Bio-Lebens- und Futtermittel ab 01.01.2022 rechtssicher verkaufen - eine Anleitung

Bio-Lebens- und Futtermittel ab 01.01.2022 rechtssicher verkaufen - eine Anleitung
08.12.2021 | Lesezeit: 35 min

Bio-Lebens- und Futtermittel unterliegen angesichts ihrer Herstellung und ihres Vertriebs strengen unionsrechtlichen Vorgaben, die zum 01.01.2022 durch die neue Öko-Basis Verordnung Nr. 2018/848 reformiert werden. Dieser Ratgeber der IT-Recht Kanzlei beschäftigt sich mit den rechtlichen Voraussetzungen, die für einen rechtssicheren Verkauf von Bio-Produkten und in der Werbung ab 2022 zu beachten sind.

Inhaltsverzeichnis

A. Rechtlicher Rahmen

Die Produktion, Herstellung und Verarbeitung von und der Handel mit Bio-Lebens- und Futtermitteln ist europarechtlich harmonisiert worden und unterliegt auf dem gesamten europäischen Binnenmarkt denselben rechtlichen Vorgaben und Anforderungen.

Bereits im Jahr 2018 verabschiedete der EU-Gesetzgeber die Verordnung Nr. 2018/848, die als vollständig reformierte, neue Öko-Basisverordnung das Recht über die biologische und ökologische Produktion in der EU reformieren und die bisherige Verordnung Nr. 834/2007 ablösen sollte.

Anlass für die Reform gaben vor allem weiterentwickelte Produktionsabläufe, neue Erzeugungsstandards und der Fortschritt globaler Handelsbeziehungen mit einem Bedürfnis nach einheitlichen Rahmenbedingungen.

Ursprünglich sollte das reformierte EU-Bio-Recht bereits zum 01.01.2021 in Kraft treten.

Mit der Durchführungsverordnung Nr. 2020/2042 wurde der Geltungsbeginn allerdings auf den 01.01.2022 verlegt, um Belastungen der Erzeuger- und Handelsbranche als Konsequenzen der Covid19-Pandemie angemessen zu berücksichtigen und den administrativen Umstellungsaufwand nicht als weitere Beschwer hinzutreten zu lassen.

Damit gilt das neue Öko-Recht gemäß der Verordnung Nr. 2018/848 erstmalig ab dem 01.01.2022.

Die besonderen unionsrechtlichen Vorgaben haben in Deutschland unter Gebrauchmachung von bestimmten Rechtssetzungsermächtigungen eine Umsetzung im Ökolandbaugesetz (ÖLG), Öko-Kennzeichnungsgesetz (ÖkoKennzG),die zum 01.01.2022 ebenfalls an das neue europäische Verordnungsbild angepasst werden.

Hinweis: die Begriffe biologisch/ökologisch werden vom europäischen Gesetzgeber als Synonyme verstanden.

Auf Grundlage dieser Rechtsakte sollen Im Folgenden nun die Voraussetzungen aufgezeigt werden, die beim Vertrieb von Bio/Öko-Lebens- oder Futtermitteln zu berücksichtigen sind. Hierfür wird hierfür zunächst grundlegend auf den Verkauf und sodann spezifisch auf den Bereich der Werbung eingegangen.

B. Regeln beim Verkauf von Bio-Lebens- und Futtermittel

Will ein Unternehmer Lebens – oder Futtermittel als biologische/ökologische Erzeugnisse vertreiben, so hat er im Regelungsbereich der Öko-Verordnung verschiedensten Anforderungen zu genügen, die sich zum einen auf die Herstellung der Produkte oder Produktkomponenten beziehen, zum anderen aber als Kontroll-, Melde- und Kennzeichnungspflichten ausgestaltet sind.

I. Geltungsbereich und Grundsätzliches

Werden Lebens- oder Futtermittelerzeugnisse in der europäischen Union in Verkehr gebracht und als Bio- oder Ökoprodukte bezeichnet, ist dies nach Art. 30 Abs. 1 der Öko-Verordnung nur zulässig, sofern sämtliche ihrer Bestimmungen eingehalten wurden.

Der Bezeichnung mit den oben genannten Begriffen stehen sämtliche Synonyme oder Paraphrasierungen gleich, die dem Verbraucher eine Einhaltung der Verordnungsvorgaben in gleicher Weise signalisieren, sodass auch Formulierungen wie „aus biologischem/ökologischen Anbau“ oder „biologisch/ökologisch erzeugt“ sowie „aus kontrolliertem biologischen/ökologischen Anbau“ uneingeschränkt erfasst werden. Ebenso indiziell ist die Verwendung des europäischen oder eines nationalen oder privaten Logos (dazu später mehr).

Um den Anforderungen der Verordnung zu unterfallen, müssen die vertriebenen Erzeugnisse aber vom Anwendungsbereich erfasst sein. Die Ausweisung eines Produktes als biologisch oder ökologisch suggeriert stets die Erfüllung spezifischer Anbau- oder Herstellungsbedingungen mit Rücksicht auf besondere Standards. Biologische oder ökologische Produkte nach der Verordnung können daher nur landwirtschaftliche und neuerdings auch landwirtschaftsnahe Erzeugnisse im weitesten Sinne sein.

Explizit gilt die Verordnung nach Art. 1 Abs. 2 für:

  • lebende oder unverarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse
  • verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind
  • Futtermittel
  • vegetatives Vermehrungsmaterial und Saatgut für den Anbau.
  • als Lebensmittel oder Futtermittel verwendete Hefen

Aquakulturen und die Imkerei sind vom Begriff der Landwirtschaft erfasst, wohingegen die Erzeugnisse der Jagd und der Fischerei wild lebender Tiere nicht als aus ökologischer/biologischer Produktion stammend gelten.

Gemäß dem neuen Art. 2 Abs. 1 Satz 2 finden die Öko-Rechtsvorschriften ab dem 01.01.2022 auch Anwendung auf bestimmte andere eng mit der Landwirtschaft verbundene Erzeugnisse gemäß Anhang I der Verordnung.

Eine Biozertifizierung und eine Geltungswirkung der Verordnung sind fortan auch bei folgenden Produkten möglich:

  • Hefen, die als Lebens- oder Futtermittel verwendet werden
  • Mate, Zuckermais, Weinblätter, Palmherzen, Hopfentriebe und andere ähnliche genießbare Pflanzenteile und daraus hergestellte Erzeugnisse
  • Meersalz und andere Salze für Lebens- und Futtermittel
  • Seidenraupenkokons, zum Abhaspeln geeignet
  • natürliche Gummis und Harze
  • Bienenwachs
  • ätherische Öle
  • Korkstopfen aus Naturkork, nicht zusammengepresst, und ohne Bindemittel
  • Baumwolle, weder gekrempelt noch gekämmt
  • Wolle, weder gekrempelt noch gekämmt
  • rohe Häute und unbehandelte Felle
  • traditionelle pflanzliche Zubereitungen auf pflanzlicher Basis

II. Materielle Verkaufsanforderungen: Bio ist Bio, wenn ...

Die Öko-Verordnung sieht in diversen Artikeln spezifische Produktions- und Anbauvoraussetzungen für die verschiedenen Arten von landwirtschaftlichen Erzeugnissen vor, deren Einhaltung dem jeweils produzierenden Unternehmer obliegt. Neben der Unterscheidung von tierischen und pflanzlichen Produkten ist insbesondere die Züchtung von aquatischen Tieren und Pflanzen an spezielle Voraussetzungen geknüpft.

Elementar differenziert die Verordnung vor allem zwischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Rohform (z.B. Gemüse) und verarbeiteten Lebens- und Futtermitteln, für deren Ausweisung als biologisch oder ökologisch unterschiedlich strenge Vorgaben zu beachten sind.

