Corona-Virus: Widerrufsrecht für Atemmasken?
Nicht zuletzt aufgrund der im Herbst erneut stark ansteigenden Corona-Infektionszahlen sind Mund-Nasen-, Community- und sonstige Masken wieder vermehrt in und auf aller Munde und werden mehr denn je im Internet bestellt. Kritisch stehen Online-Maskenanbieter hierbei aber Verbraucherwiderrufsbegehren gegenüber – vor allem, wenn die Masken bereits getragen wurden. Ob, unter welchen Voraussetzungen und für welche Typen von Masken ein Verbraucherwiderrufsrecht gewährt werden muss, klären wir im folgenden Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
- I. Kein Widerrufsausschluss durch das Tragen der Maske
- II. Kein Widerrufsausschluss für Mund-Nasen- und Community-Masken bei Entsiegelung
- III. Wertersatz bei übermäßiger Benutzung von Mund-Nasen- und Community-Masken
- IV. Ausnahmsweise: Widerrufsrechtsauschluss bei Entsiegelung von medizinischen und FFP-Masken
- V. Vorsicht bei rechtlichen Hinweisen
- VI. Fazit
Informationen zu den rechtlichen Anforderungen beim Verkauf selbstgefertigter Atemmasken stellt die IT-Recht Kanzlei in diesen FAQ bereit.
I. Kein Widerrufsausschluss durch das Tragen der Maske
Viele Online-Händler, die Community- oder sonstige Atemmasken im Sortiment haben, unterliegen der rechtlichen Fehleinschätzung, dass ein bloßes Tragen einer bestellten Maske zum Ausschluss des Widerrufsrechts führe.
Diese Auffassung ist rechtlich nicht haltbar, weil das Gesetz für gebrauchte oder benutzte Artikel bei der Gewährung des Widerrufrechts gerade keine abweichende Handhabung ermöglicht.
Vielmehr geht aus § 357 Abs. 8 BGB ausdrücklich hervor, dass Verbraucher Waren auf Ihre Eignung hin müssen testen dürfen und hierfür nicht mit negativen Widerrufsfolgen bedacht werden dürfen.
Für Produkte, die dafür bestimmt sind, am Körper getragen zu werden, erfasst dieses „Testrecht“ nach ständiger Rechtsprechung ausdrücklich auch das Anprobieren.
II. Kein Widerrufsausschluss für Mund-Nasen- und Community-Masken bei Entsiegelung
Kann schon das bloße Tragen der Masken ein Widerrufsrecht nicht abbedingen, erwägen viele Online-Händler eine Berufung auf den Ausschlussgrund des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB. Dieser regelt einen Widerrufsausschluss für Produkte, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung entfernt wurde.
Für Mund-Nasen- und Communitymasken kommt ein derartiger Widerrufsausschluss allerdings nicht in Betracht.
Hintergrund ist, dass es sich bei solchen Masken gerade nicht um medizinische oder sonstwie über eine nachgewiesene Schutzwirkung verfügende Masken handelt.
Sind Masken bloß für die Bedeckung der Atemorgane geeignet, ohne durch spezielle Elemente zur Filterung von Partikeln für medizinische Ziele oder als persönliche Schutzausrüstung (PSA) ausgelegt zu sein, handelt es sich bei ihnen nicht um tatbestandliche „Produkte für den Gesundheitsschutz oder die Hygiene“.
Für (selbstgenähte) Mund-Nasen- oder Community-Masken, die weder Medizinprodukte noch PSA sind, greift der Ausschlussgrund des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB daher nicht.
Dies sieht auch die Rechtsprechung so, welche unter den Ausschlusstatbestand all solche Produkte nicht einordnet, deren Verkehrsfähigkeit der Unternehmer durch Reinigung wiederherstellen kann (Palandt, BGB, § 312g, Rn. 6). Gerade dies gilt aber für (selbstgenähte) Mund-Nasen- und Community-Masken.
III. Wertersatz bei übermäßiger Benutzung von Mund-Nasen- und Community-Masken
Kann für (selbstgenähte) Mund-Nasen und Community-Masken ein Widerrufsrecht anfänglich nicht ausgeschlossen werden, stehen bei der übermäßigen Nutzung aber Wertersatzansprüche im Raum.
Aus § 357 Abs. 8 BGB geht nämlich hervor, dass Händler im Widerrufsfall bei übermäßiger Produktnutzung einen Wertersatzanspruch geltend machen können. Dieser kann direkt mit dem rückzuerstattenden Kaufpreis verrechnet werden.
Auch wenn die Benutzung eines Produkts (vorliegend der Mund-Nasen- oder Community-Maske) sich auf das „Ob“ des Widerrufsrechts nicht auswirkt, kann eine übermäßige Nutzung den Rückzahlungsanspruch des Verbrauchers schmälern.
Ein Wertersatz ist immer dann zu leisten, wenn das vom Widerruf betroffene Produkt einen Wertverlust erlitten hat, der auf einem zur Prüfung der Beschaffenheit und Eigenschaften nicht (mehr) erforderlichen Umgang zurückzuführen ist.
Für Masken bedeutet dies grundsätzlich, dass ein bloßes Anprobieren zur Überprüfung der Passform und des Schnitts keine Wertersatzansprüche auslösen darf.
