Rechtscheck: Kann ein selbst verfasster Disclaimer die Produkthaftung ausschließen?
Produkte aus diversen Kategorien begründen in Fällen des unsachgemäßen Gebrauchs beim Käufer ein gewisses Verletzungspotenzial. Händler, die dies erkennen, versuchen vielfach, sich über selbstformulierte Disclaimer abzusichern und so eine Haftung für Schäden beim Kunden auszuschließen. Doch ist dies rechtskonform möglich und sinnvoll? Wir klären auf.
Inhaltsverzeichnis
I. Selbstformulierte Disclaimer zur Produkthaftung
In diversen Angeboten von Produkten, deren nicht anleitungskonformer Gebrauch bestimmte Gesundheitsrisiken des Verwenders begründen kann, versuchen sich Händler vielmals durch pauschale Haftungsausschlüsse abzusichern.
Mit Formulierungen wie
- „Keine Haftung für Verletzungen durch Umgang mit dem Produkt“ oder
- „Für jegliche Art von Risiken oder Unfällen übernehmen wir keine Haftung." oder
- „Bitte Gebrauchsanleitung beachten. Die Haftung für Schäden aus nicht ordnungsgemäßem Gebrauch wird ausgeschlossen.“
soll die Verantwortung für Gefahren, die aus dem Umgang mit den Produkten resultieren, pauschal auf den Kunden abgewälzt werden.
So zumindest die Theorie. Immerhin will der Händler nicht dafür einstehen, dass Kunden Gebrauchshinweise missachten, Produkte falsch verwenden und sodann aufgrund Selbstverschuldens zu Schaden kommen.
II. Produkthaftung vs. eigenverantwortliche Selbstgefährdung
Inwiefern derartige Disclaimer rechtlich zulässig und sinnvoll sind, orientiert sich an der Verantwortlichkeitsverteilung und der Zurechnung im geltenden Schadensrecht.
Danach ist derjenige, der eine selbstgefährdende oder selbstschädigende Handlung selbst und in Kenntnis bzw. fahrlässiger Unkenntnis des Risikos vornimmt, für deren Folgen grundsätzlich selbstverantwortlich.
Benutzt ein Verwender ein ordnungsgemäß konzipiertes und produziertes sowie ansonsten mangelfreies Produkt auf eigene Verantwortung selbst unsachgemäß und/oder anleitungswidrig, ist er für dadurch eintretende Schäden auch selbst haftbar und kann erlittene Konsequenzen rechtlich nicht auf den verkaufenden Händler oder den Hersteller abwälzen. Es fehlt insoweit nämlich an einem Verantwortlichkeitszusammenhang.
Anders sieht das Ganze aus, wenn die Gefährlichkeit eines Produkts auf einem Produktfehler basiert und der Erwerber deswegen im Umgang mit dem Produkt zu Schaden kommt. Hier kann von einer eigenverantwortlichen Gefährdung nicht die Rede sein, denn von der mangelnden Produktsicherheit hatte der Erwerber keine Kenntnis.
In diesem Fall können erlittene Schäden sehr wohl kompensiert werden, und zwar
- über gewährleistungsrechtliche Schadensersatzvorschriften beim Händler (§§ 437 Nr. 3 i.V.m. 280 Abs. 1 BGB)
- über produkthaftungsrechtliche und deliktsrechtliche Vorschriften direkt beim Hersteller (§ 1 Abs. 1 ProdHaftG; § 823 Abs. 1 BGB)
Ein Anspruch gegen den Händler, der als bloßer Wiederverkäufer für den Produktfehler in den wenigsten Fällen verantwortlich sein wird, kann dabei aber nur begründet werden, wenn den Händler an der Schädigung des Kunden ein Verschulden trifft. Dies ist dann nicht der Fall, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Händler den Fehler und sein Risikopotenzial weder kannte noch hätte kennen müssen.
III. Disclaimer zur Produkthaftung ohne Sinn und oft sogar abmahnbar
Ausgehend von den Grundsätzen des Schadensrechts ergibt sich, dass für Disclaimer, die eine Haftung des Händlers für unsachgemäße Produktverwendungen ausschließen sollen, rechtlich überhaupt keine Notwendigkeit besteht.
Wer sich freiwillig und bewusst über Gebrauchsanweisungen und Verwendungsbestimmungen hinwegsetzt und dabei/dadurch zu Schaden kommt, ist für den Schaden selbst verantwortlich.
Verletzen sich Kunden im unsachgemäßen Umgang mit Produkten, können sie entstandene Schäden schon von Rechts wegen nicht auf den Händler abwälzen.
Dahingehende Disclaimer können bestenfalls also nur wiedergeben, was ohnehin per Gesetz gilt, und entbehren deshalb jeglicher Sinnhaftigkeit.
Werden Disclaimer zur Produkthaftung allerdings fälschlicherweise zu weit formuliert, begründen sie wegen Verstoßes gegen gesetzliche Ausschlussverbote ein eigenständiges Abmahnrisiko.
Haftungsausschlüsse werden von der ständigen Rechtsprechung nämlich als allgemeine Geschäftsbedingungen verstanden, die sich an den Klauselverboten der §§ 307 – 309 BGB messen lassen müssen.
Gemäß § 309 Nr. 8 b BGB können Händler ihre Mängelhaftung (auch diejenige für mangelbedingte Gesundheitsschäden) nicht wirksam ausschließen. Klauseln, die dies dennoch zu tun versuchen, sind unzulässig und abmahnbar.
Gleichermaßen können Hersteller Produkthaftungsansprüche nach § 14 ProdHaftG nicht wirksam abbedingen.
Beziehen sich selbst formulierte Disclaimer nun allgemein auf „Schäden im Umgang mit Produkten“, "Risiken und Unfälle" oder auf „verwendungsspezifische Risiken“, wird der Haftungsausschluss in unzulässiger, abmahnbarer Weise auch auf Gestaltungen erstreckt, in denen Produktfehler die Verletzungsursache sind und für die nach Gesetz eine Einstandspflicht nicht ausgeschlossen werden kann.
IV. Fazit
Von selbst formulierten Disclaimern zur Produkthaftung ist zwingend abzuraten.
Sofern damit Sachverhalte adressiert und Ersatzansprüche in Fällen ausgeschlossen werden sollen, in denen ein Verwender durch unsachgemäßen Produktumgang zu Schaden kommt, entbehren sie aller Sinnhaftigkeit. Schon per Gesetz können Händler hier nämlich nicht in Anspruch genommen werden.
Selbst formulierte Disclaimer bergen aber zusätzliche Abmahnrisiken, weil sie oft zu pauschal und ausgedehnt ausgestaltet werden und dann gegen gesetzliche Abweichungsverbote der Gewährleistungs- und Herstellerprodukthaftung verstoßen.
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