LG Köln: Achtung Vertragsstrafe – beendetes, aber sichtbares Ebay-Angebot

LG Köln: Achtung Vertragsstrafe – beendetes, aber sichtbares Ebay-Angebot
08.02.2023 | Lesezeit: 8 min

Abmahnungen wegen unberechtigter Bildnutzung sind seit Jahren ein Thema. Aber wenn die Abmahnung erstmal erledigt ist, vergessen viele Händler, dass sie eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben haben – und damit bei einem Verstoß gegen den Unterlassungsvertrag eine nicht unerhebliche Vertragsstrafe zu zahlen haben. Wie dies gerade bei beendeten, aber weiterhin sichtbaren eBay-Angeboten zur Falle werden kann, zeigt eine Entscheidung des LG Köln (Urteil vom 24.11.2022, Az. 14 O 404/21)…..

Produktfoto-Abmahnung auf eBay und seine Folgen….

Viele wegen Bilderklau abgemahnte eBay-Händler fragen sich das: Kann die Abrufbarkeit von Lichtbildern in beendeten, aber weiter abrufbaren eBay-Anzeigen zur Vertragsstrafenfalle werden. Dieser Sachverhalt lag der Entscheidung des LG Köln zugrunde:

Ein gewerblicher eBay-Verkäufer hatte 3 Produktfotos ohne Zustimmung des Rechteinhabers in einem seiner Angebote genutzt. Nach einer urheberrechtlichen Abmahnung beendete der Händler dieses Angebot und gab eine Unterlassungserklärung ab. Soweit – so ungut, für den Händler. Aber es geht noch weiter: Denn die Bilder blieben in dem beendeten eBay-Angebot weiter abrufbar. Und dieses Angebot war auch weiter über die eBay-Suchfunktion auffindbar. Und so kam es wie es kommen musste: Der abmahnende Rechteinhaber nahm als Unterlassungsgläubiger des Unterlassungsvertrages den eBay-Händler u.a. auf Vertragsstrafenzahlung in Anspruch.

Auch wenn es hier primär um eine Vertragsstrafenzahlung geht: Das Bilderklau ganz allgemein keine so gute Idee ist, haben wir in diesem Beitrag schon dargestellt.

Löschen - aber richtig

Setzt man sich nun mit der Entscheidung des LG Köln auseinander, muss man erstmal etwas zurückschauen und sich hierzu eine Entscheidung des BGH, I ZR 119/20 ansehen, die auch der beklagte Händler in seiner Verteidigung ins Felde führte – das oberste deutsche Gericht urteilte damals, dass die bloße Erreichbarkeit von urheberrechtlich geschützten Inhalten (hier ebenfalls ein Bild) über eine 70-Zeichen-URL für die Bejahung einer Urheberrechtsverletzung nicht ausreiche. In diesem Fall ging es allerdings nicht um ein eBay-Angebot, das beendet aber noch abrufbar war.

Das Landgericht Köln nun bejahte wegen der Abrufbarkeit der Produktfotos eine Verletzung des Unterlassungsvertrages und verurteilte den Händler antragsgemäß u. a. zur Zahlung einer Vertragsstrafe iHv. 4.000,00 EUR. Denn anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall seien das Bildmaterial nicht nur durch Eingabe einer kryptisch langen URL, sondern für unzählig viele Leute über die Suchfunktion des Plattformbetreibers vergleichsweise leicht auffindbar.
Die Richter hierzu explizit auch in Bezug auf die BGH-Rechtsprechung:

