OLG München: keine Verantwortlichkeit von Händlern für urheberrechtliche Bildverletzungen beim „Anhängen“ an bestehende Angebote auf Amazon

OLG München: keine Verantwortlichkeit von Händlern für urheberrechtliche Bildverletzungen beim „Anhängen“ an bestehende Angebote auf Amazon
04.08.2014 | Lesezeit: 5 min

Etwaige Verletzungen von urhebereigenen Bildrechten durch Händler auf der Handelsplattform Amazon werden von der Rechtsprechung seit längerem kontrovers diskutiert. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Praxis des Anhängens an ein bereits bestehendes Angebot, welches Händlern die Aufnahme in die Anbieterliste des entsprechenden Produkts ermöglicht. Die insofern erfolgende Verknüpfung zu Produktbildern Dritter wird teils als urheberrechtlich unbeachtlich eingestuft (LG Bremen - Az. 7-O-1983/11) teils als Eingriff in fremde Nutzungsrechte geahndet (LG Köln - Az. 28 O 814/11).

Als erstes Oberlandesgericht hat mit Urteil vom 27.03.2014 (Az.: 6 U 1859/13) das OLG München Stellung zu der Frage des Verletzungspotenzials des „Anhängens“ an ein bestehendes Angebot bezogen und eine urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Händlern verneint.

Der Sachverhalt

In zweiter Instanz hatte das OLG München über einen Fall zu entscheiden, in dem die Klägerin, eine Tochtergesellschaft eines Herstellers von Wohnaccessoires und Küchengeschirr, gegen einen Amazon-Händler wegen einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung an fremden Bildern auf Unterlassung klagte. Letzterer hatte Amazon durch Einreichen einer Liste mit plattformeigenen Produktzuordnungsnummern (ASIN-Nummern) damit beauftragt, als Anbieter der den Nummern zugewiesenen Produkten bei bestehenden Angeboten aufgeführt zu werden. Im Zuge der Bearbeitung dieses Auftrags durch Amazon erschienen so Produktbilder für gewisse Handtuchartikel, an denen die Klägerin Urheberrechte innehatte, in Verbindung mit dem Beklagten als Anbieter, wurden also mit dessen Online-Präsenz durch Amazon verknüpft.

Zwar hatte das LG München I in erster Instanz bereits eine Haftung des Beklagten als Täter oder Teilnehmer für Verletzungen des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung nach §§15, 19a UrhG ausgeschlossen, weil dieser die fraglichen Abbildungen nicht selbst auf der Plattform eingestellt oder zurechenbar an einer fremden Rechtsverletzung mitgewirkt hatte.

Die Klägerin berief sich aber auf eine Störerhaftung des Händlers aus §97 Abs. 1 UrhG wegen der Verletzung zumutbarer Prüfpflichten im Angesicht der vermeintlichen Rechtsverletzung und verwies hilfsweise auf den Tatbestand der Auftragshaftung nach §99 UrhG.

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Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht wies die Berufung der Klägerin auf die Stattgabe des Unterlassungsanspruchs zurück, indem es zunächst die dafür essentielle Störereigenschaft des Beklagten Online-Händlers verneinte.

Als Störer gelte, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beitrage. Bei bloß mittelbaren Rechtsverletzungen, die durch Handlungen Dritter begründet seien, setze die Störerhaftung grundsätzlich die Verletzung von zumutbaren Prüfpflichten voraus.

Da der Beklagte im vorliegenden Fall die Bilder nicht selbst eingestellt hatte, beschäftigte sich das Gericht mit der Frage, inwiefern ihm eine Überprüfung des Angebots auf Rechtsverletzungen oblag.

Dazu führte es aus, dass im vorliegenden Fall keine zumutbare Prüfpflicht ersichtlich sei, obwohl der Beklagte durch die Abmahnung der Klägerin auf die vermeintliche Rechtsverletzung hingewiesen worden sei.
Dies begründe sich zum einen aus dem Umstand heraus, dass zu dem Zeitpunkt, in dem der Online-Händler sich zum Zwecke der Angebotsplatzierung an Amazon wandte, die Rechtsverletzung durch eine Verknüpfung des Bildes mit Angeboten anderer Händler bereits eingetreten war. Insofern habe der Beklagte keinen für eine solche kausalen und ihm zurechenbaren Beitrag leisten können.

