Neue Biozidverordnung: Kennzeichnung von Biozidprodukten in der Werbung seit dem 01.09.2013
Seit dem 01.09.2013 gilt die neue Verordnung (EU) No. 528/2012 (nachfolgend auch als „Biozid-Verordnung“ bezeichnet) unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten. Sie löste die bis dato geltende Biozid-Richtlinie (RL 98/8/EG) ab. Wie sind nun Biozidprodukte in der Werbung und damit auch in Internetangeboten zu kennzeichnen? Welche Rolle spielt hierbei die „CLP-Verordnung“ und das deutsche Chemiegesetz? Lesen Sie hierzu den nachfolgenden Beitrag der IT-Recht Kanzlei.
Inhaltsverzeichnis
- I. Gesetzliche Kennzeichnungsvorgaben bei der Bewerbung von Biozidprodukten
- 1. Verordnung (EU) No. 528/2012 - „Biozid-Verordnung“
- 2. Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 – „CLP-Verordnung“
- 3. Deutsches Chemiegesetz- ChemG
- 4. Fazit:
- II. Begriffsbestimmung: Biozidprodukt
- Definition
- Auflistung aller unter die Biozid-Verordnung fallenden Biozidproduktarten
- III. Vorgaben der Verordnung (EU) No. 528/2012 zur Kennzeichnung von Biozidprodukten
- 1. Pflichthinweis
- 2. Keine irreführende Werbung
- IV. Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 zur Kennzeichnung von Biozidprodukten in der Werbung
- 1. Kennzeichnung bei Werbung eines als gefährlich eingestuften Stoffes
- 2. Kennzeichnung bei Werbung für als gefährlich eingestufte oder durch Artikel 25 Absatz 6 geregelte Gemische
I. Gesetzliche Kennzeichnungsvorgaben bei der Bewerbung von Biozidprodukten
1. Verordnung (EU) No. 528/2012 - „Biozid-Verordnung“
Im Mai 2012 wurde die neue Verordnung (EU) No. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten, kurz „Biozid-Verordnung“ verabschiedet. Diese Verordnung trat am 17.07.2012 in Kraft und gilt seit dem 01.09.2013 unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten. Artikel 72 der Biozid-Verordnung regelt die Kennzeichnung von Biozidprodukten in der Werbung und verweist dabei auf die zusätzliche Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 („CLP-Verordnung“).
2. Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 – „CLP-Verordnung“
Die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (GHS- oder CLP-Verordnung) ist am 20. Januar 2009 in Kraft getreten. Als unmittelbar geltendes EU-Recht bedurfte die CLP-Verordnung hinsichtlich ihrer materiellen Vorschriften keiner Umsetzung in nationales Recht. Artikel 48 der Verordnung regelt die Kennzeichnung von als gefährlich eingestuften Stoffen und/oder Gemischen in der Werbung.
Während die CLP-Verordnung bei der Kennzeichnung von als gefährlich eingestuften Stoffen gemäß Artikel 61 Abs. 1 S. 1 CLP-Verordnung seit dem 02.12.2010 unmittelbar Anwendung findet, können Gemische gemäß Artikel 61 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 CLP-Verordnung bis zum 01.06.2015 entweder gemäß
- der CLP-Verordnung oder
- der Richtlinie 1999/45/EG
gekennzeichnet werden.
3. Deutsches Chemiegesetz- ChemG
Das deutsche Chemiegesetz wurde der CLP-Verordnung insoweit angepasst, als Bestimmungen des Gesetzes gestrichen oder überarbeitet worden sind, die durch die CLP-Verordnung überholt waren, redundant geworden wären oder ihr entgegenstanden hätten.
So wurde im Zuge dieser Anpassung unter anderem Absatz 1 des § 15a ChemG gestrichen. Danach war es verboten, für einen gefährlichen Stoff zu werben, ohne die den Stoff betreffenden Gefährlichkeitsmerkmale nach § 3a Abs. 1 ChemG a. F. anzugeben. Dies galt auch für eine im Versandhandel angebotene gefährliche Zubereitung, die vom privaten Endverbraucher ohne vorherige Ansicht der Kennzeichnung käuflich erworben werden konnte.