Ohne detailliert auf die diversen erzeugnisspezifischen Produktionsbedingungen einzugehen, müssen für die Bio-/Ökoqualität eines Lebens- oder Futtermittels grundsätzlich folgende Vorgaben eingehalten werden:

  • Erzeugnisse müssen je nach Gattung den verschiedenen Produktions- und Anbaugrundsätzen des Kapitels III entsprechen
  • verarbeitete Lebens- und Futtermittel müssen ihrerseits mindestens zu 95 Gewichtsprozent aus Zutaten ökologischen/biologischen landwirtschaftlichen Ursprungs bestehen (ErwGr. 78, Art. 30 Abs. 5 lit. a. ii. )
  • kein Lebens- oder Futtermittel bzw. keine Zutat (im Bereich der 95%) darf unter Einsatz von Gentechnik produziert bzw. angebaut worden sein. Genetisch veränderte Organismen oder aus ihnen hergestellte Erzeugnisse können grundsätzlich nie biologisch/ ökologisch sein (ErwGr. 23, Art. 11)

III. Formelle Verkaufsanforderungen (Kontrolle, Zertifizierung)

Um Bio-Produkte in rechtmäßiger Weise vertreiben zu können, genügt es allerdings nicht, den materiellen Anforderungen an die Produktionsbedingungen nachzukommen. Zu hoch wäre das Betrugs- und Irreführungspotenzial.

Aus diesem Grund sieht die Verordnung eine Verifikationspflicht für sämtliche Unternehmer in der Vertriebskette von biologischen Erzeugnissen vor, die ihr Gewerbe einer staatlichen Kontrollstelle melden und dieses sodann auf die Konformität mit den Produktionsvorschriften der Öko-Verordnung hin überprüfen lassen müssen.

1.) Die Kontrollpflicht

Jeder Unternehmer, der landwirtschaftliche Erzeugnisse im Geltungsbereich der Verordnung erzeugt, aufbereitet, lagert, vertreibt, aus einem Drittland einführt, in ein Drittland ausführt oder in Verkehr bringt, ist vor dem Inverkehrbringen von jeglichen Erzeugnissen als ökologische/biologische Erzeugnisse gem. Art. 34 Abs. 1 verpflichtet, seine Tätigkeit den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu melden sowie sein Unternehmen dem etablierten Kontrollsystem zu unterziehen.

Die Kontrollpflicht von Bio-Unternehmern legt diesen mithin auf, noch vor dem Inverkehrbringen den geplanten Vertrieb von biologischen Erzeugnissen einer im jeweiligen Mitgliedsstaat anerkannten Stelle zu melden und den Betrieb sodann von einer solchen kontrollieren zu lassen. Am Ende einer erfolgreichen Untersuchung, während derer die Erfüllung aller spezifischen Bedingungen für einen zulässigen biologischen Anbau verifiziert wird, erfolgt eine Zertifizierung des Unternehmers durch Vergabe einer spezifischen Kontrollnummer mit der Genehmigung, fortan mit staatlicher Anerkennung echte Bio-Erzeugnisse vertreiben zu dürfen. Die Genehmigung ergeht in Form eines behördlichen Zertifikats, Art. 35 EU-Öko-Verordnung.

Ein Verkauf von Bio-Lebens- oder Futtermitteln mit entsprechender Kennzeichnung ist erst nach erfolgreicher Kontrolle und Zertifizierung zulässig.

Nach eindeutigem Wortlaut des Art. 34 Abs. 1 obliegt die Kontrollpflicht jedem Unternehmer in der Vertriebskette und beschränkt sich damit nicht auf den Hersteller/Lieferanten, sondern betrifft den gesamten Einzelhandel.

Eine Liste der in Deutschland zuständigen Kontrollstellen kann hier abgerufen werden.

2.) Ausnahme nach dem ÖLG: direkte Abgabe an Endnutzer

Eine Ausnahme von der Kontrollpflicht findet sich jedoch in §3 Abs. 2 des Öko-Landbaugesetzes (ÖLG), dessen Verabschiedung der Umsetzung der Verordnungsvorgaben sieht und von einer Ermächtigungsgrundlage gebraucht macht, durch die bestimmte Händler privilegiert werden können.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift sollen solche Händler von der Kontrollpflicht freigestellt sein, die biologische Erzeugnisse lediglich direkt an Endnutzer abgeben, ohne diese selbst zu erzeugen, aufzubereiten oder zu importieren. Ihnen wird keine eigenständige Zertifizierung auferlegt, sodass sie ohne vorangegangene Prüfung durch eine Kontrollstelle in zulässiger Weise Bio-Erzeugnisse verkaufen dürfen.

3.) Kontrollpflicht auch im Online-Handel!

Umstritten war jedoch lange Zeit die Auslegung des Merkmals der „direkten Abgabe“ nach §3 Abs. 2 ÖLG, welches gerade angesichts der zunehmenden Bedeutung des Online-Handels kontrovers diskutiert wurde.

Teilweise fand die Ansicht Gehör, nach der auch im Online-Handel eine direkte Abgabe an der Verbraucher erfolge, weil elektronische Angebote ebenso wie im stationären Handel eine Einladung zum Kauf („invitatio ad offerendum“) enthielten, die der Verbraucher einseitig annehmen könne (so zuletzt das LG Fulda, Urteil v. 23.09.2013 - Az. 2 O 161/13).

Nach einer derartigen Auffassung konnte nach dem Ausnahmetatbestand des §3 Abs. 2 ÖLG im elektronischen Geschäftsverkehr keine Pflicht begründet werden, die unternehmerische Tätigkeit einer Kontrolle und Zertifizierung zu unterziehen und mithin in der Werbung und bei Angeboten eine Kontrollnummer auszuweisen.

Demgegenüber hat sich nun allgemein aber die Gegenauffassung durchgesetzt, nach der die Online-Händler sehr wohl in die Pflicht zu nehmen sind. Mit Urteil vom 30.09.2014 (Az. 14 U 201/13) hat nun als erstes zweitinstanzliches Gericht das OLG Frankfurt a.M. die zuvor von der Wettbewerbszentrale verteidigte Ansicht (die IT-Recht-Kanzlei berichtete in folgendem Beitrag) bestätigt, dass Online-Händler von der Kontrollpflicht gerade nicht befreit werden sollen.

Mit Blick auf teleologische Erwägung wurde insofern argumentiert, dass zusätzlich zur direkten Abgabe das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der beidseitigen Anwesenheit der Vertragsparteien erforderlich sei. Privilegiert werden sollten ausschließlich solche Händler, die den Verbrauchern Möglichkeit böten, die Erzeugnisse ausgestellt zu sehen, und am Vertragsschluss direkt beteiligt seien.

Bereits im Jahre 2008 hatte auch die „Länderarbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau“ (LÖK), die eigens aufgrund von Auslegungsdifferenzen der ÖLG-Vorschriften in den Bundesländern einberufen und für eine harmonisierte Handhabung der Regelungen sorgen sollte, mit dem der Ansicht des OLG Frankfurt a.M. identische Position vertreten.

Online-Händler müssen sich, sofern sie als biologisch gekennzeichnete Erzeugnisse vertreiben, stets einer vorherigen behördlichen Kontrolle unterziehen und eine Zertifizierung abwarten!

Von der Ausnahme des §3 Abs. 2 ÖLG umfasst werden somit allenfalls Ladenlokale sowie Hofläden oder Wochenmarktstände, bei denen die Ware direkt vor den Augen der Verbraucher verpackt wird oder zumindest eine gleichzeitige räumliche Anwesenheit beider Parteien gegeben ist.

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4.) Sanktionen bei Verstoß

Unterstellen (Online)-Händler ihr Unternehmen nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig einer zuständigen Kontrollstelle in Deutschland, können nach §13 Abs. 4 Nr. 3 ÖLG-2022 Bußgelder verhängt werden.

Weit gravierender jedoch dürften sich wettbewerbsrechtliche Konsequenzen ausprägen, die bei mangelnder Kontrolle und Zertifizierung in einem Vertriebsverbot für die betreffenden biologischen Erzeugnisse resultieren können. Über §4 Nr. 11 UWG können in Verbindung mit Art. 34 Abs. 1 nämlich entsprechende Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden.

5.) Verkauf nur bei Kontrolle und Zertifizierung aller Mitglieder der Vertriebskette

Weil die Pflicht zur Kontrolle und Zertifizierung jedem Unternehmer obliegt, der biologische Produkte erzeugt, aufbereitet, lagert, aus einem Drittland einführt oder in Verkehr bringt (Art.28), muss sich jede Vertriebsstufe selbstständig einer Überprüfung und Validierung durch die Kontrollstellen unterziehen.

