Leitfaden: Biozide im Internet rechtssicher verkaufen
Wie werden Biozidprodukte rechtssicher beworben und wie erfolgt insbesondere bei gefährlichen Biozidprodukten die Gefahrenkennzeichnung im Internet? Wir zeigen in unserem aktuellen Leitfaden die Rechtslage auf und geben zudem viele nützliche Praxishinweise.
Inhaltsverzeichnis
A. Rechtssichere Werbung
I. Warnhinweis bei jeder Werbung für Biozidprodukte zwingend
Rechtssichere Formulierung des Warnhinweises
Jegliche Werbung für Biozidprodukte muss gemäß Artikel 72 EU-Verordnung 528/2012 folgenden Hinweis enthalten:
"Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen."
Das Wort „Biozidprodukte“ darf dabei durch den eindeutigen Verweis auf die beworbene Produktart ersetzt werden.
Tipp: Gesetzlich gefordert wird die Darstellung des Warnhinweises beim konkret beworbenen Biozid-Produkt - das gilt selbstverständlich auch online. Es ist gerade nicht ausreichend, den Warnhinweis nur auf der Umverpackung aufzudrucken (vgl. hierzu auch LG Stendal, Urt. v. 07.03.2024 - Az.: 31 O 9/23).
Warnhinweis muss deutlich abgehoben und gut lesbar sein
Der Warnhinweis muss sich von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein. Sinn und Zweck ist es, den Leser schon bei der Wahrnehmung der eigentlichen Werbung darauf aufmerksam zu machen, dass das Produkt vorsichtig zu verwenden ist und vor dem Gebrauch Etikett und Produktinformation gelesen werden sollten. Dadurch soll verhindert werden, dass sich der Leser bei einer Kaufentscheidung der Gefahren des Produkts nicht bewusst ist.
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Praxishinweise:
- Das LG Essen entschied, dass ein räumlicher Zusammenhang zwischen Warnhinweis und Produktpräsentation zwingend ist und eine Auslagerung auf eine externe Darstellung, selbst mit Verweis, nicht ausreicht.
- Ähnlich entschied das LG Heidelberg, dass der Warnhinweis im Online-Shop nicht hinter einem weiterführenden Link versteckt werden darf, da er sich von der Werbung abheben und daherr unmittelbar bei dieser befinden muss.
II. Was ist "Werbung"?
Laut Art. 3 Abs. 1 y) U-Verordnung 528/2012 bezeichnet der Ausdruck „Werbung“ ein Mittel zur Förderung des Verkaufs oder der Verwendung von Biozid-Produkten durch gedruckte, elektronische oder andere Medien.
Unter dem Begriff "Werbung" sind damit sämtliche Formen der Online-Veröffentlichung eines Biozidprodukts zu verstehen, wenn durch die jeweilige Darstellung der Absatz des betreffenden Produkts gefördert werden soll.
Hierzu gehören beispielsweise:
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Warnhinweis auch zwingend, wenn online keine direkt Bestellmöglichkeit besteht
Keine Rolle spielt, ob das auf einer Webseite konkret beworbene Biozid-Produkt tatsächlich bestellt werden kann (so das LG Frankfurt a.M., Urt. v. 05.12.2023 - Az.: 3-06 O 22/23). Auch eine bloße Produktwerbubng stelle eine kommerzielle Kommunikation dar, denn sie diene zumindest mittelbar der Förderung des Absatzes von Waren bzw. des Erscheinungsbildes eines Unternehmens, das eine Tätigkeit in Gewerbe ausübt.
III. Keine verharmlosende Werbung
Werbung für Biozidprodukte darf im Hinblick auf mögliche Risiken des Produkts für Mensch und Umwelt in keinem Falle verharmlosend wirken. So darf ein Biozidproukt gemäß Artikel 72 Abs. 3 S. 2 EU-Verordnung 528/2012 etwa nicht folgende Angaben enthalten:
- „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“,
- „ungiftig“,
- „unschädlich“,
- „natürlich“,
- „umweltfreundlich“,
- „tierfreundlich“
Auch alle "ähnliche Hinweise" sind von diesem Verbot umfasst. So stellte der EuGH (Urteil vom 20. Juni 2024 Rechtssache C-296/23) klar, dass ein verbotener „ähnlicher Hinweis“ nicht zwingend allgemeinen Charakter haben oder eine allgemeine Wirkungsaussage treffen muss, sondern dass auch Aussagen, die eine vermeintliche spezifische Gesundheitswirkung behaupteten, verboten seien. So betreffe das Verbot neben Ausweisungen eines ökologischen oder biologischen Charakters etwa auch die Bewerbung eines Biozids als „hautfreundlich“.
