Urteil des LG München als Rettung für Online-Coaches?
Tipp: Weiterführende Informationen finden Sie hier: "Coaching: Was ist aus rechtlicher Sicht zu beachten?"
Das Coaching-Business profitiert enorm von den technischen Möglichkeiten der digitalen Welt. Viele Coaches leben gut davon, ihre Skills durch Webinare, Gruppencalls und weitere Inhalte digital zu verbreiten. Doch viele Verträge von Coaches mit ihren Kunden könnten wegen Verstoßes gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) unwirksam sein. Die Folge: Die Kunden könnten ihr Geld zurückfordern. Einige Gerichte haben zu Gunsten der Kunden entschieden. Wir berichten nun aber über einen aktuellen Fall, in dem sich das LG München auf die Seite der Online-Coaches stellt.
Inhaltsverzeichnis
- I. Pflicht von Online-Coaches zur Rückzahlung von Kursentgelten?
- II. Die Vorschriften des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG)
- III. LG München: Bestimmte Online-Coachings sind kein Fernunterricht
- 1. Der Sachverhalt des Falls
- 2. Die Entscheidung des Gerichts
- IV. Auswirkung der Entscheidung auf Coaching-Verträge
- V. Das Wichtigste in Kürze
I. Pflicht von Online-Coaches zur Rückzahlung von Kursentgelten?
Seminare, Lehrgänge, Kurse, Coachings und ähnliche Veranstaltungen, die nicht ausschließlich in Präsenzform, sondern auch online stattfinden, können in den Anwendungsbereich des sog. Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) fallen und deshalb besonders strengen Vorschriften unterliegen.
Insbesondere bedarf ein Fernunterricht i.S.d. FernUSG der Zulassung durch die zuständige Behörde (§ 12 Abs. 1 FernUSG). Fehlt die erforderliche Zulassung, sind dieVerträge zwischen dem Kursanbieter und den Kunden unwirksam (§ 7 Abs. 1 FernUSG), was zur Folge hat, dass die Kunden vom Anbieter ggf. die Rückzahlung der von ihnen bereits gezahlten Kursentgelte fordern können.
Vermehrt bieten Anbieter umfangreiche Coachings an, nicht selten z.B. in Jahresgruppen, die viel Vorbereitung und Aufwand erfordern. Das ernsthafte Risiko, die mit den Kunden vertraglich vereinbarte Vergütung nicht beanspruchen zu können, würde da schnell zum Fiasko werden.
II. Die Vorschriften des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG)
Der Anwendungsbereich des FernUSG ist in dessen § 1 geregelt. Demnach ist Fernunterricht im Sinne des FernUSG:
- die auf vertraglicher Grundlage erfolgende
- entgeltliche
- Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten,
- bei der (Nr. 1) der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und
- der Lehrende (Nr. 2) oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.
Die ersten drei Kriterien sind typischerweise bei jedem Seminar, Kurs oder Coaching erfüllt, das der jeweilige Anbieter auf Grundlage eines kostenpflichtigen Vertrags seinen Kunden anbietet.
Die beiden Gretchenfragen, um die es sowohl in den Diskussionen mit der zuständigen Zulassungsbehörde, der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht mit Sitz in Köln, als auch bei Gerichtsverfahren zwischen Coaches und ihren Kunden um die Rückzahlung von Kursentgelten geht, sind die letzten beiden Punkte.
Gerade bei Online-Coachings bzw. -Kursen stellte sich die Rechtsfrage, ob diese "räumlich getrennt" (Nr. 1) in diesem Sinne sind - dem Wortlaut nach streng genommen schon. Zudem ist nicht immer ganz klar, in welchen Fällen eine sog. "Lernerfolgskontrolle" (Nr. 2) stattfindet, ob es hierzu etwa einer bestimmten Prüfung bedarf.
Viele Entscheidungen sind in diesem Zusammenhang zu Gunsten der Kunden ausgefallen. Das LG München beantwortet die Rechtsfragen in seiner aktuellen Entscheidung nun aber eher zu Gunsten der Coaches bzw. Anbieter.
III. LG München: Bestimmte Online-Coachings sind kein Fernunterricht
1. Der Sachverhalt des Falls
In dem Fall des LG München (Endurteil vom 12. Februar 2024 - Az. 29 O 12157/23) geht es um den folgenden Sachverhalt:
Ein Coaching-Unternehmen bieten seinen Kunden Online-Kurse und Online-Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung und Business-Aufbau an. Die spätere Klägerin schließt im Juni 2022 mit dem Unternehmen einen schriftlichen Coaching-Vertrag gegen Zahlung einer Vergütung von EUR 20.000,00.
Der Leistungsumfang wird im Vertrag wie folgt beschrieben:
1. Leistungsumfang
1.1. Das Programm - "..." ist ein 9-monatiges Coaching-Programm, das den Kunden in den Bereichen Persönlichkeitsentwicklung & Business Aufbau unterstützt.