Versäumnisse oder unrichtige Umsetzungen gehen hierbei auch zu Lasten der nächsten Handelsstufe. Unabhängig von der eigenen Kontrollpflicht sind nämlich alle Unternehmer nach Art. 35 Abs. 6 nämlich verpflichtet, die Zertifikate (Vertriebsgenehmigung) ihrer Lieferanten zu überprüfen und etwaige Mängel den Behörden anzuzeigen. Ihnen werden mithin Sorgfaltspflichten ob der Zulassung des jeweils höherstufigen Mitgliedes in der Vertriebskette auferlegt, die bei Verletzung eine selbstständige Haftung des Belieferten nach sich ziehen können.

Ein rechtssicherer Verkauf von Bio-Erzeugnissen kann mithin nur gewährleistet werden, wenn sämtliche Mitglieder der Vertriebskette ordnungsgemäß kontrolliert und zertifiziert wurden.

6.) Insbesondere: Importeur-/Inverkehrbringer-Zertifizierung

Gleichermaßen ist elementare Bedingung für den Handel mit Bio-Erzeugnissen, dass der jeweilige Inverkehrbringer (rglmßg.der Hersteller) oder Importeur, in dessen Betrieb das Erzeugnis für die Marktbereitstellung abschließend aufbereitet wird, aufgrund seiner betrieblichen Bedingungen für die Weitergabe zertifiziert wurde. Nur eine Kontrolle und anschließende Zertifizierung bescheinigt nämlich die Verordnungskonformität und die Erfüllung sämtlicher Anforderungen. Wurde ein Hersteller oder Importeur nicht kontrolliert und anschließend zertifiziert, wirkt sich dies unmittelbar auf die handelnden Unternehmer aus und begründet eine eigenständige Haftung aus Wettbewerbs- und Sanktionsrecht, sofern sie die Erzeugnisse mit Bezeichnungen wie „bio“/“öko“ (oder ähnlichen Begriffen, s. B. I.) bewerben oder solche in ihren Geschäftspapieren führen. Nach Art. 30 Abs. 2 ist es insofern nämlich unzulässig, die Bezeichnungen zu verwenden, sofern die betroffenen Erzeugnisse die Verordnungsvorgaben nicht erfüllen. §12 Abs. 2 Nr. 1 ÖLG-2022 erklärt die Verwendung von derlei Bezeichnungen in Geschäftspapieren und Werbung für strafbar – und zwar unabhängig von etwaigem Verschulden.

Ist ein Hersteller/Importeur nicht zertifiziert, ist nicht sichergestellt, dass die von ihm vertriebenen Erzeugnisse den Vorgaben der Verordnungen genügen. Händler, welche die Ware in ihrer Werbung oder in Geschäftspapieren als biologisch oder ökologisch bezeichnen, haften verschuldensunabhängig (trotz mangelnder Kenntnis von der fehlenden Herstellerzertifizierung) nach den §5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und §4 Nr. 11 UWG und machen sich nach §12 Abs. 2 Nr. 1 ÖLG-2022 zudem strafbar.

IV. Kurzanleitung für die Wahl und Beauftragung einer Kontrollstelle und den Kontrollablauf

Die Wahl einer geeigneten Kontrollstelle sollte insbesondere aus finanziellen Gründen gut überlegt sein. Öko-Kontrollstellen sind privatrechtliche Unternehmen, die in ihren Preisen sowie in dem Umfang der angebotenen Dienstleistungen variieren. Im Folgenden werden kurz die Schritte und Gesichtspunkte aufgezeigt, die bei der Auswahl und Beauftragung einer Kontrollstelle zu beachten sind.

1. Unternehmensprofil prüfen – unter welchen Kontrollbereich fällt das Unternehmen bzw. die angestrebte „Bio-Tätigkeit“?

Die Zulassung erstreckt sich auf verschiedene Kontrollbereiche, die sich je nach Tätigkeitsfeldern unterscheiden:

A. Erzeugung von Pflanzen, pflanzlichen Erzeugnissen, Tieren und oder tierischen Erzeugnissen und/oder
B. Einheiten für die Aufbereitung von pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen sowie von aus pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen bestehenden Lebensmitteln und/oder
C. Einfuhr von Pflanzen, pflanzlichen Erzeugnissen, Tieren, tierischen Erzeugnissen sowie von aus pflanzlichen und/oder tierischen Erzeugnissen bestehenden Lebensmitteln aus Drittländern und/oder
D. Einheiten, die in die Erzeugung, Aufbereitung oder Einfuhr von Erzeugnissen gemäß Artikel 1 Absatz 1 einbezogen sind und die die damit verbundenen Tätigkeiten ganz oder teilweise an Dritte vergeben haben.
E. Einheiten für die Aufbereitung von Futtermitteln, Mischfuttermitteln und Futtermittel-Ausgangserzeugnissen
H. Handelsbetriebe die ausschließlich lagern und vermarkten. Hierzu haben die meisten Kontrollstellen eine Zulassung.

Hinweis: Vom Kontrollbereich „B“ ist Kontrollbereich „H“ mitumfasst.

2. Kontrollstelle raussuchen

Übersichtliche offizielle Liste: https://www.oekolandbau.de/oeko-kontrollstellen/

Zu beachten:

  • unterschiedliches Preis- und Leistungsspektrum
  • unterschiedliche Modalitäten (angekündigte/unangekündigte Kontrollen)
  • unterschiedliche Einschätzung des zeitlichem Umfangs der Erstkontrolle
  • unterschiedliche Kontrollbereiche

3. Informationen anfordern und Angebote erstellen lassen

So unterschiedlich die Unternehmen sind, so unterschiedlich sind die Varianten und Anforderungen, die schon vor Angebotsunterbreitung gestellt werden. Einige Kontrollstellen brauchen für die Unterbreitung bereits die genaue Unternehmensbeschreibung und Handelsregistereintrag, andere senden Ihnen schon mal ein unverbindliches Angebot und Informationsmaterial zu.

Während einige ausschließlich den postalischen Weg nutzen, bekommen Sie bei anderen Stellen die Informationen schnell als PDF im Mail-Anhang. Achten Sie bei den Vertragsentwürfen immer darauf, inwieweit das Kontrollunternehmen auch den Datenschutz berücksichtigt – schließlich müssen Sie sensible Daten offenlegen.

4. Vertrag mit Kontrollstelle abschließen, Termin für Erstkontrolle vereinbaren

Nach Vertragsschluss ist es wichtig, den Kontrolltermin genau vorzubereiten, denn je gewissenhafter Ihre Vorbereitungen sind, desto schneller kann die Erstkontrolle abgeschlossen werden, was für Sie bares Geld bedeutet. Jede Kontrollstelle hat eigene Wünsche, welche Unterlagen wie aufbereitet sein sollen, so dass Sie sich im Vorfeld informieren und explizit nachfragen sollten.

5. (Erst-)Kontrolltermin

a) Terminvereinbarung

Die Kontrolleure vereinbaren den Inspektionstermin mit einem verantwortlichen Mitarbeiter des Unternehmens direkt. Dies kann der Betriebsleiter, Inhaber oder jeder andere Miterbeiter sein. Voraussetzung ist, dass dieser Einsicht in den Ablauf und die Akten gewähren und verbindlich Auskünfte erteilen kann.

Natürlich stehen die Kontrolleure auch für Fragen zur Verfügung.

Drei Bereiche werden bei der Kontrolle wesentlich sein:

1. Produktions- und/oder Lagerstätten
2. Buchhaltung/Verwaltung
3. Produktkennzeichnung/Warenüberprüfung

b) Wie wird kontrolliert?

Beim Termin selbst sind die Buchhaltungsunterlagen bereit zu halten und sämtliche Dokumente, die Warenein- und Ausgang, Zertifizierung der Lieferanten etc. betreffen (s. auch Punkt 6.Dokumentation) Hierzu zählen auch alle Grunddaten des Betriebs.

Insbesondere sind dies:

  • Organigramm der verantwortlichen Mitarbeiter
  • Gesamtartikelliste
  • Rezepturen der Bio-Waren
  • Lieferantenliste
  • Kundenliste
  • Grundrisspläne
  • Fließdiagramm
  • Mengenflussnachweise
  • Etiketten der Bio-Waren
  • Belege für Wareneingang, evtl. Zwischenlagerung und Warenausgang

Zu beachten ist auch, dass bei der Produktion (also auch dem bloßen Umpacken oder Mischen von fertigen Produkten) streng zwischen „Bio“ und anderen Produkten unterschieden werden muss. Das gilt auch schon im Hinblick auf die Lagerung (eigenes Regal für Bio-Produkte).

