Half-Life 2: Neues BGH – Urteil zum Erschöpfungsgrundsatz bei Spiele-Software und zur zulässigen Beschränkung der Übertragung eines Online-Spieler-Kontos
Der BGH hat in seinem „Half-Life 2“ – Urteil nun entschieden, dass der urheberrechtliche Grundsatz der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nicht berührt ist, wenn die Nutzung einer Spiele-Software von der Einrichtung eines Online-Spieler-Kontos abhängt, welches nicht übertragbar ist. Eine Entscheidung, die für Spiele- und Softwarehersteller, aber auch für Spieler und Softwarenutzer sehr interessant ist.
I. Wie kann man „Half-Life 2“ spielen?
Das Computerspiel „Half-Life 2“, um das sich die Entscheidung dreht, kann folgendermaßen genutzt werden. Zunächst muss sich der Spieler die für das Spiel benötigten Computerprogramme entweder auf einer DVD-Rom kaufen oder entgeltlich bei dem Spielhersteller nach direkter Anmeldung über das Internet herunterladen. Nach der Installation kann das Spiel aber noch nicht genutzt werden. Dafür muss der Spieler zusätzlich eine Internetverbindung zu den Servern des Spielherstellers aufbauen und sich dort mittels einer individuellen Kennung ein persönliches Spielerkonto einrichten. Die individuelle Kennung erhält der Käufer im Rahmen des Erwerbs der Spiele-Software auf DVD oder per Download. Mit dem Erwerb der für das Spiel benötigten Computerprogramme kann immer nur einmalig ein Spielerkonto eingerichtet werden. Erst dann kann der Spieler das Spiel benutzen. Der Spielbetrieb ist offline nicht möglich, sondern lediglich online, wenn der PC des Spielers mit den Servern des Spielherstellers verbunden ist. Insbesondere hat das Onlinespielen gegen andere Spieler große Bedeutung bei diesem Spiel. Auch kann der Spieler durch den Online-Modus Upgrades des Spiels und weitere spielbezogene Leistungen erhalten.
Auf der DVD-Hülle ist folgender Hinweis zu finden:
„Um dieses Produkt verwenden zu können, müssen Sie dem Steam Subscriber Agreement ("SSA") zustimmen. Aktivieren Sie dieses Produkt per Internet, indem Sie ein Steam Konto beantragen und das SSA akzeptieren. Bitte informieren Sie sich vor dem Kauf unter www.steampowered.com/agreement über den Inhalt des SSA. Wenn Sie mit den Bestimmungen des SSA nicht einverstanden sind, geben Sie dieses Spiel ungeöffnet an Ihren Händler gemäß seinen Rückgabebestimmungen zurück.“
In dem auch in deutscher Sprache aufrufbaren "Steam Subscriber Agreement" ist u.a. folgendes geregelt:
„Es ist Ihnen untersagt, Ihr Benutzerkonto zu verkaufen, für dessen Nutzung Geld zu verlangen oder es anderweitig weiterzugeben.“
II. Liegt ein Verstoß gegen den Erschöpfungsgrundsatz vor?
Im vorliegenden Fall hat der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. den Spielhersteller auf Unterlassung nach §§ 1 UKlaG, 307 Abs.2 Nr.1 BGB, 17 Abs.2, 69c Nr.3 S.3 UrhG verklagt, weil er einen Verstoß gegen den urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz annahm.
1. Was bedeutet der Erschöpfungsgrundsatz überhaupt?
Der Urheber eines Werkes (Buch, Lied, Computerspiel) hat zunächst alleine sämtliche Verwertungsrechte an dem Werk, § 15 Abs.1 UrhG. Eines dieser Verwertungsrechte ist das sog. Verbreitungsrecht. Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen, § 17 Abs.1 UrhG. Somit kann zunächst nur der Urheber bestimmen, ob und wie er sein Werk verbreitet.
Der Erschöpfungsgrundsatz schränkt dieses Recht ein, um dem europaweit geltenden Grundsatz des freien Warenverkehrs gerecht zu werden. Der in § 17 Abs.2 UrhG normierte Erschöpfungsgrundsatz lautet:
Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden, so ist ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig.
Vereinfacht formuliert bedeutet der Erschöpfungsgrundsatz, dass nachdem ein Werk zum ersten Mal innerhalb der EU verkauft worden ist, jeder Weiterverkauf nicht mehr den Beschränkungen des Urhebers unterliegt. Das Recht des Urhebers die Art und Weise des Verkaufs zu bestimmen hat sich somit „erschöpft“.
Für Computerprogramme, zu denen auch Computerspiele zählen, gibt es in den §§ 69a – 69g UrhG Sonderregelungen. Für das Verbreitungsrecht und den Erschöpfungsgrundsatz gibt es jedoch die entsprechende Norm des § 69c Nr.3 UrhG. Dieser lautet:
Der Rechtsinhaber hat das ausschließliche Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten:
(…)
3. jede Form der Verbreitung des Originals eines Computerprogramms oder von Vervielfältigungsstücken, einschließlich der Vermietung. Wird ein Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht, so erschöpft sich das Verbreitungsrecht in bezug auf dieses Vervielfältigungsstück mit Ausnahme des Vermietrechts;