§ 15a Abs. 1 ChemG wurde aus dem Grund gestrichen, da diese Bestimmung durch den unmittelbar geltenden Artikel 48 der CLP-Verordnung gegenstandlos geworden ist. Artikel 48 Absatz 1 der CLP-Verordnung enthält konkrete Regelungen für Stoffe, Artikel 48 Absatz 2 gilt sowohl für die als gefährlich eingestuften Gemische nach altem Recht als auch für gefährlich eingestufte Gemische nach der CLP- Verordnung.
Auch die derzeit noch in § 15a ChemG verbliebene Rumpfregelung – der zwingende Gefahrenhinweis bei der Bewerbung von Bioziden - wird ab dem 01.09.2013 überflüssig werden, da § 15a ChemG gegenüber dem Artikel 72 der – ab dann vorrangig geltenden - Biozid-Verordnung kein eigener Regelungsbereich verbleibt. So findet sich auch in Artikel 72 Abs. 1 der Biozid-Verordnung die Vorgabe, bei jeder Werbung für Biozidprodukte bestimmte Gefahrenhinweis zu verwenden (s. dazu u.).
4. Fazit:
Die
- Verordnung (EU) No. 528/2012 („Biozid-Verordnung“) sowie die
- Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 – („CLP-Verordnung“)
regeln seit dem 01.09.2013 die Kennzeichnungsvorgaben von Biozidprodukten in der Werbung abschließend. Die CLP-Verordnung sieht in dem Zusammenhang Übergangsregelungen bei Gemischen vor. Das deutsche Chemiegesetz wird beim Thema "Kennzeichnung von Biozidprodukten in der Werbung" keine Rolle mehr spielen, da der insoweit maßgebliche § 15a ChemG seit dem 01.09.2013 komplett von Artikel 72 der vorrangig anzuwendenden Biozid-Verordnung überlagert werden wird.
II. Begriffsbestimmung: Biozidprodukt
Definition
Gemäß Artikel 3 Abs. 1 a) Verordnung (EU) No. 528/2012 bezeichnet der Ausdruck „Biozidprodukt“
- jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen;
- jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch, der/das aus Stoffen oder Gemischen erzeugt wird, die selbst nicht unter den ersten Gedankenstrich fallen und der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.
Eine behandelte Ware mit einer primären Biozidfunktion gilt als Biozidprodukt.
Hinweis: In Artikel 2 ff. Verordnung (EU) No. 528/2012 werden bestimmte Biozidprodukte vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen, wie beispielweise Lebens- oder Futtermittel, die als Repellentien oder Lockmittel verwendet werden oder Biozidprodukte, die als Verarbeitungshilfsstoffe verwendet werden.
Auflistung aller unter die Biozid-Verordnung fallenden Biozidproduktarten
Folgende Biozidproduktarten fallen unter die Verordnung (EU) No. 528/2012 (vgl. Anhang V der Verordnung):
Hauptgruppe 1: Desinfektionsmittel
Diese Produktarten umfassen keine Reinigungsmittel, bei denen eine biozide Wirkung nicht beabsichtigt ist; dies gilt auch für Waschflüssigkeiten, Waschpulver und ähnliche Produkte.
Produktart 1: Menschliche Hygiene
- Bei den Produkten dieser Produktart handelt es sich um Biozidprodukte, die für die menschliche Hygiene verwendet und hauptsächlich zum Zwecke der Haut- oder Kopfhautdesinfektion auf die menschliche Haut bzw. Kopfhaut aufgetragen werden oder damit in Berührung kommen.
Produktart 2: Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen und Tieren bestimmt sind
- Produkte zur Desinfektion von Oberflächen, Stoffen, Einrichtungen und Möbeln, die nicht für eine direkte Berührung mit Lebens- oder Futtermitteln verwendet werden.
- Die Anwendungsbereiche umfassen unter anderem Schwimmbäder, Aquarien, Badewasser und anderes Wasser, Klimaanlagen sowie Wände und Böden sowohl im privaten als auch im öffentlichen und industriellen Bereich und in anderen für eine berufliche Tätigkeit genutzten Bereichen.
- Produkte zur Desinfektion von Luft, nicht für den menschlichen oder tierischen Gebrauch verwendetem Wasser, chemischen Toiletten, Abwasser, Krankenhausabfall und Erdboden.