"Der Kammer ist aus einer Vielzahl gleichgelagerter Verfahren bekannt, dass die Beendigung eines Verkaufsangebotes bei F mitnichten bedeutet, dass die verwandten Bilder nicht gleichwohl weiterhin abrufbar bleiben. Die von der Beklagtenseite vorgelegten Screenshots belegen nichts anderes. Auch bedurfte es – wie aufgezeigt – nicht der Eingabe einer 70 Zeichen langen URL, um die Fotos aufzurufen, sondern diese waren über die interne Suchfunktion bei F auffindbar. Die vom Beklagten angeführten Grundsätze aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Lautsprecherfoto“ (BGH, GRUR 2021, 1286) vermögen bereits aus diesem Grund keine Anwendung zu finden. Denn es ist vorliegend gerade nicht erfahrungswidrig, dass außer dem Kläger noch „recht viele“ andere Personen bei Eingabe der entsprechenden Suchbegriffe auf F der streitgegenständlichen Fotografien ansichtig werden. Damit waren die Fotos nicht faktisch lediglich für die Personen auffindbar, die sich die URL vorher abgespeichert oder sonst in irgendeiner Form kopiert oder notiert oder die Adresse von Dritten erhalten hatten. Vielmehr konnte eine thematische Suche die Bilder noch auffindbar machen (vgl. dazu OLG Köln, Urteil vom 01.10.2021, 6 U 141/20 – Pixelio). Der Beklagte hat schuldhaft – jedenfalls fahrlässig – im Sinne von § 276 BGB gegen die vertragliche Unterlassungspflicht verstoßen, indem er nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Fotos auch über eine thematische Suche auf F nicht mehr aufgefunden werden konnten."

Unsere Tipps zur Vermeidung einer Vertragsstrafe nach Urheberrechtsverletzungen finden Sie in diesem Beitrag.

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Auch interessant: Vertragsstrafenhöhe und Schadensersatz

Neben dieser interessanten Entscheidung zur Vertragsstrafe an sich, sollen noch 2 weitere Aspekte des Urteils erwähnt werden:

Zum einen was die Höhe der Vertragsstrafe betrifft: Hierzu hatte der Beklagte damals eines Unterlassungserklärung nach dem sog. "neuen Hamburger Brauch" abgegeben. Solche Erklärungen lauten dann für gewöhnlich hinsichtlich des Vertragsstrafepassus:

"….für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine in das billige Ermessen des Unterlassungsgläubigers gestellte, gegebenenfalls vom zuständigen Gericht auf ihre Angemessenheit zu überprüfende Vertragsstrafe an den Unterlassungsgläubiger zu zahlen."

Das dem Kläger damit zugewiesene Leistungsbestimmungsrecht ist nach billigem Ermessen auszuüben. Die vom Kläger getroffene Bestimmung der Strafhöhe ist nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht.

Wie eine solche Billigkeitsprüfung auszusehen hat, legt das LG Köln wie folgt fest:

"Für die Feststellung, ob die vom Bestimmungsberechtigten festgesetzte Strafhöhe der Billigkeit entspricht, ist nicht die festgesetzte Vertragsstrafe abzüglich eines Ermessensspielraums als Ausgangspunkt anzusetzen. Basis für die Überprüfung ist vielmehr die angemessene Vertragsstrafe, die sodann nicht um einen gewissen (Prozent-)Satz überschritten werden darf (Senat, Urteil vom 12.09.2019, Az.: I-15 U 65/18; ebenso für die Billigkeitskontrolle von Rechtsanwaltsgebühren: KG Beschluss, BeckRS 2011, 02651; im Ergebnis ebenso OLG Celle, MMR 2015, 408). Eine Unbilligkeit ist nicht regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn das Doppelte der angemessenen Strafe überschritten ist. Um wieviel der Bestimmungsberechtigte die angemessene Vertragsstrafe wegen eines Verstoßes gegen eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufgrund des ihm zustehenden Ermessens überschreiten darf, ist bislang - soweit ersichtlich - höchstrichterlich nicht entschieden. Soweit der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Kinderwärmekissen“ (BGH, GRUR, 2009, 181) ausgeführt hat, dass eine Vertragsstrafe in Höhe des doppelten angemessenen Betrages in einem außerordentlichen Missverhältnis steht, erfolgten diese Ausführungen im Zusammenhang mit § 242 BGB bzw. § 348 HGB (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2019, Az.: I-15 U 65/18). Ein aufgrund von § 242 BGB zu konstatierendes außerordentliches Missverhältnis ist indes nicht ohne weiteres mit einem Ermessensspielraum im Rahmen des § 315 Abs. 3 BGB gleichzusetzen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2019, Az.: I-15 U 65/18)."

