Welche Auswirkungen hat der Brexit für Online-Händler bei Vertrieb von Waren und Dienstleistungen in Großbritannien?

Welche Auswirkungen hat der Brexit für Online-Händler bei Vertrieb von Waren und Dienstleistungen in Großbritannien?

Online-Händler mit Wohnsitz in Deutschland, die Waren und Dienstleistungen in Großbritannien vertreiben, müssen sich darauf einstellen, dass ab dem 1.1.2021 EU-Recht in Großbritannien nicht mehr gilt. Was bedeutet das in der Praxis? Gelten in Zukunft noch die Verbraucherrechte und was gilt für die Datenschutzgrundverordnung? Müssen Online-Händler, die Waren und Dienstleistungen in Zukunft in Großbritannien vertreiben, ihre AGB und Datenschutzerklärungen umschreiben?

Wenn Sie diese Fragen interessieren, dann lesen Sie den folgenden Beitrag in Frage und Antwort-Format.

I. Vorbemerkung

Bis Ende 2020 ist Großbritannien noch in einer Interimsphase an das bestehende EU-Recht gebunden. Nach dem Willen der britischen Regierung soll diese Interimsphase auf keinen Fall über das Jahr 2020 ausgedehnt werden. Großbritannien will seine künftigen Beziehungen mit der EU bis spätestens Ende 2020 in einem Abkommen regeln. Sollte sich der Abschluss eines solchen Abkommen in diesem Zeitraum als unmöglich erweisen, dann würde die britische Regierung auch ohne Abkommen die EU verlassen (No Deal Option). Es ist daher schwierig vorauszusagen, welche Regelungen nach 2020 für den Online-Handel mit Großbritannien gelten. Die schlechteste Option eines „No Deal“ muss daher für die Bewertung der Rechtslage ab 2021 berücksichtigt werden.

II. Auswirkungen des Brexit auf Verträge von in Deutschland ansässigen Online-Händlern mit Verbrauchern in Großbritannien

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Frage: In welchen Fällen gilt in Zukunft britisches Recht bei Online-Vertrieb von Waren und Dienstleistungen mit Verbrauchern in Großbritannien?

Ein in Deutschland ansässiger Online-Händler, der Waren oder Dienstleistungen an Verbraucher in Großbritannien vertreibt, ist bisher nach Art. 6 der sog. Rom I Verordnung dann an britisches Recht gebunden, wenn sein Online-Auftritt auf Großbritannien ausgerichtet ist. Die Rom I Verordnung wird ab 2021 nicht mehr für Großbritannien gelten. Mit dem European Union Withdrawal Act und dem European Union (Withdrawal Agreement) Act hat Großbritannien entschieden, dass EU-Regeln ab 2021 für Großbritannien nicht mehr anwendbar sind. Damit entfaltet auch die Rom I Verordnung ab 2021 keine Wirkung mehr für Großbritannien.

Die britische Regierung möchte allerdings die Rom I Verordnung zur Bestimmung des maßgebenden Rechts bei grenzüberschreitendem Warenverkehr mit der EU retten und hat daher einen Gesetzesentwurf „ Law Applicable to Contractual Obligations and Non-Contractual Obligations“ auf den Weg gebracht, der die Rom I Verordnung in nationales Recht umwandeln soll.

Ob dieser Gesetzesentwurf als Baustein eines künftigen Abkommens Großbritanniens mit der EU auch umgesetzt wird und ob dann dieses Gesetz auch Bestand hat und nicht abgeändert wird, ist zurzeit noch nicht abzusehen.

Frage: In welchen Fällen sind bei Rechtstreitigkeiten aus Online-Verträgen mit britischen Verbrauchern britische Gerichte zuständig?

Die Zuständigkeit der Gerichte wird bei grenzüberschreitenden Verträgen innerhalb der EU für Großbritannien bisher durch die sog. Brüssel I Verordnung geregelt. Demnach hat ein britischer Verbraucher das Recht, den in Deutschland ansässigen Online-Händler wegen Streitigkeiten aus einem Online-Vertrag vor einem britischen Gericht zu verklagen (Art. 18 Brüssel I Verordnung). Diese Verordnung wird ab 2021 nicht mehr für Großbritannien gelten. Es ist auch kein britisches Gesetz vorgesehen, diese Verordnung in britisches Recht umzusetzen.

Wie die Rechtslage ab 2021 aussehen wird, ist zurzeit unklar. Die britische Regierung hat ihre Absicht bekundet, dem sog. Luganer Übereinkommen aus eigenem Recht als nationaler Staat beizutreten. Zurzeit ist Großbritannien in seiner Eigenschaft als EU-Mitgliedsstaat ein Mitglied des Luganer Übereinkommens. Das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist ein Ende 2007 unterzeichnetes Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Schweiz, Norwegen und Island. Dieses Übereinkommen würde sich also für die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit bei grenzüberschreitenden Verträgen zwischen EU-Staaten und Großbritannien eignen.

Ein solcher Beitritt Großbritanniens setzt allerdings das Einverständnis aller Vertragsstaaten des Luganer Übereinkommens einschließlich der EU voraus. Ob dies im Rahmen des künftigen Vertrages der EU mit Großbritannien vereinbart werden kann, bleibt abzuwarten.

Frage: Gelten künftig nach britischem Recht die Bestimmungen des EU-Rechts zu Online-Verbraucherverträgen?

