Auswirkungen der neuen EuGH-Rechtsprechung auf den Verkauf von sonstigen digitalen Waren im Wege des Downloads?
Mit dem Urteil des EuGH vom 03.07.2012 (Rechtssache C 128/11) in dem Verfahren UsedSoft gegen Oracle ist die Problematik der Erschöpfung des Verbreitungsrechts an Software, die im Wege des Downloads verkauft werden, für Software eindeutig entschieden worden.
Inhaltsverzeichnis
Dieser Beitrag will sich mit folgenden Fragen beschäftigen:
- Was war der Inhalt der EuGH-Entscheidung zum Erschöpfungsgrundsatz bei Computerprogrammen?
- Hat der EuGH auch Aussagen bzgl. der Erschöpfung außerhalb der Anwendbarkeit der §§ 69a ff. UrhG bzw. der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen getroffen?
- Lässt die Argumentation des EuGH zur Erschöpfung Rückschlüsse auf die Erschöpfung auch bei anderen im Wege des Downloads erworbenen digitalen Werken, wie z.B. Musik oder E-Books im Rahmen des (allgemeinen) § 17 UrhG zu?
1. Inhalt der Entscheidung
Gem. § 69c S. 1 Nr. 3 S.1 UrhG steht das Recht das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Computerprogramms zu verbreiten grundsätzlich ausschließlich dem Rechtsinhaber zu. Dieses erschöpft sich gem. § 69c S. 1 Nr. 3 S. 2 UrhG jedoch (mit Ausnahme des Vermietrechts) dann, wenn ein Vervielfältigungsstück mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Gebiet der EU oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht wird.
In seiner Entscheidung hatte der EuGH nun u.a. darüber zu entscheiden, ob diese Erschöpfung auch dann eintritt, wenn der Rechtsinhaber das Computerprogramm über einen Download-Angebot im Internet verkauft oder nur dann, wenn eine auf einem materiellen Datenträger verkörperte Kopie in Verkehr gebracht wird.
Das Ergebnis vorweg: Auch der Verkauf einer Kopie der Software über einen Download führt zur Erschöpfung des Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers! Oder andersherum: Dem Erwerber steht es frei, die Kopie weiterzuverkaufen.
Eine direkte Aussage, ob dies auch für andere urheberrechtliche geschützte Werke als Computerprogramme gilt, lässt sich dem Urteil dagegen nicht entnehmen. Der EuGH zieht sich vielmehr auf die Aussage zurück, dass
„selbst wenn sich aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft [auf welche § 17 UrhG zurückgeht] ergäbe, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts bei den unter diese Richtlinie fallenden Werken nur materielle Güter beträfe, ließe dies die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen [auf welche die §§ 69a ff. UrhG zurückgehen] unberührt, da der Unionsgesetzgeber im konkreten Kontext dieser Richtlinie einen anderen Willen zum Ausdruck gebracht hat.“
2. Auswertung der Argumentation
Mangels einer ausdrücklichen Aussage des EuGH ist also zu untersuchen inwieweit seine Argumentation auch in diesem Sinne fruchtbar gemacht werden kann. Auf welche Überlegungen stützt der EuGH seine Entscheidung bezüglich Computerprogramme und sind diese Gedanken auf den Schutz anderer Werke übertragbar?
Der EuGH führt aus, die „Veräußerung eines Computerprogramms auf CD-ROM oder DVD und die Veräußerung eines Computerprogramms durch Herunterladen aus dem Internet [seien] wirtschaftlich gesehen vergleichbar“.
Dem ist zuzustimmen. Wir leben in einer digitalisierten Welt, in der das Internet auch und gerade im Hinblick auf Verkaufsvorgänge eine immer größere Bedeutung erlangt. Das Internet stellt dabei sowohl aus Verkäufer- als auch aus Käufersicht lediglich einen weiteren Vertriebsweg neben dem physischen Verkauf dar. Ein wirtschaftlicher Unterschied, der eine rechtlich abweichende Beurteilung vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes rechtfertigt, besteht dagegen nicht.
Des Weiteren beruft sich der EuGH auf Sinn und Zweck des Erschöpfungsgrundsatzes. Dieser liegt „darin [...], die Einschränkungen der Verbreitung dieser Werke auf das zum Schutz des spezifischen Gegenstands des betreffenden geistigen Eigentums Erforderliche zu begrenzen, um so eine Abschottung der Märkte zu vermeiden“.