1.2. Im Programmzeitraum von 9 Monaten werden dem Kunden die Programminhalte in Form von Zoom-Webinaren, Audio- und/oder visuellen Präsentationen und periodischen persönlichen Coachingeinheiten 1:1 und über den Messenger zur Verfügung gestellt. Der Kunde hat innerhalb dieser 9 Monate
- Zoom mindestens 3x pro Woche
- Zugang zur exklusiven Business Facebook Gruppe
- VIP Chat Support via WhatsApp
- Zugang zum Mitgliederbereich, der auch über die 9 Monate hinaus bestehen bleibt
- 1:1 Coachings nach Bedarf
Für das Coaching wurde eine Programmdauer vom Juni 2022 bis März 2023 vertraglich festgelegt.
Im Coaching sollte es inhaltlich um folgende Themen gehen:
- Positionierung,
- Aufbau einer eigenen Facebook-Gruppe,
- Interaktionsstrategien,
- Durchführen von Live-Calls auf Facebook,
- Aufbau einer treuen und kaufkräftigen Community,
- Schaffen einer Verbindung zur Community und
- Copywriting, um eigene Angebote gewinnbringend zu verkaufen.
Im Frühjahr 2023 kündigte die Kundin den Vertrag und forderte das gesamte Teilnahmeentgelt in Höhe von EUR 20.000,00 zurück. Da das Coaching-Unternehmen die Rückzahlung des Entgelts ablehnte, kam es schließlich zum Gerichtsverfahren.
Neben anderen Argumenten führte die Kundin insbesondere auch an, dass der Coaching-Vertrag wegen Verstoßes gegen das FernUSG nichtig sei und sie auch deshalb einen Anspruch auf Rückzahlung des Geldbetrags habe.
2. Die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht entschied im Ergebnis zu Gunsten des Coaching-Unternehmens: Es hielt die Leistungen des Coaching-Unternehmens nicht für Fernunterricht i.S.d. FernUSG und den Coaching-Vertrag auch deshalb nicht für unwirksam.
Die Entscheidung berührt insbesondere drei Punkte, die in der Coaching-Community gegenwärtig im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des FernUSG und der Zulassungsbedürftigkeit von Coaching- und ähnlichen Kursen diskutiert werden.
(1) (Keine) räumliche Trennung
Eine wesentliche Voraussetzung der Anwendbarkeit des FernUSG ist, dass der Lehrende und der Lernende räumlich getrennt sind (§ 1 Abs. 1 FernUSG).
Das Gericht stellt in seiner Entscheidung zunächst fest, dass der Begriff "räumlich getrennt" von der bisherigen Rechtsprechung unterschiedlich ausgelegt würde.
- Nach dem Wortlaut wäre an sich auf die physische räumliche Trennung abzustellen.
- So habe das LG Hamburg aber etwa (Urteil vom 19. Juli 2023 - Az. 304 O 277/22) ausgeführt, dass die Teilnahme mittels einer Videokonferenz nicht als Fall einer räumlichen Trennung i.S.d. § 1 FernUSG anzusehen sei, da es auf den direkten ("Live-") Kontakt zwischen dem Lehrendem und dem Lernendem bei der Wissensvermittlung ankomme.
- Weiter, so das LG München, müsse der Wortlaut des FernUSG, das am 1. Januar 1977 und daher lange vor dem digitalen Zeitalter in Kraft getreten sei, modern im Sinne der digitalen Zeit ausgelegt werden. Damals habe es weder Online-Coachings noch digitalen Unterricht gegeben, so dass der damalige Gesetzgeber solche Eventualitäten noch gar nicht berücksichtigen konnte. Lediglich auf die räumliche Trennung im physischen Sinne abzustellen würde dem heutigen digitalen Zeitalter nicht gerecht werden.
- Die Frage der Synchronität sei daher in einigen anderen Urteilen so entschieden worden, dass es letztlich nicht auf eine räumliche, sondern auf eine zeitliche Komponente ankomme. Das würde bedeuten, es müsste eine zeitliche Trennung zwischen dem vom Lehrenden "Unterrichteten" und dem vom Lernenden "Gelernten" geben. Zoom Calls würden vor diesem Hintergrund daher stets als synchron gelten, soweit sie live stattfinden, und nicht etwas ausschließlich in aufgezeichneter Form abgerufen werden können. Was dabei vom Lehrenden gesagt würde, würde auch unmittelbar durch den Lernenden aufgenommen und verarbeitet.