Der Umfang der Kontrolle und die Dauer der Inspektion hängen natürlich auch immer vom Unternehmensprofil ab – reine Händler benötigen beispielsweise keine Produktionsstätten.

Die Kontrolle umfasst:

  • die Besichtigung sämtlicher Betriebsgebäude,
  • eine Begutachtung der Flächen und Kulturen,
  • die Überprüfung des Betriebsmittelzukaufs,
  • eine Plausibilitätsprüfung der verkauften Mengen,
  • die Überprüfung der Deklaration,
  • gegebenenfalls eine Überprüfung der Trennung zwischen ökologischer und konventioneller Produktion,
  • die Überprüfung der Vorgaben aus dem Umstellungsplan und der bei der letzten Inspektion erteilten Auflagen,
  • die Überprüfung der Haltungssysteme bzw. Haltungsbedingungen der Tiere sowie der Fütterung,
  • die Überprüfung der Rezepturen, des Rohwareneinkaufs und des Warenflusses in der Verarbeitung,
  • die Einhaltung der Verbandsrichtlinien bei Verbandsbetrieben.

Die Ergebnisse der Kontrolle dokumentiert der Kontrolleur in einem Prüfbericht. Dieser wird vom Unternehmensmitarbeiter gegengezeichnet und eine Kopie verbleibt beim Unternehmen.

Der Bericht selbst wird in der Kontrollstelle ausgewertet, mit Erläuterungen und eventuell notwendigen Auflagen versehen und zusammen mit dem Zertifikat dem Unternehmen geschickt (Konformitätsbescheid).

Bitte beachten Sie: Neben den Hauptkontrollen erfolgen noch Stichprobenkontrollen, die in der Regel unangekündigt sind. Der erforderliche Prozentsatz variiert je nach Bundesland, liegt aber im Durchschnitt bei 10-20%.

6. Dokumentation des Mengen-/Warenflusses

Grundsatz: Jedes Produkt muss vom Ersterzeuger bis zum Verbraucher nachvollziehbar sein.

Von überaus großer Bedeutung ist daher beim Handel oder auch der Produktion von Bio-Produkten die Dokumentation. Neben der normalen buchhalterischen Dokumentation ist für ein zertifiziertes Unternehmen noch ein „Mehr“ gefordert.

Aus Ihren Unterlagen muss genau nachvollziehbar sein, woher das Unternehmen ein Produkt hat und wer dieses Produkt schließlich erworben hat. Dieser Warenfluss muss einwandfrei überprüfbar sein.

a) Wareneingang

Bei den Warenbegleitunterlagen muss darauf geachtet werden, dass beim Einkauf auf dem Lieferschein neben dem Wort „Bio“ auch die Kontrollstelle des Lieferanten angegeben ist. Wenn diese Angabe auf dem Lieferschein fehlt, müssen Sie dies unverzüglich rügen. Teilweise wird von den Kontrollstellen geraten, die Ware ganz zurückzuweisen, denn es ist in der Verantwortung des Unternehmers gegenüber seinen Kunden, dass die Warenkette lückenlos überprüfbar ist.

Weiter wird verlangt, dass Sie immer aktuelle Zertifikate der Lieferanten in Ihren Unterlagen haben. (Von einigen Unternehmen werden diese dann schon auf der Website zum Download bereitgestellt oder als Datei per E-Mail verschickt).

Ganz wichtig: Eine genaue Dokumentation des Warenflusses und die Überwachung der Lieferanten, dass diese immer aktuell lizenziert sind

b) Warenausgang

Beim Warenausgang sind die formalen Anforderungen ähnlich gelagert: auch hier muss der Mengen- und Warenfluss nachvollziehbar sein.

Hier sind natürlich auch auf den Lieferscheinen und Rechnungen die Code-Nr und die Kennzeichnung als „Bio“ zu vermerken.

Tipp: Legen Sie sich einen „Bio-Ordner“ an, wo alle Zertifikate und die relevanten Lieferscheine abgeheftet sind.

7. Weiterer Verlauf

Wenn die Erstkontrolle erfolgreich verlaufen ist und Sie das Zertifikat in den Händen halten, müssen Sie eigentlich nur noch den „status quo“ erhalten bzw. die Auflagen und Anforderungen, die sich bei der Erstkontrolle ergeben haben, umsetzen.

Nach einigen Wochen Tätigkeit als zertifiziertes „Öko-Unternehmen“ erfolgt eine erneute Kontrolle, in der überprüft wird, ob die Anforderungen und Auflagen erfüllt sind.

Bei der jährlichen Kontrolle werden dann nur noch Veränderungen dokumentiert und der Warenfluss überprüft.

Noch wichtig zu wissen: Die Kontrollstellen sind berechtigt, Verstöße zu sanktionieren. Da sich der Unternehmer vertraglich verpflichtet hat, sind solche Sanktionen möglich. Der Katalog reicht von schriftlichen Vermerken, erhöhten Anforderungen an die Aufzeichnungspflicht über zusätzliche kostenpflichtige Inspektionen und Probenentnahmen bis letztlich zum Entzug der Lizenz. Den Sanktionskatalog erhalten Sie meist schon mit dem Angebot und diese sind bei den Kontrollstellen im Wesentlichen gleich – doch lohnt sich ein Blick auf jeden Fall um auch abschätzen zu können, wie schnell wie intensive Sanktionen drohen.

8. Beispielangebot

Für den ersten Eindruck ein Beispielangebot für einen Händler, der der Gruppe „H“ unterfällt und nur einen geringen Umfang an Bio-Produkten hat.

a) Beispielkontrollstelle 1:

Grundpauschale pro Jahr: 105,00 €
Kontrollzeit: 65,00 €/Stunde
Organisationskosten: 90,00 € pauschal
(pro Kontrolltermine)

Für die Erstkontrolle wurden von der Kontrollstelle 2-3 Stunden geschätzt, so dass sich die Kosten in einem Rahmen von 310 – 390 € bewegen. Dies gilt zzgl. MwSt.

b) Beispielkontrollstelle 2:

Auch hier gilt: Kosten richten sich nach Aufwand.

Betriebsinspektion
(inkl. Vor- und Nachbereitung durch Kontrolleur und Berichterstellung) 108,50 €/Std

Fahrtkosten (anteilige Berechnung)
Strecke 0,50 €/km
Zeit 46,00 €/Std
Übernachtung/Spesen 62,00 €/Std
Kontrollstellen-Bescheide
Kontrollbestätigung 30,00 €
Auflagenbescheid 46,00 €
Sanktionsbescheid 100,00 €
Verwaltung/Organisation 46,00 €/Std

Im Angebot geschätzte Kosten 400 – 550 € pro Jahr zzgl. MwSt.

c) Beispielkontrollstelle 3

Kontrollpauschale: 200,00 € + Aufwand Kontrolleur
Kontrollzeit: 60,00 €/Std
Zertifizierung 160,00 €

Geschätzter zeitlicher Aufwand für die Erstkontrolle 2 Stunden, daher ein Kostenrahmen von 480,00 € zzgl. MwSt.

V. Bio-Kennzeichnung

Die soeben geschilderte verschuldensunabhängige Haftung der Händler für Bezeichnungen in der Werbung und in Geschäftspapieren bei Verstößen der Hersteller oder Importeure wird dadurch relativiert, dass diese beim Inverkehrbringen von Bio-Erzeugnissen grundsätzlich verschiedene Kennzeichnungsobliegenheiten zu beachten haben. Eine Kennzeichnung ist zwar nicht verpflichtend vorgeschrieben. Wenn Hersteller oder Importeure die Erzeugnisse aber mit Bio- bzw. Ökosiegeln/-angaben versehen, sind die besonderen Kennzeichnungspflichten der Verordnung zu beachten. Anhand der Kennzeichnung können sodann nachgelagerte Handelsstufen überprüfen, ob die jeweiligen Verordnungsvorschriften eingehalten wurden.

1.) Die Öko-Kontrollnummer

Jedem Unternehmer, der sich der verpflichtenden Kontrolle nach Art. 34 Abs. 1 unterzogen hat und für den Vertrieb von Bio-Produkten zertifiziert wurde, wird eine Kontrollnummer zugewiesen, die mit dem Kürzel des Mitgliedstaates beginnen und eine Bezeichnung mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion sowie die Referenznummer der Kontrollstelle enthalten muss (Anhang V Nr. 2 der neuen Basis-Verordnung 2018/848)

Die Nummer ist nach dem Schema AA-BBB-333 aufgebaut, wobei „AA“ für den ISO-Code des jeweiligen Landes (z.B. „DE“ für Deutschland), „BBB“ für die Art der Erzeugung (z.B. „BIO“ für biologische Erzeugung) und „333“ für eine Referenznummer der jeweiligen Kontrollbehörde steht (also z.B. DE-BIO-789).