- Als Algenbekämpfungsmittel für Schwimmbäder, Aquarien und anderes Wasser sowie für zur Sanierung von Baumaterial verwendete Produkte.
- Produkte als Zusatz in Textilien, Geweben, Masken, Farben und anderen Gegenständen oder Stoffen, um behandelte Waren mit Desinfektionseigenschaften herzustellen.
Produktart 3: Hygiene im Veterinärbereich
- Produkte für die Hygiene im Veterinärbereich wie Desinfektionsmittel, desinfizierende Seifen, Produkte für Körper- und Mundhygiene oder mit antimikrobieller Funktion.
- Produkte zur Desinfektion von Materialien und Oberflächen im Zusammenhang mit der Unterbringung oder Beförderung von Tieren.
Produktart 4: Lebens- und Futtermittelbereich
- Produkte zur Desinfektion von Einrichtungen, Behältern, Besteck und Geschirr, Oberflächen und Leitungen, die im Zusammenhang mit der Herstellung, Beförderung, Lagerung oder dem Verzehr von Lebens- oder Futtermitteln (einschließlich Trinkwasser) für Menschen und Tiere Verwendung finden.
- Produkte zur Imprägnierung von Stoffen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen können.
Produktart 5: Trinkwasser
- Produkte zur Desinfektion von Trinkwasser für Menschen und Tiere.
Hauptgruppe 2: Schutzmittel
Sofern nicht anders angegeben umfassen diese Produktarten nur Produkte zur Verhütung der Entstehung von Mikroben und Algen.
Produktart 6: Schutzmittel für Produkte während der Lagerung
- Produkte zum Schutz von Fertigerzeugnissen (außer Lebens- und Futtermitteln, kosmetischen Mitteln oder Arzneimitteln oder medizinischen Geräten) in Behältern gegen mikrobielle Schädigung zwecks Verlängerung ihrer Haltbarkeit.
- Produkte zum Schutz von Rodentizid-, Insektizid- oder anderen Ködern bei deren Lagerung oder Verwendung.
Produktart 7: Beschichtungsschutzmittel
- Produkte zum Schutz von Beschichtungen oder Überzügen gegen mikrobielle Schädigung oder Algenwachstum zwecks Erhaltung der ursprünglichen Oberflächeneigenschaften von Stoffen oder Gegenständen wie Farben, Kunststoffen, Dichtungs- und Klebkitten, Bindemitteln, Einbänden, Papieren und künstlerischen Werken.
8: Holzschutzmittel
- Produkte zum Schutz von Holz, ab dem Einschnitt im Sägewerk, oder Holzerzeugnissen gegen Befall durch holzzerstörende oder die Holzqualität beeinträchtigende Organismen, Insekten einbegriffen.
- Diese Produktart umfasst sowohl Präventivprodukte als auch Kurativprodukte.
Produktart 9: Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien
- Produkte zum Schutz von fasrigen oder polymerisierten Materialien wie Leder, Gummi, Papier und Textilerzeugnissen gegen mikrobielle Schädigung.
- Diese Produktart umfasst Biozidprodukte, die der Ansiedlung von Mikroorganismen auf der Oberfläche von Materialien entgegenwirken und somit die Entwicklung von Gerüchen hemmen oder ausschließen und/oder Vorteile anderer Art mit sich bringen.
Produktart 10: Schutzmittel für Baumaterialien
- Produkte zum Schutz von Mauerwerk, Verbundwerkstoffen oder anderen Baumaterialien außer Holz gegen Befall durch Schadmikroorganismen und Algen.
Produktart 11: Schutzmittel für Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen
- Produkte zum Schutz von Wasser und anderen Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen gegen Befall durch Schadorganismen wie z. B. Mikroben, Algen und Muscheln.
- Diese Produktart umfasst nicht Produkte zur Desinfektion von Trinkwasser oder von Wasser für Schwimmbäder.
Produktart 12: Schleimbekämpfungsmittel
- Produkte zur Verhinderung oder Bekämpfung der Schleimbildung auf Materialien, Einrichtungen und Gegenständen, die in industriellen Verfahren Anwendung finden, z. B. auf Holz und Papiermasse sowie auf porösen Sandschichten bei der Ölförderung.