(2) (Keine) Lernerfolgskontrolle
Das LG München stellt zudem - mit Verweis auf die Rechtsprechung des BGH - keine allzu hohen Anforderungen an das Merkmal der Lernerfolgskontrolle (§ 1 Abs.1 Nr. 2 FernUSG). Diese Voraussetzung für die Anwendbarkeit des FernUSG sei weit auszulegen, d.h. an die Überwachung des Lernerfolgs i.d.S. seien eher geringe Anforderungen zu stellen.
Daher liege eine Überwachung des Lernerfolgs bereits dann vor, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch habe, z.B. in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlangten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden zu erhalten.
Nach Ansicht des Gerichts ist die Lernerfolgskontrolle in diesem Sinne nicht als Selbstkontrolle zu verstehen, sondern bedarf vielmehr der Kontrolle durch den oder die Lehrenden oder seine(n) Beauftragten. Die bloße Möglichkeit von Nachfragen bei Mitarbeitern bei Verständnisproblemen würden hierfür nicht genügen. Dasselbe gelte für die Bereitstellung eines Netzwerk zum Austausch.
Zudem sei eine Lernerfolgskontrolle bei Coaching-Inhalten dieser Art ohnehin kaum möglich, da diese einer Kontrolle nicht wirklich zugänglich seien. Es gehe bei solchen Coachings weniger um das Erreichen eines bestimmten Lernerfolgsziels, sondern um die persönliche-individuelle Weiterentwicklung, die im Prinzip nicht messbar sei.
(3) (Keine) Anwendbarkeit des FernUSG auf Unternehmer i.S.d. § 14 BGB
Schließlich sieht das Gericht keine Anwendbarkeit des FernUSG auf Unternehmer i.S.d. § 14 BGB.
Die Gesetzesbegründung des FernUSG verweise darauf, dass das FernUSG im Wesentlichen Verbraucherschutz sei. Dieser Ansicht entspreche auch die gegenwärtige Regelung in § 3 Abs. 3 FernUSG, wonach bei einem Fernunterrichtsvertrag i.S.d. FernUSG zu den wesentlichen Eigenschaften, über die - so der ausdrückliche Wortlaut der Vorschrift hier - der Unternehmer den Verbraucher gemäß den Vorgaben in Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) zu informieren habe, näher bezeichnete Aspekte gehören.
IV. Auswirkung der Entscheidung auf Coaching-Verträge
Zunächst ist wichtig festzuhalten, dass die Entscheidung des LG München samt ihren rechtlichen Wertungen alleine zwischen den Parteien des Gerichtsverfahrens wirkt. Eine allgemeine Gültigkeit hat diese Entscheidung nicht. Andere Coaching-Unternehmen können sich daher nicht direkt auf diese Entscheidung berufen.
Allerdings reiht sich diese Entscheidung in einige Entscheidungen anderer Gerichte ein, die die Rechtsfragen teilweise ähnlich beantwortet haben, und setzt einen aktuellen Kontraktpunkt gegen die Entscheidungen, die hinsichtlich der umstrittenen Rechtsfragen anders ausgefallen sind.
Vor dem Hintergrund dieser und vergleichbarer Entscheidungen haben jedenfalls wohl solche Online-Coaching-Verträge gute Chancen auch ohne entsprechende Zulassung der zuständigen Behörde von Gerichten als wirksam angesehen zu werden, die
- ausschließlich als Live-Kurse bzw. im Rahmen von unmittelbarer Kommunikation stattfinden und
- weder im Coaching-Vertrag noch bei der Durchführung der Coachings eine Lernerfolgskontrolle in Form von schriftlichen, mündlichen oder elektronischen Prüfungen oder sonstigen Abfragen vorsehen.
Wirkliche Rechtssicherheit wird es aber erst bei weiteren höchstrichterlichen Entscheidungen zu den umstrittenen Punkten geben können - oder sogar erst mit einer Anpassung des FernUSG durch den Gesetzgeber.
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V. Das Wichtigste in Kürze
- Coaching-Verträge und sonstige Verträge, die als Fernunterricht in den Anwendungsbereich des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) fallen, sind unwirksam, wenn sie nicht von der zuständigen Behörde zugelassen sind. Dies kann zur Pflicht zur Rückzahlung der Kursentgelte führen.
- Das LG München hat jüngst entschieden, dass typische Online-Live-Coachings nicht unter das FernUSG fallen und daher nicht wegen Verstoßes unwirksam sind, jedenfalls dann, wenn dabei keine Lernerfolgskontrolle (=Prüfungen o.ä.) stattfindet oder die Teilnehmer Unternehmer sind.
- Allerdings handelt es sich hierbei zunächst einmal nur um eine Entscheidung, die alleine zwischen den an diesem Gerichtsprozess beteiligten Parteien Wirkung entfaltet.
- Schlussendlich ist an sich der Gesetzgeber berufen, die Vorschriften des FernUSG an die Erfordernisse des digitalen Zeitalters anzupassen und so für viele Betroffene Rechtsklarheit zu schaffen.
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