Anders sieht es aber aus, wenn die Maske tatsächlich benutzt, also zur Verwendung im Alltag getragen wurde.
Hierdurch entstandene Wertverluste oder Kosten, die für die Herstellung eines wiederverkaufsfähigen Zustands erforderlich sind (etwa Kosten für die professionelle Reinigung), kann der Händler als Wertersatz von der Rückerstattung abziehen.
Hierbei darf der Wertersatzanspruch je nach Art und Umfang des Wertverlustes betragsmäßig auch den ursprünglichen Kaufpreis erreichen mit der Folge, dass sich der Rückerstattungsbetrag auf 0 Euro beliefe.
Weitere Informationen zum Wertersatzanspruch des Händlers im Widerrufsfall stellt die IT-Recht Kanzlei in diesen ausführlichen FAQ bereit.
IV. Ausnahmsweise: Widerrufsrechtsauschluss bei Entsiegelung von medizinischen und FFP-Masken
Der Tatbestand des Widerrufsausschlusses gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB, der für (selbstgenähte) Mund-Nasen- und Community-Masken mangels entsprechender Schutzwirkungen nicht greift, kann unter Umständen aber für medizinische Masken und für PSA-Masken (filtrierende Halbmasken mit FFP-Qualifikation) gelten.
Für diese Produkte stehen Bedenken des Gesundheits- und Hygieneschutzes einer Rücknahme grundsätzlich entgegen, weil die Produkte nach erstmaligem Tragen gerade nicht wieder auf Ihren klinisch neutralen, voll funktionsfähigen Auslieferungszustand zurückgeführt werden können.
Für medizinische und für FFP-Masken ist nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB das Widerrufsrecht aber nicht per se ausgeschlossen.
Vielmehr wird der Ausschluss nur herbeigeführt, wenn der Verbraucher das Produkt entsiegelt, also eine schützende Versiegelung entfernt.
Für die Versiegelung nicht ausreichend sind bloße Klarsichtfolien oder Klebestreifen. Auch eine verschweißte Umverpackung genügen nicht.
Vielmehr muss das Hygienesiegel ausdrücklich als solches erkennbar sein und implizieren, dass mit dessen Bruch die Widerverkäuflichkeit aufgehoben wird. Hierzu kann etwa ein Aufkleber über einer Verpackungsschweißnaht dienen.
Zur Verdeutlichung der Siegeleigenschaft kann das Siegel auch mit einem Hinweis auf die Rechtsfolge des Siegelbruchs versehen werden, z.B.
Hygienesiegel – kein Verbraucherwiderruf nach Öffnung!
V. Vorsicht bei rechtlichen Hinweisen
Im Internet ist vielfach zu beachten, dass Händler versuchen, Maskenkäufer durch vermeintlich rechtliche Hinweise zu sensibilisieren und von der Geltendmachung ihres Widerrufsrechts abzuhalten.
„Aus Hygienegründen ist ein Widerruf nicht möglich“ oder „Nach Tragen kein Widerruf“ sind nur einige der unzähligen Beispiele.
Solche Hinweise sind aus wettbewerbsrechtlicher Hinsicht hochgefährlich, da die Rechtslage – wie oben gezeigt – viel komplexer ist. Gerade für Mund-Nasen- und Community-Masken besteht ein Verbraucherwiderrufsrecht unabhängig von einer Benutzung und kann nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
Wer Verbraucher durch falsche, missverständliche oder täuschende Hinweise aber von der Geltendmachung ihrer (gesetzlich zugestandenen) Rechte abhält, begeht eine abmahnbare wettbewerbsrechtliche Irreführung im Sinne des § 5 UWG.
Die IT-Recht Kanzlei rät beim Verkauf jeglicher Masken dringend davon ab, rechtliche Formulierungen eigenständig zu modifizieren und Textbausteine einzuspielen, die die Rechtslage verzerren.
Einerseits ist das Abmahnpotenzial hoch, andererseits besteht für zusätzliche Hinweise keinerlei Anlass, da sich alle rechtlichen Besonderheiten, Voraussetzungen und Konsequenzen des Verkaufs von Masken mit den gesetzlich vorgesehenen Musterbausteinen für die Widerrufsbelehrung zielführend abbilden lassen.
VI. Fazit
Auch wenn es der Denklogik nach seltsam anmutet, müssen Händler für Mund-Nasen- und Community-Masken (also Masken ohne medizinische Zweckbestimmung oder PSA-Qualität) ein unbeschränktes Widerrufsrecht einräumen – selbst dann, wenn die Masken bereits getragen wurden. Ihnen steht hier lediglich das Recht zu, gegebenenfalls einen Wertersatzanspruch geltend zu machen.
Etwas anderes gilt bei medizinischen und FFP-Masken. Diese sind aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet. Ein Widerrufsrecht ist daher nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen, wenn der Verbraucher eine eindeutig als solche erkennbare Versiegelung entfernt hat.
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2 Kommentare
Kann er sich auf den Hygiene Passus berufen, wenn die Masken selbst überhaupt nicht nach Hygienestandards verpackt und geliefert wurden?
Unsere Gesetzgeber sind die besten...traurig.