Zum anderen aber könne selbst das Einhalten einer vermeintlich bestehenden Prüfpflicht zukünftige Rechtsverletzungen nicht verhindern oder unterbinden, da sich diese außerhalb der Sphäre des Beklagten ereignen würden.

Selbst wenn der Online-Händler nämlich die tatsächlich nicht bestehende Nutzungsberechtigung der Bilder erkennen und infolgedessen sein Angebot zurückziehen würde, ginge damit nicht jegliches Ausbleiben von unberechtigter Fremdnutzung einher. Vielmehr würde ein solches Verhalten gerade nicht dazu führen, dass Amazon oder der ursprüngliche nichtberechtigte Einsteller die Abbildungen gesammelt aus der Plattform entfernten.

Somit habe der Beklagte zu keinen Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, auf eine Entfernung der Fotos und mithin auf eine Beseitigung der Rechtsverletzung hinzuwirken oder zukünftige Beeinträchtigungen zu verhindern. Eine Störerhaftung müsse dementsprechend ausscheiden.

Selbst aber, wenn man auf eine Auftragshaftung nach §99 UrhG abstellte, könne sich mangels Anwendbarkeit der Vorschrift nichts anderes ergeben. Zwar stelle §99 UrhG bei Rechtsverletzungen des Arbeitnehmers oder Beauftragten in einem Unternehmen dem Geschädigten auch einen Unterlassungsanspruch gegen den Auftraggeber zur Seite. Allerdings setze ein solches Auftragsverhältnis voraus, dass der Beauftragte in die betriebliche Organisation des Unternehmens derart eingegliedert ist, dass dem Betriebsinhaber der Erfolg der Geschäftstätigkeit nicht nur zu Gute kommt, sondern er gleichzeitig einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf die Tätigkeit des Beauftragten hat.

Setzte man insofern aber Amazon einem Beauftragten gleich, welcher die Verknüpfung des urheberrechtsverletztenden Angebots mit dem Online-Auftritt des Beklagten herstellte, ließe sich unabhängig von dem etwaigen Profit des Beklagten an der Aufführung im Angebot immerhin keinerlei Einflussmöglichkeit annehmen. Vielmehr handle Amazon bei der konkreten Gestaltung der Plattform weisungsunabhängig und selbstständig, sodass eine Gelegenheit zur Einwirkung von einzelnen Händlern auf die Vertriebsmodalitäten und Angebotsstrukturen ausgeschlossen sei.

Fazit

Das Urteil des OLG München zur Verantwortlichkeit für Urheberrechtsverletzungen beim Anhängen an Angebote könnte vielen Amazon-Händlern Grund zum Aufatmen geben, da ihm ein größeres Gewicht zukommt als den hierzu vielmals zitierten divergierenden Ansichten verschiedener Landgerichte.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts kann ein Händler, der Amazon damit beauftragt, als Anbieter in eine bestehende Angebotsausschreibung aufgenommen zu werden, für etwaige rechtsverletzende Inhalte des Angebots nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Insofern ist ein Amazon-Händler nämlich regelmäßig kein Störer, weil die Inhalte schon vor dem „Anhängen“ die Rechte Dritter beeinträchtigten und somit auch eine Rücknahme des Angebots durch den „Anhänger“ an dem Fortbestehen der Verletzung nichts ändern würde.

Eine Auftragsverantwortlichkeit von „Anhängern“ für durch Amazon verursachte Zuwiderhandlungen scheidet ebenfalls aus, weil Amazon die konkrete Gestaltung der Plattformstrukturen und Vertriebsmodalitäten ohne Fremdeinfluss oder Weisungsgebundenheit eigenständig handhabt.

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