Produktart 13: Schutzmittel für Bearbeitungs- und Schneideflüssigkeiten
- Schutzmittel gegen mikrobielle Schädigung in Flüssigkeiten, die zur Bearbeitung oder zum Schneiden von Metall, Glas oder anderer Materialien verwendet werden.
Hauptgruppe 3: Schädlingsbekämpfungsmittel
Produktart 14: Rodentizide
- Produkte zur Bekämpfung von Mäusen, Ratten und andere Nagetieren durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung.
Produktart 15: Avizide
- Produkte zur Bekämpfung von Vögeln durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung.
Produktart 16: Bekämpfungsmittel gegen Mollusken und Würmer und Produkte gegen andere Wirbellose.
- Produkte, die nicht unter andere Produktarten fallen, zur Bekämpfung von Mollusken, Würmern und Wirbellosen durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung.
Produktart 17: Fischbekämpfungsmittel
- Produkte zur Bekämpfung von Fischen durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung.
Produktart 18: Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden
- Produkte zur Bekämpfung von Arthropoden (z. B. Insekten, Spinnentiere und Schalentiere) durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung.
Produktart 19: Repellentien und Lockmittel
- Produkte zur Fernhaltung oder Köderung von Schadorganismen (wirbellose Tiere wie z. B. Flöhe, Wirbeltiere wie z. B. Vögel, Fische, Nagetiere): hierzu gehören auch Produkte, die unmittelbar oder mittelbar für die menschliche Hygiene oder die Hygiene im Veterinärbereich entweder direkt auf der Haut oder indirekt in der Umgebung von Menschen oder Tieren verwendet werden.
20: Produkte gegen sonstige Wirbeltiere
- Produkte zur Bekämpfung anderer als der Wirbeltiere, die bereits unter die anderen Produktarten dieser Hauptgruppe fallen, durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung.
Hauptgruppe 4: Sonstige Biozidprodukte
Produktart 21: Antifouling-Produkte
- Produkte zur Bekämpfung des Wachstums und der Ansiedlung von bewuchsbildenden Organismen (Mikroben und höhere Pflanzen- und Tierarten) an Wasserfahrzeugen, Ausrüstung für die Aquakultur und anderen im Wasser eingesetzten Bauten.
Produktart 22: Flüssigkeiten für Einbalsamierung und Taxidermie
- Produkte zur Desinfektion und Konservierung von Leichen oder Tierkadavern oder Teilen davon.
III. Vorgaben der Verordnung (EU) No. 528/2012 zur Kennzeichnung von Biozidprodukten
1. Pflichthinweis
Gemäß Artikel 72 Abs. 1 Verordnung (EU) No. 528/2012 ist jeder Werbung für Biozidprodukte folgender Hinweis hinzuzufügen:
"Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen."
Wichtig: Die oben genannten Sätze müssen sich gemäß Artikel 72 Abs. 1 S. 2 der Biozid-Verordnung von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein.
Nach Ansicht des Verfassers erstreckt sich diese Kennzeichnungsverpflichtung nur auf die Werbung und nicht ebenfalls auf die Produktverpackung. Denn Art. 69 und Art. 72 der Biozid-Verordnung unterscheiden zwischen diesen Sachverhalten ausdrücklich und legen unterschiedliche Aufklärungspflichten fest. Art. 69 der Biozid-Verordnung schreibt ausdrücklich vor, wie Biozid-Produkte zu kennzeichnen sind und welche Angaben die Kennzeichnung enthalten muss. Diese Regelung, die unter anderem auch die Verpflichtung zur Angabe "unerwünschter unmittelbarer oder mittelbare Nebenwirkungen" enthält, ist nach Auffassung des Verfassers gegenüber den Vorschriften zur Werbung in Art. 72 der Verordnung als abschließend zu betrachten.
Gemäß Artikel 72 Abs. 2 der Biozid-Verordnung darf in der Werbung das Wort „Biozidprodukte“ in den vorgeschriebenen Sätzen durch den eindeutigen Verweis auf die beworbene Produktart ersetzt werden.