2. Wie hat der BGH im konkreten Fall entschieden?
Der BGH hat einen Verstoß gegen den Erschöpfungsgrundsatz verneint. Denn der auf der besonderen Ausgestaltung des Betriebs des Spiels beruhende Vertriebsweg werde nicht vom urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz erfasst. Die Argumentation im Einzelnen war wie folgt:
a. Keine Abweichung von wesentlichen Grundgedanken des Erschöpfungsgrundsatzes, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr.1 BGB
Der Erschöpfungsgrundsatz sei nicht betroffen, denn der freie Warenverkehr sei nicht eingeschränkt. Der Käufer einer DVD-Rom sei weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert diese an einen Dritten weiterzuveräußern. Lediglich die Weitergabe des Benutzerkontos sei untersagt. Der Umstand, dass der Dritte an dem Kauf der DVD ohne das dazugehörende Benutzerkonto kein Interesse haben möge, berühre das Verbreitungsrecht an der DVD-Rom und den Erschöpfungsgrundsatz nicht. Dies sei so bei Einschränkungen der rechtlichen oder tatsächlichen Verkehrsfähigkeit, welche nicht auf dem Verbreitungsrecht des Urhebers lägen, sondern auf anderen Umständen, wie der besonderen Gestaltung des Werkstückes. Denn der Urheber könne ein Werkstück so gestalten, dass es nur auf eine bestimmte Art und Weise genutzt werden könne. Sei dadurch die Nutzungsmöglichkeit bei einem Zweiterwerber ohne nennenswertes Interesse, so sei dies urheberrechtlich nicht zu beanstanden.
Die DVD-Rom könne von jedem weiteren Erwerber in der Weise genutzt werden, dass er das Spiel auf einem PC installieren könne. Sofern nicht ein früherer Erwerber mit der mitgelieferten Zugangsnummer ein Spielerkonto online eröffnet habe, könne der momentane Inhaber das Spiel auch spielen. Aber selbst wenn ein Spielerkonto bereits eröffnet worden sei, bestünde aus urheberrechtlicher Sicht kein Anspruch darauf, dass mit dem Erwerb des urheberrechtlich geschützten Spiels auf DVD-Rom auch eine derartige Nutzungsmöglichkeit eingeräumt würde.
b. Kein Verstoß gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB
Die Klausel formuliere klar und verständlich, dass das Konto nur einmal eröffnet werden könne und nicht übertragbar sei.
c. Keine Gefährdung des Erreichens des Vertragszwecks, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr.2 BGB
Richtigerweise sei hierbei nicht auf den Kaufvertrag über die DVD-Rom abzustellen, sondern auf den Vertrag über die Teilnahme am online angebotenen Spiel. Ungeachtet der Rechtsnatur dieses Vertrages gefährde das Verbot, die Rechte aus dem Vertrag auf Dritte zu übertragen, den Vertragszweck nicht. Denn Zweck des zwischen dem Anmelder des Benutzerkontos und dem Spielhersteller begründeten Vertragsverhältnisses sei es nicht irgendeiner Person die Teilnahme an dem Spiel zu ermöglichen; vielmehr sollten die Rechte und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis allein zwischen den Vertragsparteien begründet werden. Die Übertragung des Benutzerkontos stelle jedoch eine Vertragsänderung dar, die der Zustimmung des Spielherstellers bedürfte. Und auch mit dem Verbot der Übertragung könne der Vertragszweck - Spielen des Spiels - erreicht werden.
III. Worin liegt der Unterschied zu anderen Entscheidungen?
In vielen anderen Entscheidungen, u.a. der OEM-Entscheidung des BGH, wurde der Erschöpfungsgrundsatz bejaht. Worin liegt hier aber der Unterschied?
In den anderen Entscheidungen ging es jeweils um ein Werk, das für seine bezweckte Nutzung schon alle erforderlichen Elemente mit sich bringt; z.B. ein Buch oder ein PC-Spiel, dass offline gespielt werden kann. Im vorliegenden Fall ist die Spiele-Software, die entweder auf DVD-Rom oder online gekauft werden kann, lediglich ein Element, um das Online-Spiel spielen zu können. Für das Online-Spiel sind als weitere Elemente das Benutzerkonto und die Internetverbindung zu den Servern des Spielherstellers nötig. Erst alle Elemente zusammen ergeben die Nutzungsmöglichkeit. Dem Spielhersteller als Urheber ist es nicht verwehrt, das Spiel derart auszugestalten.
IV. Was an der Entscheidung rechtlich noch sehr interessant ist….
Für den Fall, dass der Käufer das Spiel nicht auf DVD-Rom, sondern als Download kauft, greift der Erschöpfungsgrundsatz von vornherein nicht. Denn § 69c Nr.3 UrhG erfasst nur körperliche Exemplare eines Programms. Dies hat der BGH in dieser Entscheidung zwar offen gelassen, jedoch hatte es die Vorinstanz - entsprechend der herrschenden Meinung - entschieden.
Der BGH hat die Frage offen gelassen, ob die Klausel überhaupt wirksam in den Vertrag einbezogen werde. Dazu müsste der Käufer vor Vertragsschluss die Möglichkeit haben, in zumutbarer Weise von der Klausel Kenntnis zu nehmen. Da es aber wiederum um den Vertrag für das Online-Spieler-Konto geht und nicht um den Kaufvertrag der DVD-Rom im Laden, dürfte die Klausel bei Vertragsschluss wirksam einbezogen werden.
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