Die Kontrollnummer soll dem Verbraucher ermöglichen, die Herkunft der Erzeugnisse zurückzuverfolgen, und *muss immer dort, wo ein Produkt als biologisch oder ökologisch bezeichnet oder mit einem entsprechenden Siegel gekennzeichnet wird, angegeben werden, Art. 32 Abs. 1 lit.a. *

Primär obliegt diese Kennzeichnung als physische Etikettierungspflicht den Erzeugern und hält dazu an, auf der Verpackung des jeweiligen Bio-Produkts den Code derjenigen Stelle zu verwenden, welche die jeweils letzte Erzeugungs- bzw. Aufbereitungshandlung überwacht hat. Wer selbst Bio-Lebensmittel erzeugt bzw. aufbereitet und diese dann auch selbst vermarktet, hat im Umkehrschluss den Code der eigenen Kontrollstelle anzugeben.

Achtung: die Pflicht zur Anführung einer Öko-Kontrollnummer trifft aufgrund der von Art. 30 Abs. 1 angeordneten Gleichstellung von Kennzeichnung und Werbung auch alle Händler, die Produkte unter Hinweis auf ihre biologische Herstellung oder unter Verwendung der amtlichen oder privaten Öko-Siegel vertreiben (s. dazu unter C. II.)

Hersteller oder Importeure, die vorverpackte Bio-Erzeugnisse als solche in Verkehr bringen und diese keinerlei externen Fertigungs- oder Aufbereitungshandlungen unterziehen, haben ihre Kontrollnummer auf der Produktverpackung anzuführen.

Haben Hersteller oder Importeure demgegenüber die letzten Schritte im Fertigungsprozess ausgegliedert und Drittunternehmen übertragen, darf auf den Produktverpackungen nicht ihre eigene, sondern muss die Kontrollnummer desjenigen Unternehmens angeführt werden, welches mit dem letzten Fertigungsschritt vor der Marktbereitstellung betraut ist.

Die Kontrollnummer muss an gut sichtbarer Stelle, deutlich lesbar und unverwischbar angebracht sein, Art. 32 Abs. 3. Gängige Praxis ist es, die Kontrollnummer in unmittelbarer Nähe zum bei der physischen Kennzeichnung verpflichtend anzubringenden EU-Öko-Logo (s.u.) zu platzieren.

2.) Gemeinschaftslogo

Gleichermaßen sind die Hersteller und Importeure, die ihre Produkte mit Angaben nach Art. 30 Abs. 1 bezeichnen, zwingend zur Anführung des Bio-Gemeinschaftslogos auf den Verpackungen verpflichtet, Art. 32 Abs. 1 lit. b.

Umgekehrt darf das Gemeinschaftslogo nur für Erzeugnisse verwendet werden, die den Anforderungen der EU-Öko-Verordnung entsprechen.

Das Logo ist wie folgt gestaltet:

Öko-Logo neu

Wird das Logo verwendet, muss im selben Sichtfeld auch der Ort der Erzeugung der landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe erscheinen, aus denen sich das Produkt zusammensetzt.

Stammen die Ausgansstoffe aus der EU, ist der Ort mit „EU-Landwirtschaft“ zu bezeichnen, falls nicht mit „Nicht-EU-Landwirtschaft“, bei teilweiser Herkunft aus EU- bzw. Nicht-EU-Ländern „EU-/Nicht-EU-Landwirtschaft“.

Neu ist, dass ab dem 01.01.2022 anstelle von „EU“ oder „Nicht-EU“ nicht nur wie bisher auch ein Land angegeben werden darf, sondern künftig auch ein Land und eine spezielle Landesregion (Art. 32 Abs. 2 Unterabsatz 2), sofern alle landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe, aus denen sich das Erzeugnis zusammensetzt, in dem genannten Land und gegebenenfalls in der genannten Region erzeugt worden sind.

Bei der Bestimmung, ob „alle“ Ausgangsstoffe dieser Herkunft sind, gilt künftig eine höhere Toleranzgrenze: bisher konnten kleine Gewichtsmengen von bis zu 2% des Gesamtgewichts, die die ausgewiesene Herkunft nicht innehatten, bei der Beurteilung der Herkunft unberücksichtigt bleiben.

Diese Toleranzgrenze wird zum 01.01.2022 auf 5% erhöht.

In der Praxis werden auf Produktverpackungen das von zertifizierten Unternehmen verpflichtend anzuführende Logo und die Kontrollnummer (s.o.) zusammen angeführt, wie folgendes Beispiel zeigt:

2

Das Logo muss an gut sichtbarer Stelle, deutlich lesbar und unverwischbar angebracht sein, Art. 32 Abs. 3

Achtung: bei verarbeiteten Lebensmitteln, deren ökologische/biologische Zutaten weniger als 95% des Gesamtgewichts ausmachen, darf das Logo aus Gründen der Irreführungsgefahr nicht verwendet werden, Art. 30 Abs. 5. lit. a ii)

3.) Nationale und private Logos

Nach Art. 33 Abs. 5 steht die EU-Öko-Verordnung der Verwendung von nationalen und privaten Logos in der Kennzeichnung nicht entgegen, sofern die besiegelten Erzeugnisse zumindest die Vorgaben der Verordnung erfüllen.

Ist ein Unternehmen nach Maßgabe der Verordnungsbestimmungen kontrolliert und zertifiziert worden, steht die Verordnung einer Benutzung der Logos zur Kennzeichnung grundsätzlich nicht entgegen. Zu beachten ist allerdings, dass insbesondere private Logos (z.B. Demeter, Bioland etc.) teilweise strengere Erteilungsvoraussetzungen aufstellen, denen zur rechtmäßigen Verwendung ebenso nachgekommen werden muss.

Zu beachten ist allerdings, dass die Kennzeichnung mit einem nationalen oder privaten Siegel der Bezeichnung eines Erzeugnisses als bio, öko oder dergleichen nach Art. 30 Abs. 1 gleichsteht. Wird ein nationales Siegel verwendet, sind also zwingend auch die europäischen Kennzeichnungsvorgaben (Kontrollnummer, Gemeinschaftslogo etc.) einzuhalten.

Das in Deutschland vergebene staatliche Logo ist das Bio-Siegel, das die EU-Rechtskonformität der mit ihm ihn gekennzeichneten Erzeugnisse ausweist:

3

Beim deutschen Bio-Siegel ist zu beachten, dass jedes Produkt, das mit dem Bio-Siegel gekennzeichnet wird, vor dem erstmaligen Inverkehrbringen bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung angemeldet werden muss. Informationen zur Anmeldung, die auch online möglich ist, finden sich hier.

VI. „Bio“ bei Gebrauchsgegenständen und verordnungsfremden Erzeugnissen

Problematische Konstellationen können sich dann ergeben, wenn Produkte, die die EU-Öko-Verordnung nicht in ihren Anwendungsbereich einbezieht, mit den Worten Bio/Öko oder gleichstehenden Bezeichnungen versehen oder beworben werden.

Zwar dürfen nach Art. 30 Abs. 1 derartige Angaben nur gemacht werden, wenn die Erzeugnisse im Einklang mit sämtlichen Vorgaben der Verordnung stehen.

Die Verordnung regelt ihrerseits aber nur die Anforderungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse in Lebensmitteln oder Futtermitteln, die zur Nahrungsaufnahme bestimmt sind.

1.) Gebrauchsgegenstände

Bestimmte Produktarten, wie z.B. Wärmekissen, können mit biologisch erzeugtem Getreide gefüllt sein, an dessen Ausweisung Hersteller und Händler ein berechtigtes Interesse haben.
Obwohl es sich bei dem Getreide um ein landwirtschaftliches Erzeugnis handelt, dient es in seiner konkreten Verwendungsform als Füllung für einen zur Unterstützung der Körper- und Gelenkfunktionen eingesetzten Gegenstand nicht der Nahrungsaufnahme und ist mithin kein Lebens- oder Futtermittel, für das die Verordnungsvorgaben gelten.

Außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung sollen nach Art. 30 Abs. 2 Unterabsatz 2 Bio-Angaben aber grundsätzlich zulässig sein, ohne dass die Anforderungen der Verordnungen zu beachten sind. Grenzen statuiert lediglich das ländereigene Lauterkeitsrecht.

Die Bewerbung oder Bezeichnung eines Wärmekissen als Gebrauchsgegenstand mit der Angabe „gefüllt mit dem Getreide X aus 100% biologischem Anbau“ wird also weder von der EU-Öko-Verordnung untersagt, noch sind deren spezifische Bestimmungen einzuhalten. Natürlich müssen derartige Angaben dennoch der Wahrheit entsprechen, da sie anderenfalls nach §5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irreführend sind.

Unzulässig, da irreführend, sind bei derlei Produkten aber auch die Verwendung des Gemeinschaftslogos sowie Angaben, die auf eine Verordnungskonformität hinweisen (z.B. „Bio gem. EU-Öko-Verordnung“). Gegenstände, die von den Regelungen der Verordnung nicht erfasst werden, können nicht deren Vorgaben entsprechen und dürfen dies nicht suggerieren.

2.) Lebensmittel außerhalb der Verordnung

Auch bei Lebensmitteln, die keine landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind oder überwiegend aus solchen gewonnen werden, sind Bio- oder Öko-Bezeichnungen grundsätzlich zulässig und nicht von der Umsetzung der Verordnungsbestimmungen abhängig, Art. 30 Abs. 2.
Hinweise auf die Verordnungskonformität und der Einsatz von Logos allerdings sind untersagt.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls können jedoch nationale Vorschriften der Zulässigkeit einer Verwendung entgegenstehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Bio/Öko-Angaben falsche Vorstellungen des Verbrauchers über eine gewisse Produktqualität wecken oder als Werbung mit Selbstverständlichkeiten unzulässig sind.

In einer viel beachteten Entscheidung urteilte der BGH (Entscheidung v. 13.09.2012 – Az. I ZR 230/11) diesbezüglich über die Zulässigkeit der Bezeichnung eines Mineralwassers als „Bio.“

Der Gerichtshof statuierte, dass eine Irreführung nach der EU-Öko-Verordnung nicht in Betracht komme, weil der Verkehr nicht erwarte, dass die Verwendung von "Bio" bei Mineralwässern gesetzlichen Vorgaben unterliege oder staatlich überwacht werde. Der Umstand, dass der Gesetzgeber bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen eine gesetzliche Regelung für die Verwendung von "Bio" getroffen habe, führe nicht dazu, dass diese Bezeichnung beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung nicht verwendet werden dürfe.

Im Einzelfall kann aber ein Verstoß gegen §11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LFGB in Verbindung mit der LMIV vorliegen, wenn die Verwendung des Wortes „Bio“ besondere qualitative Eigenschaften des Lebensmittels suggeriert, über die aufgrund einheitlicher Standards alle vergleichbaren Lebensmitteln ebenfalls verfügen.

Eine derartige irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten liegt aber dann nicht vor, wenn das als „Bio“ beworbene Lebensmittel sich ob seiner Reinheit und Menge an Schadstoffen tatsächlich positiv von der Menge an Konkurrenzprodukten abhebt.

Im konkreten Fall war dies gegeben, sodass die Bio-Angabe für zulässig erachtet wurde.

C. Die Werbung für Bio-Lebensmittel oder Bio-Futtermittel

Der Vertrieb von Erzeugnissen im Anwendungsbereich der EU-Öko-Verordnung unterliegt einer Vielzahl von besonderen Bestimmungen, die auch in der Werbung zu beachten sind und deren Zulässigkeit bedingt. Insbesondere müssen einzelne, bei der Produktkennzeichnung vorgegebene Erfordernisse in gleichem Umfang in der Werbung umgesetzt werden.

I. Gleichstellung von Kennzeichnung und Werbung

Nach Art. 30 Abs. 1 dürfen Erzeugnisse nur dann als biologisch/ökologisch bzw. mit gleichbedeutenden Angaben („aus kontrolliert biologischem/ökologischen Anbau“, „bio/öko“, „biologisches/ökologisches Erzeugnis“) bezeichnet werden, wenn sie allen Vorgaben der Verordnung entsprechen. Gleich steht die Verwendung von Logos oder Siegeln, die dem Verbraucher den Eindruck eines biologischen Erzeugnisses vermitteln.

Wichtig ist, dass Art. 30 Abs. 1 die Produktkennzeichnung der Werbung ausdrücklich gleichstellt.

Die Werbung für ein Produkt mit den Begriffen „Bio/Öko“ oder ähnlichen Bezeichnungen sowie mit Logos ist somit ebenfalls nur dann zulässig, wenn alle Verordnungsbestimmungen eingehalten werden.

Es gilt also: wer in seiner Werbung die genannten Begriffe oder Siegel verwendet, muss die gleichen Vorschriften beachten wie der Erzeuger, der sein Produkt als „Bio“ kennzeichnet.

Dadurch wird eine weitreichende Verantwortlichkeit und Haftung auch gegenüber sämtlichen Händlern begründet, welche biologische Produkte am Ende der Marktkette lediglich unter Nennung der Bio-Eigenschaft vertreiben.

Preisen Händler ihre Produkte nämlich unter Verweis auf die biologisch kontrollierte Fertigung an, zwingt ihnen Art. 30 Abs. 1 zum einen die Gewährübernahme dafür auf, dass sämtliche Verordnungsvorgaben im Herstellungsprozess eingehalten wurden. Freilich wird den Händlern hierdurch die Aufrechterhaltung eines Kenntnisstandes abverlangt, über den sie in Ermangelung von bestehenden Bindungen zu den Herstellern und tatsächlichen Einsichtsmöglichkeiten überhaupt nicht verfügen können. Im Gegenteil werden sich die meisten Händler auf die Richtigkeit der Herstellerangaben verlassen müssen.

Demgemäß ist die händlereigene Kontrollpflicht nach Art. 30 Abs. 1 auf ein zumutbares und mögliches Maß zu begrenzen und so auszulegen, dass Händler lediglich bei Zweifeln an der Verordnungsmäßigkeit bestimmter Produkte gehalten sind, die Bio-Werbung im Einzelfall auszusetzen und ihre Bedenken bei der zuständigen Kontrollstelle zu melden.

Zum anderen aber erreicht die Gleichstellung von Kennzeichnung und Werbung, dass der Adressatenkreis bestimmter Informationspflichten nach Art. 32, welche die Verordnung zum Schutze der durchdachten Verbraucherentscheidung postuliert, von der Hersteller- auf die Händlerebene ausgedehnt wird. Somit haben auch Händler, welche die von ihnen vertriebenen Produkte mit Bio-Schlagworten oder Logos ausschmücken, bestimmte Kennzeichnungsvorgaben einzuhalten.

II. Nennung der Kontrollnummer

1.) Anführungspflicht im stationären und im Online-Handel gleichermaßen

Werden in der Werbung Bezeichnungen oder Logos verwendet, welche den Eindruck erwecken, dass das jeweilige Produkt nach den strengen Verordnungsvorschriften biologisch/ökologisch produziert wurde, so ist der Werbende nach Art. 30 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 lit. a wie ein Hersteller gehalten, die jeweils einschlägige Öko-Kontrollnummer auf dem Trägermaterial anzuführen.

Diese Pflicht trifft zunächst den gesamten stationären Handel und zwingt beim produktbezogenen Einsatz von Bio-Angaben oder anderen Indikatoren wie z.B. Logos zur Nennung der individuellen Kontrollnummer.

Weil die Verordnung allerdings gerade nicht zwischen verschiedenen Vertriebsformen differenziert, ist die jeweilige Kontrollnummer auch im Online-Handel zwingend anzuführen. Dies gebietet im Übrigen bereits das Transparenzgebot des Werberechts, da ja der Verbraucher durch die Einsicht des Kontrollcodes in der Lage sein soll, die Herkunft der Produkte zu überprüfen.

Mithin gilt: überall dort, wo der Online-Händler mit Bio-Angaben und/oder Logos wirbt, muss er die entsprechende Kontrollnummer anführen.

