Oberstes französisches Gericht: Verbraucherschutzvorschriften können unter Umständen auch für juristische Personen gelten
Nach einer Entscheidung des obersten französischen Gerichts (Cour de Cassation) vom 13.04.2023 (Cour de Cassation, Cass. 1e civ. 13-4-2023 n° 21-23.312 F-D) können bestimmte Regelungen zum Fernabsatzrecht unter Umständen auch für juristische Personen gelten und damit zu einem gesetzlichen Widerrufsrecht für ein Unternehmen führen.
Inhaltsverzeichnis
1. Sachverhalt
Der Vertreter einer Telefongesellschaft hatte einer Apotheke telefonisch den Abschluss eines Mobilfunkvertrages angeboten, den die Betreiberin der Apotheke annahm. Später hat diese den Abschluss des Mobilfunkvertrages nach Verbraucherrecht widerrufen. Die Telefongesellschaft hielt den Widerruf für unwirksam und bestand auf die Einhaltung des geschlossenen Vertrages. Da die Apothekenbetreiberin dies nicht einsah, rief die Telefongesellschaft das Handelsgericht an, um die Apotheke auf Zahlung der Vergütung zu verklagen. Das Handelsgericht sowie das zweitinstanzlich mit dem Fall befasste Berufungsgericht gaben der Klage statt. Die Bestimmungen des Verbraucherrechts seien bei Verträgen zwischen zwei juristischen Personen nicht anzuwenden.
Das Kassationsgericht hatte zu entscheiden, ob sich die beklagte Apotheke als juristische Person auf das Verbraucherrecht und damit auf die Möglichkeit eines Widerrufs berufen konnte.
Dabei spielte die erweiterte Anwendbarkeit von Verbraucherschutzvorschriften auf kleine Unternehmen nach französischem Recht (Code de la consommation, Article L 221-3) eine entscheidende Rolle:
Les dispositions des sections 2, 3, 6 du présent chapitre applicables aux relations entre consommateurs et professionnels, sont étendues aux contrats conclus hors établissement entre deux professionnels dès lors que l'objet de ces contrats n'entre pas dans le champ de l'activité principale du professionnel sollicité et que le nombre de salariés employés par celui-ci est inférieur ou égal à cinq.
Die Bestimmungen der Abschnitte 2, 3 und 6 dieses Kapitels, die für die Beziehungen zwischen Verbrauchern und Unternehmern gelten, werden auf Verträge ausgedehnt, die außerhalb von Geschäftsräumen zwischen zwei Unternehmern geschlossen werden, sofern der Gegenstand dieser Verträge nicht zur Haupttätigkeit des angesprochenen Unternehmers gehört und die Zahl der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht mehr als fünf beträgt.
2. Entscheidung des Gerichts
Das Kassationsgericht gab der beklagten Apotheke recht. Im vorliegenden Fall sei bei weniger als fünf beschäftigten Arbeitnehmern nur zu prüfen, ob der Abschluss des Mobilfunkvertrages zur Haupttätigkeit der Apotheke gehörte, was das Kassationsgericht verneinte. Nach Article L 221-3 seien die Regelungen zum Widerrufsrecht für Verbraucher daher auf die beklagte Apotheke anzuwenden, mit der Folge, dass diese sich ausnahmsweise auf ein Widerrufsrecht berufen konnte.
3. Fazit
Juristische Personen, die in Frankreich niedergelassen sind, können bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen mit einem anderen Unternehmen geschlossen werden, ggf. Verbraucherrechte geltend machen. Wenn das französische Unternehmen nachweisen kann, dass der Vertrag mit einem Onlinehändler aus Deutschland nicht zu seiner Haupttätigkeit gehört und wenn das Unternehmen weniger als fünf Mitarbeiter beschäftigt, kann es sich nach Article L 221-3 auf das französische Verbraucherrecht berufen.
Eine entsprechende Regelung gibt es im deutschen Recht nicht. Danach können sich in Deutschland ausschließlich Verbraucher auf gesetzliche Verbraucherschutzvorschriften berufen.
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