsstelle die für die Registrierung der Domain erforderlichen Daten mitteilt und auf diese Weise an der Konnektierung der Domain mitwirkt, haftet als Störer für die Bereitstellung urheberrechtsverletzender Inhalte unter der registrierten Domain nach den für Internetzugangsvermittler geltenden Grundsätzen auf Dekonnektierung der Domain (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2015 - I ZR 174/14, BGHZ 208, 82 - Störerhaftung des Accessproviders).
2. Die Störerhaftung des Registrars tritt ein, wenn der Registrar ungeachtet eines Hinweises auf eine klare und ohne weiteres feststellbare Rechtsverletzung die Dekonnektierung unterlässt, sofern unter der beanstandeten Domain weit überwiegend illegale Inhalte bereitgestellt werden und der Rechtsinhaber zuvor erfolglos gegen diejenigen Beteiligten vorgegangen ist, die - wie der Betreiber der Internetseite - die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder - wie der Host-Provider - zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben, sofern nicht einem solchen Vorgehen jede Erfolgsaussicht fehlt.
3. Der die Haftung des Registrars auslösende Hinweis muss sich auf alle für die Haftungsbegründung relevanten Umstände - Rechtsverletzung, weit überwiegende Bereitstellung illegaler Inhalte sowie erfolglose oder unmögliche vorrangige Inanspruchnahme anderer Beteiligter - beziehen und insoweit hinreichend konkrete Angaben enthalten.
3. Fazit
Die Antwort auf die Frage der Haftung des Registrars für Rechtsverletzungen Anderer lautet also, dass er nur subsidiär haftet, denn zunächst sind andere Beteiligte vorrangig in Anspruch zu nehmen. Nur falls dies nicht möglich oder erfolglos ist, kommt der Registrar als Anspruchsgegner in Betracht.
Sind alle Voraussetzungen erfüllt, hat der Rechteinhaber einen Anspruch gegen den Registrar auf Veranlassung der Dekonnektierung der Domain.
Dies wird nur gelingen, wenn die unter der Domain veröffentlichten Inhalte größtenteils rechtswidrig sind. Handelt sich beispielswiese um eine Online-Plattform, auf der nur sehr wenige urheberrechtswidrige Inhalte zu finden sind, die meisten also rechtskonform online verfügbar sind, wird der Rechteinhaber keine Dekonnektierung der Domain erreichen. Dies wäre nicht verhältnismäßig, denn eine Dekonnektierung hätte zur Folge, dass sämtliche Inhalte, auch die zulässigen, offline gingen.
In der Praxis kommt außerdem dem erforderlichen Hinweis eine besondere Bedeutung zu – zu beachten ist, dass alle für die Haftungsbegründung relevanten Umstände zu nennen sind.
Anspruch auf Dekonnektierung der Domain - Zusammenfassung der Voraussetzungen der Störerhaftung des Registrars:
1. Erfolglose oder unmögliche vorrangige Inanspruchnahme anderer Beteiligter
Erfolgloses Vorgehen gegen Beteiligte, die die Rechtsverletzung selbst begangen oder durch die Erbringung von Dienstleistungen zur Rechtsverletzung beigetragen haben, z.B. der Betreiber der Internetseite bzw. der Host-Provide (Ausnahme: Vorgehen gegen diese Beteiligten hat keine Erfolgsaussicht)
2. Hinweis auf klare und ohne weiteres feststellbare Rechtsverletzung
Der Hinweis an den Registrar muss hinreichend konkrete Angaben enthalte zu
- Rechtsverletzung
- erfolglose oder unmögliche vorrangige Inanspruchnahme anderer Beteiligter
- weit überwiegende Bereitstellung illegaler Inhalte
3. weit überwiegend illegale Inhalte
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1 Kommentar
mein Name ist Michael Gehlert, u.a. zertifizierter IT-Sachverständiger und IT-Forensiker im anwaltlichen Umfeld.
Das Thema "(Mit)Störerhaftung von online-Services" ist hier m.E. gut behandelt und auch für Laien leichtverständlich aufbereitet.
Allerdings fehlt ein wichtiger Aspekt: der internationale globale Charakter der eigentlichen Problemstellung und wie es um die Durchsetzung von berechtigten Ansprüchen steht. Mir ist klar, dass es sich oftmals um komplexe, sehr umfangreiche Sachverhalte handel, die an dieser Stelle nicht einmal ansatzweise behandelt werden können. Dennoch wäre es m.E. für betroffene äußerst hilfreich, zumindest eine grobe Hilfestellung zur sinnvollen Herangehensweise als, mehrere Punkte umfassende Checkliste, die Juristen für sinnvoll erachten, zu erhalten.
Beispiel: Ein mittles Anonymisierungsdienst, oft auch als "Whois-Schutzdienst" bezeichnet und exemplarisch hier mit "Withheld for Privacy ehf" mit Sitz auf Island aufgeführt verhindert, dass betroffene Geschädigte/Rechteinhaber u.a. Namen, Adresse, Telefonnummer und E-Mail des/der Domainveranwortlichen durch eine Whois-Suche nach einer Domain herausfinden können. So sind anstelle von den Adressinformationen des Inhabers und des administrativen Kontaktes (Admin-C) der Domain, in die jeweils relevante, öffentliche Datenbank stellvertretend die Daten von Withheld for Privacy eingetragen. Dies ist ein ernstzunehmenden Hemmnis und dient in erster Linie der Verschleierungs- und Verzögerungstaktik welche bei juristisch erforderlichen Offenlegung der so "geschützen Kontaktdaten des eigentlichen Störers" Ich nenne es das "Denunzianten- und Heckenschützenprinzip", viel Zeit verstreichen läßt - Zeit welche der/die Geschädigte häufig nicht hat. Unternehmerisch betrachtet kann dies bedeuten, dass sich so wirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe anhäufen können, die bis zum Zusammenbruch eines betroffenen Unternehmen führen...
Ich würde mir wünschen, wenn dieses, oder andere relevante Themen, mit spezifischen Schwerpunkten weiter an dieser Stelle behandelt würden .
Mit besten Grüßen
Michael Gehlert