Das OLG Hamm sowie das OLG Hamburg haben entschieden, dass das Unterlassen der Darstellung dieser Sätze bei der Bewerbung von Bioziden wettbewerbswidrig ist, vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.01.2010, Az. I-4U 162/09 und OLG Hamburg, Urteil vom 16.05.2007, Az. 5 U 220/06.
2. Keine irreführende Werbung
Gemäß Artikel 72 Abs. 3 S. 1 Verordnung (EU) No. 528/2012 darf in der Werbung für Biozidprodukte das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist.
Des Weiteren stellt Artikel 72 Abs. 3 S. 2 Verordnung (EU) No. 528/2012 klar, dass Werbung für Biozid-Produkte im Hinblick auf mögliche Risiken des Produkts für Mensch und Umwelt nicht verharmlosend wirken dürfen. So darf die Werbung für ein Biozidprodukt gemäß Artikel 72 Abs. 3 S. 2 auf keinen Fall die Angaben
- „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“,
- „ungiftig“,
- „unschädlich“,
- „natürlich“,
- „umweltfreundlich“,
- „tierfreundlich“
oder ähnliche Hinweise enthalten.
Die Formulierung „auf keinen Fall“ regelt nach dem Verständnis des Verfassers auch die nur abstrakte Gefährlichkeit. Keine Rolle spielt, ob das Biozidprodukt im Einzelfall tatsächlich ungefährlich ist - es darf in keinem Falle verharmlosend beworben werden.
Das OLG Hamburg entschied in dem Zusammenhang – vgl. Urteil vom 28.03.2007, 5 U 136/06 - dass unter dieses Verbot auch die Bezeichnung eines Biozids als reines „Naturprodukt“ fällt. Dies gelte wegen der abstrakten Gefährlichkeit von Bioziden sogar dann, wenn das Biozid tatsächlich nur aus einem natürlich Produkt besteht, im Fall: gepresstes Gerstenstroh.
IV. Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 zur Kennzeichnung von Biozidprodukten in der Werbung
Artikel 72 Abs. 1 Biozid-Verordnung weist ausdrücklich auf die zusätzliche Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 ("CLP-Verordnung") hin.
Aufgrund den in Artikel 61 CLP-Verordnung geregelten Übergangsbestimmungen, ist hinsichtlich der Kennzeichnung von Biozidprodukten in der Werbung bis zum 1.Juni 2015 noch zu unterscheiden zwischen
- Stoffen und
- Gemischen.
1. Kennzeichnung bei Werbung eines als gefährlich eingestuften Stoffes
Vorab: Gemäß Artikel 2 Nr. 7 CLP-Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Stoff“ ein chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher Form oder gewonnen durch ein Herstellungsverfahren, einschließlich der zur Wahrung seiner Stabilität notwendigen Zusatzstoffe und der durch das angewandte Verfahren bedingten Verunreinigungen, aber mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können.
Gemäß Artikel 48 Abs. 1 CLP-Verordnung hat jegliche Werbung für einen als gefährlich eingestuften Stoff unter Angabe
- der betreffenden Gefahrenklassen oder
- Gefahrenkategorien (zum Beispiel akute orale Toxizität, Kategorie 3)
zu erfolgen.
2. Kennzeichnung bei Werbung für als gefährlich eingestufte oder durch Artikel 25 Absatz 6 geregelte Gemische
Vorab: Gemäß Artikel 2 Nr. 8 CLP-Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Gemisch“ Gemische oder Lösungen, die aus zwei oder mehr Stoffen bestehen.
Gemäß Artikel 61 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 CLP-Verordnung können Gemische vor dem 01.06.2015 entweder gemäß
- der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) oder
- der Richtlinie 1999/45/EG
gekennzeichnet werden.
2a. Kennzeichnung gemäß Verordnung (EG) Nr. 1272/2008
Gemäß Artikel 48 Abs. 2 CLP-Verordnung muss jegliche Werbung für
- als gefährlich eingestufte oder
- für als ungefährlich eingestufte Gemische, die einen gefährlichen Stoff enthalten (vgl. Artikel 25 Absatz 6 geregelte Gemische),
die es einem privatenEndverbraucher ermöglicht, ohne vorherige Ansicht des Kennzeichnungsetiketts einen Kaufvertrag abzuschließen, die auf dem Kennzeichnungsetikett angegebene(n) Gefahreneigenschaft(en) nennen.