Der EuGH führt weiter aus, dass „würde die Anwendung des Grundsatzes der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 [...] auf Programmkopien beschränkt, die auf einem materiellen Datenträger gespeichert sind, könnte der Urheberrechtsinhaber den Wiederverkauf von aus dem Internet heruntergeladenen Kopien kontrollieren und bei jedem Wiederverkauf erneut ein Entgelt verlangen, obwohl ihm bereits der Erstverkauf der betreffenden Kopie ermöglicht hat, eine angemessene Vergütung zu erzielen. Eine solche Beschränkung des Wiederverkaufs von aus dem Internet heruntergeladenen Programmkopien ginge über das zur Wahrung des spezifischen Gegenstands des fraglichen geistigen Eigentums Erforderliche hinaus “.
Im Lichte der Warenverkehrsfreiheit ist der Gerichtshof damit darauf bedacht, einer Beschränkung der Marktfähigkeit von auf welche Weise auch immer in Verkehr gebrachten Kopien eines Werkes den Riegel vorzuschieben, da der Rechtsinhaber bereits mit dem Erstverkauf die Möglichkeit hat, eine angemessene Vergütung zu erzielen, und seinen Interessen damit genüge getan ist.
Diese Argumentation lässt sich eins zu eins auf den Schutz anderer Werke gem. § 17 UrhG übertragen. Es bestehen insoweit keinerlei Gründe, die Reichweite des Erschöpfungsgrundsatzes anders zu bewerten, als bei Computerprogrammen.
3. Normenherkunft
Unterschiede könnten sich aber aus der Herkunft der Normen ergeben. Während die §§ 69a ff. UrhG für Computerprogramme auf die Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen zurückgehen, basiert § 17 UrhG auf der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG bestimmt, dass der „gewährte Schutz [...] für alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen“ gilt. Im siebten Erwägungsgrund wird ausgeführt, dass für die Zwecke dieser Richtlinie der Begriff ‚Computerprogramm‘ Programme in jeder Form umfasst. Auch hieraus leitet der EuGH ab, dass deshalb zumindest in diesem Bereich auch bei Verkauf einer nicht-körperlichen Kopie Erschöpfung eintritt.
Doch auch Richtlinie 2001/29/EG enthält eine ähnliche Regelung, da Art. 4 Abs. 1 vom Recht des Urhebers auf Verbreitung in beliebiger Form spricht. Dies muss dann systematisch auch für die Erschöpfungsregelung in Art. 4 Abs. 2 gelten. Auch die Berücksichtigung von Erwägungsgrund 28 der Richtlinie führt nicht zwingend zu einem anderen Ergebnis. Dort wird ausgeführt, dass „der unter diese Richtlinie fallende Urheberrechtsschutz [...] auch das ausschließliche Recht [einschließt], die Verbreitung eines in einem Gegenstand verkörperten Werks zu kontrollieren. “ Daraus kann aber nicht unbedingt geschlossen werden, dass die Vorschriften auf die Verbreitung einer nicht in einem Gegenstand verkörperten Kopie keine Anwendung finden. Denn der Einschluss des Rechts an verkörperten Werken bedeutet nicht den Ausschluss des Rechts an nicht-verkörperten Werken.
Am ehesten könnten man die Beschränkung des Erschöpfungsprinzips nur auf verkörperte Werke noch aus den Gemeinsamen Erklärungen zu den Art. 6 und 7 des WIPO-Urheberrechtsvertrags ziehen. Während Art. 6 sich mit dem Verbreitungsrecht und dessen Erschöpfung befasst, wird in diesen Erklärungen ausgeführt, dass die Vorschrift sich ausschließlich auf Vervielfältigungsstücke, die als körperliche Gegenstände in Verkehr gebracht werden können, bezieht.
Art. 6 des Urheberrechtsvertrages findet jedoch sowohl auf Computerprogramme, als auch auf andere Werke Anwendung. Wenn diese Vorschrift einer Erstreckung der Erschöpfung auf Verkäufe nicht materiell verkörperter Kopien bei Computerprogrammen also nicht entgegensteht – wie es nach der Entscheidung des EuGH der Fall ist - spricht viel dafür, dass für andere Werke im Rahmen des § 17 UrhG eine parallele Wertung zu treffen ist.
4. Fazit
Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts, und damit das Recht des freien Weiterverkaufs einer Programmkopie, die per Download über das Internet gekauft wurde, steht nach dem Urteil des EuGH fest. Der Gerichtshof äußerte sich nicht dazu, ob dieses Ergebnis auch auf andere urheberrechtliche geschützte Werke wie z.B. Musik oder E-Books, die im Wege des Downloads gekauft werden, zu übertragen ist.
Diesen Schluss legt eine Würdigung der gerichtlichen Argumentation jedoch nahe. Eine deutliche Stärkung der Marktfähigkeit per Download erworbener Güter auch abseits von Computerprogrammen scheint sich durch dieses Urteil abzuzeichnen
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