Weitere Beispiele für "ähnliche Aussagen" sind etwa:
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Praxishinweise:
1. Unerheblich ist, ob das Biozidprodukt tatsächlich ungefährlich ist - es darf nicht verharmlosend beworben werden.
2. Das OLG Hamburg entschied (Urteil vom 28.03.2007, 5 U 136/06) dass unter dieses Verbot auch die Bezeichnung eines Biozids als reines „Naturprodukt“ fällt. Dies gelte wegen der abstrakten Gefährlichkeit von Bioziden sogar dann, wenn das Biozid tatsächlich nur aus einem natürlich Produkt besteht, im Fall: gepresstes Gerstenstroh.
B. Kennzeichnung von gefährlichen Biozidprodukten im Internet
I. Gefahrenkennzeichnung auch online umsetzen
Als "gefährlich" im Sinne der EU-Verordnung 1272/2008 eingestufte Biozidprodukte weisen auf der Produktverpackung insbesondere folgende Informationen auf:
1. Gefahrenpiktogramm(e)
Die Gefahrenpiktogramme gem. CLP-Verordnung (Achtung: Nicht mehr zulässig seit dem 01.06.2017 sind die alten Gefahrenpiktogramme [„orangefarbene Quadrate“])
2. Signalwörter
„GEFAHR“ bzw. „ACHTUNG“
3. Gefahrenhinweis(e), einschließlich der ergänzenden Gefahrenhinweise gemäß Art. 25 Abs. 6 CLP-Verordnung
Beispiele: „Verursacht schwere Augenschäden.“, „Verursacht Hautreizungen.“, „Kann bei Einatmen Allergie, asthmaartige Symptome oder Atembeschwerden verursachen.“
4. Sicherheitshinweis(e)
Beispiele: „Nur im Originalbehälter aufbewahren.“, „Nach Gebrauch Hände gründlich waschen.“, „Bei Hautreizung: Ärztlichen Rat einholen/ärztliche Hilfe hinzuziehen.“
Welche konkreten Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise im jeweiligen Einzelfall im Angebot bzw. in der Werbung angegeben werden müssen, hängt entscheidend von der jeweils angebotenen bzw. beworbenen Chemikalie ab.
Händler sollte die Gefahrenkennzeichnung (sofern sie vom Hersteller oder Importeuer richtig vorgenommen worden ist) 1:1 in ihrer Werbung wiedergeben (sowohl in Text, wie auch in Bildform). Die Kennzeichnung ist leider „dynamisch“ und für jedes gefährliche Biozidprodukt gesondert vorzunehmen und bedeutet daher einen erheblichen Recherche- und Pflegeaufwand.
II. Ort der richtigen Gefahrenkennzeichnung
Wichtig ist, dass die Gefahrenkennzeichnung für den Kunden online bereits vor dem Kauf ersichtlich sind.
Es empfiehlt sich daher, die vollständige Kennzeichnung bereits im Rahmen der Artikeldetailseite direkt (also nicht verlinkt) und gut sichtbar darzustellen, so dass diese Kennzeichnung zwangsläufig vom Kunden „passiert“ werden muss, bevor er seine Bestellung einleitet - er diese also noch vor Einlegen des Biozidprodukts in den virtuellen Warenkorb zu Gesicht bekommt.
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Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
luchschenF
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1 Kommentar
reicht es aus wenn der Biozidhinweis im Warenkorb zu sehen ist (Vor dem kostenpflichtigen Bestellen?)
Hintergrund meiner Frage ist, dass wir in den Übersichtsseiten (& cross-Selling listen etc) keine Warnhinweise ergänzen können.
Wäre es demnach ausreichend e.g. zu verhindern das der Kunde den Artikel z.B. aus der Cross-Selling Liste direkt in den Warenkorb legen kann?
Oder wäre es auch ausreichend eben im Warenkorb /zusätzlich zur Detailseite des Artikels) die Warnhinweise darzustellen?
Viele Grüße
Menn