Die einschlägigen EU-Richtlinien gelten ab 2021 nicht mehr für Großbritannien. Großbritannien hat allerdings die EU-Richtlinien zum Online-Verbrauchervertragsrecht (wie Widerspruchsrecht des Verbrauchers) in ein nationales britisches Gesetz umgewandelt, so dass ab 2021 kurzfristig mit keinem britischen Sonderrecht zu Verbraucherrechtsfragen zu rechnen ist.

Dieses Verbrauchervertragsrecht kann allerdings als einfaches nationales britisches Gesetz jederzeit abgeändert und von britischen Gerichten auch im Gegensatz zur EUGH-Rechtsprechung anders interpretiert werden. Urteile des EUGH entfalten ab 2021 für Großbritannien keine Bindung mehr.

Frage: Gilt in Großbritannien ab 2021 bei Online-Verträgen die Pflicht zum Verweis auf die EU-Plattform zur außergerichtlichen Streitbeilegung?

Nein. Laut einer Mitteilung der britischen Regierung können sich Online-Händler und Verbraucher mit Wohnsitz in Großbritannien ab 2021 nicht mehr auf die EU-Verordnung zur Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ODR-Verordnung) berufen. Hinweise auf der Webseite und in den AGB von Online-Händlern mit Wohnsitz in Großbritannien zur ODR-Plattform der EU sind daher ab 2021 zu löschen.

Achtung: Soweit für in Deutschland ansässige Onlinehändler, die Waren und Dienstleistungen in Großbritannien vertreiben, britisches Recht maßgebend ist (zu dieser Frage, s. oben), sollten in ihren für Großbritannien geltenden AGB und gegebenenfalls auf ihrer speziell für Kunden in Großbritannien ausgerichteten Internetpräsenz, die Klausel zur Online-Streitbeilegung ab 2021 gelöscht werden.

Die IT-Recht Kanzlei wird ihren Mandanten für Großbritannien entsprechend angepasste AGB rechtzeitig anbieten.

III. Künftige Geltung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für Großbritannien ab 2021

Frage: Gilt die DSGVO künftig in Großbritannien?

Als EU-Verordnung wird die DSGVO ab 2021 für Großbritannien nicht mehr gelten. Allerdings ist die DSGVO bereits in nationales britisches Recht umgesetzt worden (Data Protection, Privacy and Electronic Communications (Amendments etc) (EU Exit) Regulations 2019). Falls im künftigen Abkommen Großbritanniens mit der EU nichts anderes geregelt wird, wird sich für Großbritannien inhaltlich in Fragen des Datenschutzes kaum etwas ändern.

Auch hier gilt allerdings, dass dieses britische Datenschutzgesetz als einfaches britisches Gesetz jederzeit abgeändert oder von britischen Gerichten im Gegensatz zur EUGH-Rechtsprechung unterschiedlich interpretiert werden kann.

Ob die britische Regierung an dem jetzigen britischen Datenschutzgesetz, das die DSGVO umsetzt, auch in Zukunft festhalten wird, ist noch nicht geklärt. Eine kürzliche Erklärung des britischen Regierungschefs gegenüber dem Parlament vom 3. Februar 2020, in der unter anderem auf eine künftige eigenständige Politik im Bereich des Datenschutzes verwiesen wird, kann jedenfalls nicht als Garantie angesehen werden, dass die Grundsätze der DSGVO auch in Zukunft für Großbritannien gelten werden.

Frage: Gilt künftig für in Deutschland ansässige Online-Händler, die Waren und Dienstleistungen in Großbritannien vertreiben, die Datenschutzgrundverordnung?

Ja. Die DSGVO findet auf in Deutschland ansässige Online-Händler Anwendung, die Waren oder Dienstleistungen in Großbritannien vertreiben (Art. 3 DSGVO).

Frage: Können in Deutschland ansässige Online-Händler in Zukunft persönliche Daten ihrer Kunden an Dienstleister in Großbritannien weiterleiten?

Ab 2021 ist Großbritannien datenschutzrechtlich als Drittland zu betrachten. In Deutschland ansässige Online-Händler dürfen dann nur noch Daten an Dienstleister in Großbritannien weiterleiten, wenn für Großbritannien ein sog. Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission vorliegt, der bestätigt, dass in Großbritannien ein angemessenes Datenschutzniveau gegeben ist (Art. 45 DSGVO). Dies ist einer der Gründe, warum inhaltlich die DSGVO in nationales britisches Recht umgesetzt worden ist.

Wenn die britische Regierung von ihrem Datenschutzgesetz, das die DSGVO inkorporiert, nicht abrückt, kann damit gerechnet werden, dass die EU-Kommission zugunsten von Großbritannien einen entsprechenden Angemessenheitsbeschluss erlässt, so dass die Weiterleitung von persönlichen Daten an Dienstleister in Großbritannien auch in Zukunft unproblematisch ist.

Es ist fraglich, ob die EU-Kommission einen derartigen Angemessenheitsbeschluss zugunsten von Großbritannien verfügt, sollte Großbritannien die Datenschutzstandards der EU künftig unterlaufen.

IV. Fazit

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten, um verbindliche Aussagen darüber zu treffen, mit welchen neuen Bestimmungen in Deutschland ansässige Online-Händler, die Waren oder Dienstleistungen in Großbritannien vertreiben, zu rechnen haben. Möglich ist, dass im Wesentlichen keine großen Änderungen zu erwarten sind (außer den Bestimmungen zur EU-Streitbeilegung). Die IT-Recht Kanzlei wird über die weitere Entwicklung berichten.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .


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