Diese Auffassung wird von der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung geteilt. In einem Verfügungsbeschluss verpflichtete z.B. das LG Köln einen Händler dazu, bei der Werbung für seine Bio-Produkte den Code der Überwachungsstelle zu nennen (LG Köln, 28.12.2010, Az. 31 O 639/10).

Zu beachten ist, dass die Pflicht nicht nur dann Wirkung entfaltet, wenn der Online-Händler explizit mit Bio-Angaben für ein spezifisches Produkt „wirbt“, sondern auch überall da, wo er ein Logo oder Siegel anführt. Wird nämlich ein Siegel verwendet, erfüllt dies nach Ansicht der IT-Recht-Kanzlei stets den Tatbestand der Werbung, wie er in Art. 3 Nr. 53 der EU-Öko-Verordnung definiert ist.

Zu beachten ist darüber hinaus, dass der Begriff der „Werbung“, wie ihn Art. 3 Nr. 53 der Verordnung definiert, denkbar weit zu verstehen ist. Auch bloße Artikelbezeichnungen in Online-Shops weisen auf die besondere Qualität des Produktes hin und entfalten nicht nur aufklärenden, sondern auch werbenden Charakter.

Unabhängig von der Anführungsstelle muss dort, wo ein privates oder nationales Siegel oder das EU-Gemeinschaftslogo angeführt wird, die Kontrollnummer angegeben werden.

2.) Wahl der richtigen Kontrollnummer

Nach wie vor sind sich vor allem im elektronischen Geschäftsverkehr die in die Pflicht genommenen Händler im Einzelfall unsicher, welche Kontrollnummer sie jeweils anzuführen haben.

Die Verwirrung fußt meist darauf, dass nach einer vielzitierten Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (Urteil vom 30.09.2014 – Az. 14 U 201/13) die Online-Händler selbst auch zur Registrierung bei und Zertifizierung durch eine von der Verordnung benannte Kontrollstelle verpflichtet sind und mithin über eine eigene Kontrollnummer verfügen müssen (s. unter B.III.2.).

Dies legt die Entscheidung dafür nah, an zentraler Stelle auf der jeweiligen Website stets nur die eigene Kontrollnummer anzuführen, welche ja zwingend einzuholen ist.

Eine derartige Praxis wäre allerdings verheerend und bärge ein erhebliches Abmahnpotenzial, weil hierdurch maßgebliche Wertungen und inhaltliche Entscheidungen der EU-Öko-Verordnung konterkariert würden.

Insofern stellt Art. 30 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 32 Abs. 1 lit. a der Verordnung nämlich klar, dass stets der Code derjenigen Stelle zu verwenden ist, welche die jeweils letzte Erzeugungs- bzw. Aufbereitungshandlung überwacht hat.

Aus dieser Bestimmung lässt sich bei genauer Betrachtung der Grundsatz entnehmen, dass die Anführungspflicht nicht an eine bestimmte Person, sondern an das konkret beworbene Produkt anknüpft.

Entscheidend kommt es mithin nicht auf die Nummer des Werbenden oder Anbietenden selbst an, sondern auf die Kontrollziffer desjenigen Unternehmers, welcher das jeweilige Bio-Erzeugnis letztlich für die anschließende Marktbereitstellung fertigstellt.

Anzugeben ist die Nummer der Stelle, welche den im Herstellungsprozess an letzter Stelle stehenden Unternehmer kontrolliert. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Verbraucher unter Verifizierung der Prüfnummer den Produktionsweg des ökologisch erzeugten Lebensmittels zuverlässig nachverfolgen kann.

Ist die im Online-Handel anzuführende Kontrollnummer aber stets produktabhängig, ergibt sich daraus gleichermaßen, dass der Händler jedem Bio-Produkt im Zweifel einen eigenständigen Code zuzuordnen hat, sofern anzunehmen ist, dass die verschiedenen Sortimentsbestandteile von jeweils anderen Unternehmen gefertigt wurden.

Dies begründet zwar grundsätzlich einen nicht unbeträchtlichen zeitlichen und organisatorischen Aufwand, wird aber dadurch relativiert, dass sich lästige Prüfnummer-Recherchen meist deswegen erübrigen, weil der Händler die für jedes Einzelprodukt relevante Kontrollnummer stets der Produktverpackung entnehmen kann.

Weil sich ab der Abgabe an den Handel keine weiteren Fertigungsschritte mehr anschließen, hat schon der Hersteller gemäß Art. 32 Abs. 1 lit. a stets den maßgeblichen Prüfstellencode des letzten Erzeugungsabschnitts auf der Verpackung auszuweisen. Der ebenfalls informationspflichtige Händler kann mithin schlichtweg auf die Kontrollnummer der Produktverpackung zurückgreifen und stellt so sicher, dass stets die richtige Prüfnummer gewählt wird.

Zusammenfassend sind folgende Faustregeln bei der Wahl der richtigen Kontrollnummer zu beachten:

  • Die anführungspflichtige Kontrollnummer ist produktabhängig und variiert demnach von Erzeugnis zu Erzeugnis. Bereitzustellen ist stets der Code derjenigen Stelle, welche den Unternehmer des letzten Fertigungsschritts kontrolliert.
  • Die im Online-Handel relevante Kontrollnummer ist stets diejenige, die auf der Produktverpackung abgedruckt ist.
  • Die händlereigene Kontrollnummer ist im Regelfall die falsche, weil der Händler selbst nicht den letzten Fertigungsschritt vorgenommen hat. Gibt der Händler seine Nummer entgegen der eindeutigen Vorgaben des Art. 32 Abs. 1 lit. a anstelle des eigentlich auszuweisenden Prüfcodes des letzten Fertigungsschrittes ein, begründet er für sich ein hohes Abmahnpotenzial.

Nur dann, wenn ein Hersteller ein Bio-Erzeugnis vermarktungsfähig produziert und ohne die Zwischenschaltung anderer Marktstufen als Hersteller-Händler direkt an Verbraucher vertreibt, kommt es auf seine eigene Kontrollnummer an.

Beispiele zur Ermittlung der richtigen Kontrollnumer:

- Bauern X, Y und Z bauen biologisches Getreide an und liefern dieses an den Lebensmittelunternehmer A, welcher daraus unter Zugabe weiterer Bio-Zutaten Müsli herstellt und dieses anschließend zum Verkauf an den Händler B abgibt. Aus wessen Kontrollnummer kommt es an?

Antwort: die maßgebliche Kontrollnummer ist diejenige des Unternehmers A. Dieser fertigt das marktfähige Endprodukt an und nimmt so die letzte Aufbereitungshandlung vor.

- Online-Händler H hat sich auf den Verkauf von Bio-Schokolade spezialisiert, welche vom Unternehmen U marktfertig aus Kolumbien importiert und entsprechend den Vorgaben der EU-Öko-VO gekennzeichnet wird. Welche Kontrollnummer muss H angeben?

Antwort: H muss die Kontrollnummer des Unternehmens U anführen. Dieses kennzeichnet die aus dem Ausland importierten Bio-Produkte nach den europäischen Vorschriften und führt so tatbestandlich die letzte Aufbereitungshandlung durch. Nach Art. 3 Nr. 44 der EU-Öko-VO ist auch die Kennzeichnung eine Aufbereitungshandlung.

- Online-Händler O betreibt einen Bio-Tee-Shop und verkauft eine Teesorte, die das kleine deutsche Unternehmen U im Auftrag des großen französischen Lebensmittelkonzerns L durch verschiedene Aufbereitungsschritte (Waschen, Trocknen, Auslesen, Abfüllen, Verpacken) für die Vermarktung anfertigt. Auf wessen Prüfnummer kommt es an?

Antwort: Wird die Erzeugung durch die Beauftragung eines Drittunternehmens aus dem eigentlichen Betrieb ausgegliedert, stellt Art. 34 Abs. 3 klar, dass auch die in Auftrag gegebenen Tätigkeiten von der für den Auftraggeber zuständigen Stelle zu überwachen sind. Die in Auftrag gegebene Fertigung muss sich der Auftraggeber mithin wie eine eigene zurechnen und durch seine Kontrollbehörde prüfen lassen. Maßgeblich ist also die Kontrollnummer des Konzerns L.

- Online-Händler H stellt in Eigenproduktion verschiedene Bio-Gebäcksorten her, deren Rohstoffe er von den Bio-Unternehmen X,Y und Z bezieht. Welche Kontrollnummer muss er anführen?