Gemäß Art. 17 Abs. 1 d-h CLP-Verordnung muss die Werbung daher, soweit zutreffend, folgende Angaben gemacht werden:
- Darstellung der Gefahrenpiktogramme
- Signalwörter
- Gefahrenhinweise
- Ergänzende Gefahrenhinweise gemäß Artikel 25 Abs. 6 der CLP-Verordnung
Im Einzelnen:
- Darstellung der Gefahrenpiktogramme
Gemäß Artikel 19 CLP-Verordnung enthält das Kennzeichnungsetikett das/die relevanten Gefahren
piktogramm(e) zur Vermittlung einer bestimmten Information über die betreffende Gefahr.
- Signalwörter
Zusätzlich zum Gefahrenpiktogramm muss gemäß Artikel 20 CLP-Verordnung das der Einstufung entsprechende Signalwort „Gefahr“ oder „Achtung“ mit dargestellt werden, wobei das Signalwort „Gefahr“ auf eine schwerwiegendere Gefahr innerhalb einer Gefahrenklasse hindeutet als „Achtung“. Welches Signalwort der jeweiligen Einstufung entspricht, ist in den Tabellen in Anhang I Teile 2 bis 5 CLP-Verordnung angegeben, in denen die für die einzelnen Gefahrenklassen erforderlichen Kennzeichnungselemente aufgeführt sind.
- Gefahrenhinweise
Gemäß Artikel 21 CLP-Verordnung enthält das Kennzeichnungsetikett die relevanten Gefahrenhin
weise entsprechend der Einstufung des gefährlichen Stoffes oder Gemisches.
Die Gefahrenhinweise beschreiben die Art und gegebenenfalls den Schweregrad der Gefährdung. Sie setzten sich aus dem Buchstaben H und einer dreistelligen Zahl zusammen. Der Buchstabe H steht für "hazard" und heißt Gefahr. Die Zahl beginnt mit der Ziffer 2, 3 oder 4, wobei 2 für einen Gefahrenhinweis einer physikalischen, 3 für eine Gesundheits- und 4 für einer Umweltgefahr steht. Die zwei letzten Ziffern sind fortlaufend und identifizieren letztendlich den Gefahrenhinweis.
Beispiele:
- H250: Entzündet sich in Berührung mit Luft von selbst
- H317: Kann allergische Hautreaktionen verursachen
- H411: Giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung
Die Gefahrenhinweise lauten wie in Anhang III CLP-Verordnung angegeben.
Quelle: Österreichische Auskunftsstelle für Hersteller, Importeure und Anwender chemischer Stoffe.
- Ergänzende Gefahrenhinweise gemäß Artikel 25 Abs. 6 der CLP-Verordnung
Enthält ein Gemisch einen als gefährlich eingestuften Stoff, so wird es ergänzend gemäß Anhang II Teil 2 CLP-Verordnung gekennzeichnet. Die Hinweise lauten wie in Anhang III Teil 3 CLP-Verordnung angegeben und werden in den Abschnitt für ergänzende Informationen auf dem Kennzeichnungsetikett aufgenommen. Das Kennzeichnungsetikett enthält auch den Produktidentifikator nach Artikel 18 CLP-Verordnung sowie Namen, Anschrift und Telefonnummer des Lieferanten des betreffenden Gemisches.
2b. Kennzeichnung gemäß Richtlinie 1999/45/EG
Gemäß Artikel 13 Richtlinie 1999/45/EG muß/müssen in jeder Werbung für eine in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallende Zubereitung, bei der die allgemeine Öffentlichkeit die Möglichkeit hat, ohne vorherige Ansicht des Kennzeichnungsschildes einen Kaufvertrag abzuschließen, die Art oder die Arten der auf dem Kennzeichnungsschild anzugebende(n) gefährliche(n) Eigenschaft(en) genannt werden.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
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2 Kommentare
Kurze Frage: muss bei Kleidung die antibaktrielle Ausstattung mit Bioziden deklariert werden?
Sven Pieper