Antwort: H muss (ausnahmsweise) seine eigene Nummer anführen, weil er nicht nur Händler, sondern gleichzeitig auch Hersteller des Gebäcks ist und mithin den letzten Fertigungsschritt selbst vornimmt.

3.) Ort der Anführung im Online-Handel

Ist die richtige Kontrollnummer gefunden, stellt sich insbesondere im Online-Handel sodann die Frage, an welcher Stelle im Shop diese verordnungskonform angeführt werden muss.

Dafür ist zunächst wiederum die grundsätzliche Erwägung zugrunde zu legen, dass die Kontrollnummern jeweils produktbezogen sind und mithin von Erzeugnis zu Erzeugnis variieren können. Im Regelfall gibt es keine allgemeingültige Kontrollnummer, auf welche an einer stets zugänglichen Rubrik im Shop verwiesen werden könnte. Insbesondere ist die eigene Prüfnummer des Händlers meist nicht diejenige, auf die es für die Pflicht aus Art. 30 Abs. 1 i.V.m. Art. 32 Abs. 1 lit. a der EU-Öko-VO ankommt.

a) NICHT das Impressum verwenden!

Vorschläge, die das Impressum des Händlers als geeigneten Ort für die Anführung nennen, verkennen die Produktbezogenheit und sollten in keinem Fall Gehör finden! Vertreibt ein Händler nämlich mehrere Bio-Erzeugnisse, gehen damit für jedes Produkt verschiedene Kontrollnummern einher, die bei einer Anführung im Impressum dem dazugehörigen Erzeugnis nicht mehr zugeordnet werden könnten. Damit würde aber der mit den Nummern angestrebte Zweck der Nachverfolgbarkeit vollständig verhindert.

Gleichsam aber liefe eine Angabe im Händlerimpressum dem Darstellungserfordernis des Art. 32 Abs. 3 der EU-Öko-VO zuwider, nach welchem der jeweilige Code in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den werbenden Begriffen „Bio“ und/oder „Öko“ oder einem Logo oder Siegel bereitgestellt werden muss.

b) Richtiger Anführungsort: jeweilige Produktdetailseite

Um zu gewährleisten, dass der Verbraucher auch bei Einkäufen in Online-Shops den Fertigungsprozess eines jeweiligen ökologischen Erzeugnisses nachvollziehen kann, ist vielmehr erforderlich, dass für jedes Bio-Produkt die dazugehörige Kontrollnummer auf der individuellen Produktdetailseite angeführt wird.

Die Kontrollnummern variieren von Produkt zu Produkt (es gibt keine allgemeingültige Prüfnummer!), sodass die Möglichkeit einer übergeordneten Anführung entfällt. Stattdessen müssen sie jedem einzelnen Erzeugnis gesondert beigestellt sein.

Auf der jeweiligen Produktdetailseite sollte, um den Anforderungen des Art. 32 Abs. 3 der EU-Öko-VO zu entsprechen, der Kontrollcode in direktem räumlichen Zusammenhang zu dort verwendeten Bio-Schlagworten stehen. Der Zusammenhang ist gewahrt, wenn die Kontrollnummer im selben Sichtfeld erscheint. Dementsprechend sollte die Wahrnehmbarkeit nicht von einem zusätzlichen Scrollen des Verbrauchers abhängig gemacht werden. Auch ein zusätzlich notwendiger Klick auf eine separate Sparte wie z.B. „Produktdetails“ sollte vermieden werden.

Wird das Wort „Bio“/“Öko“ oder eine entsprechende Bezeichnung in der Produktüberschrift ausgewiesen, sollte die Kontrollnummer im direkten Umfeld angeführt werden. Denkbar und vor allem bei komplexeren Seitenstrukturen empfehlenswert ist hierfür eine Integration der Prüfnummer in die Produktabbildung in hinreichender Größe und Auflösung.

1

Meist werden zur Visualisierung der Qualität neben den Bio-Angaben auch im Online-Shop zusätzliche amtliche oder private Logos eingesetzt. Sobald sich ein Händler hierfür entscheidet, sollte die Kontrollnummer der schnellen Erkennbarkeit halber unmittelbar unterhalb des Logos angeführt werden.

Ausnahmsweise kann eine Anführung auch erst im Rahmen der Artikelbeschreibung erfolgen. Dies gilt regelmäßig aber nur dann, wenn der Händler oberhalb dieser Rubrik von der Verwendung von Bio-Schlagworten oder Logos abgesehen hat und die Bio-Eigenschaft mithin erst innerhalb der Beschreibung erstmalig nennt.

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III. Keine Pflicht zur Logoanführung

Anders als bei der physischen Kennzeichnung von vorverpackten Bio-Lebens- und Futtermitteln ist in der Werbung eine Darstellung des Gemeinschaftslogos nicht verpflichtend.

Wird ein solches jedoch dargestellt, muss das beworbene Produkt allen Vorgaben der EU-Öko-Verordnung entsprechen, Art. 33 Abs. 1.

Auch nationale und private Siegel können in der Werbung angeführt werden, wenn die Verordnungsanforderungen eingehalten werden. Gegebenenfalls strengere Voraussetzungen der ausstellenden Institute müssen ebenfalls eingehalten werden.

IV. (Allgemeines) Irreführungsverbot

Neben den besonderen Irreführungsmaßstäben der EU-Öko-Verordnung innerhalb der Werbung sind auch die allgemeinen Grundsätze des deutschen Lauterkeitsrechts zu berücksichtigen, deren Anwendungsbereich über die Regelungsgrenzen der Verordnung hinausgeht.

Während die Verordnung die Werbung durch Bio-Begriffe oder entsprechende Logos explizit dann untersagt, wenn das entsprechende Erzeugnis nicht allen Vorgaben nachkommt und insbesondere eine Kontrolle und Zertifizierung nicht oder nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, verbietet das deutsche Lauterkeitsrecht nach §5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG auch außerhalb der tatbestandlichen Werbung in sämtlichen Angaben (Produktbezeichnungen, Artikelbeschreibungen etc.) Bio-Hinweise, die nicht der Wahrheit entsprechen.

Die täuschungsgeeignete Darstellung von Bio-Logos (egal, ob privat, gemeinschaftlich oder national) oder deren Anführung für Produkte, die nicht den Bedingungen eines biologischen Anbaus entsprechen, sind auch jenseits von Werbung im Sinne der Verordnung nach §3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Anhang I Nr. 2 unlauter und damit unzulässig.

Zu beachten ist, dass diese Normen (anders als die Verordnung) auch dann Anwendung finden, wenn Produkte, die außerhalb des Anwendungsbereichs der EU-Öko-Verordnung liegen, in irreführender Weise durch Logos oder Bio-Bezeichnungen gekennzeichnet/beworben werden.

D. Fazit

Der Verkauf von Bio-Produkten ist für Unternehmer nicht nur mit hohen rechtlichen, sondern auch mit organisatorischen, bürokratischen und finanziellen Hürden verbunden, die durch die Reform des Öko-Rechts zum 01.01.2022 nicht weniger werden.

Was für den Verbraucher zu einem hohen Maß an Transparenz und Qualitätssicherheit beitragen soll, stellt sich für die Gegenseite des geschäftlichen Verkehrs (auf Hersteller- und Händlerstufe gleichermaßen) aufgrund eines extensiven Pflichten- und Sorgfaltsprogramms regelmäßig als große Belastung dar.

Nicht nur wird die Produktetikettierung durch den Hersteller oder Importeur der Werbung mit der Folge gleichstellt, dass auch Händler zur Einhaltung aller verbindlichen Verordnungsvorgaben verpflichtet werden und mithin besondere Irreführungsgrundsätze und Hinweispflichten zu beachten haben. Vielmehr ist jeder Unternehmer in der Vertriebskette – unabhängig davon, ob er bei der Erzeugung mitgewirkt hat oder sich nur auf die Veräußerung bereits verpackter Produkte beschränkt – an besondere behördliche Vorgaben gebunden und muss sich somit einer umfangreichen betrieblichen Kontrolle und einer Zertifizierung unterziehen, noch bevor er erstmalig am Vertrieb ökologischer Produkte teilnehmen darf.

Der Ratgeber der IT-Recht Kanzlei zeigt alle verbindlichen Vorgaben, Grundsätze und Rechtspflichten auf, die es beim Verkauf von Bio-Produkten ab 01.01.2022 zu beachten gibt.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .


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