Zur konkreten Höhe führen dann die Richter wie folgt aus und sehen die geforderten 4.000 EUR als angemessen an:

"Welche Vertragsstrafe angemessen ist, ist vielmehr unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Strafe die ihr zugewiesenen Funktionen erfüllen können muss. Unterwerfungserklärungen, die nach Verstößen abgegeben werden, dienen neben der Schadenspauschalierung in Bezug auf zukünftige Rechtsverletzungen in erster Linie dazu, den Unterlassungsschuldner zur Einhaltung der von ihm versprochenen Unterlassungspflicht zu bewegen, so dass er auf Grund der versprochenen Strafe vor weiteren Verstößen zurückschreckt. Für diesen Zweck muss die Vertragsstrafe so hoch sein, dass sich ein Verstoß für den Verletzer voraussichtlich nicht mehr lohnt. Maßgeblich ist hierbei die Schwere und das Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung, deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, das Verschulden des Verletzers sowie die Art und Größe des Unternehmens des Schuldners (BGH GRUR 2014, 595 - Vertragsstrafenklausel; BGH GRUR 2009, 181 - Kinderwärmkissen; BGH GRUR 1994, 146 - Vertragsstrafenbemessung; BGH GRUR 1983, 127 - Vertragsstrafenversprechen)."

Zudem hat das LG Köln Feststellungen zum Schadensersatz getroffen – auch dies ein gewichtiger Punkt in urheberrechtlichen Bilderklauabmahnungen, Der Beklagte machte einen Lizenzschadensersatz geltend. Ein solcher Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie richtet sich gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG auf den Betrag, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte.

Maßgebliche Bedeutung kommt einer zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu. Fehlt es wie vorliegend daran, liegt es für die Festsetzung einer angemessenen Lizenzgebühr nahe, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, wenn sich in dem maßgeblichen Zeitraum eine solche Übung herausgebildet hat.

Das LG Köln hierzu:

"Gibt es keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem Tatrichter kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu."

Letztlich hielten die Richter hier unter Berufung auf vergleichbare Fälle einen Betrag iHv. 100,00 EUR pro Bild als Schadensersatz für angemessen. Wie das andere Gerichte bewerten mit dem Schadensersatz finden Sie in diesem Beitrag.

In diesem Kontext weisen wir auf die Anwendung der MFM-Tabelle bei der Berechnung des Schadensersatzes hin - mangels Lizenzvertrag wird in der Regel von den Gerichten dann hierauf zurückgegriffen.

Exkurs MFM-Tabelle

MFM-Tabelle - was ist das eigentlich?

Das Kürzel „MFM“ begleitet jeden, der mit Honoraren im Foto-Bereich zu tun hat. Jedes Jahr stellt die Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (=MFM) die aktuell üblichen Honorare zusammen. Diese sind für Fotografen gleich doppelt interessant – nämlich einerseits bei der rechtmäßigen und andererseits bei der unrechtmäßigen Nutzung Ihrer Fotografien.
Diese Bildhonorartabelle gibt denjenigen, die sich für Nutzungsrechte an Bildern interessieren, einen Überblick, was marktüblich für die einzelnen Nutzungsarten und Zeiträume gezahlt wird. Gleichzeitig können sich Fotografen und Bildanbieter einer Referenz für ihre Preise bedienen. Es ist somit für beide Seiten eine verlässliche Kalkulationsgrundlage für Bildhonorare.

Aber auch im Bereich der unberechtigten Nutzung von Fotografien werden die Honorartabellen häufig von den Gerichten herangezogen. Denn hier kann der Fotograf im Wege der sog. Lizenzanalogie mindestens den Betrag als Schadenersatz fordern, der einer angemessenen Lizenzgebühr entspricht – zu den möglichen Berechnungsmethoden des Schadensersatzes finden Sie hier einen Beitrag. Hier werden von den Gerichten häufig – wenn auch nicht immer – die MFM-Tabellen herangezogen.

Weitere Informationen und die Bezugsquellen für die MFM-Bildhonorartabelle finden sich hier.

Fazit: Alles drin – alles dran

Diese Entscheidung betrifft wichtige Aspekte einer urheberrechtlichen Bilderabmahnung und deren Folgen: Vertragsstrafe und Schadensersatz. So kann man feststellen, dass eine Vertragsstrafe droht, sofern ein abgemahnter Händler auf eBay nicht bemüht ist, dafür zu sorgen, dass das Angebot mit dem streitgegenständliche Bild nicht nur beendet wird, sondern auch ansonsten nicht mehr über die Suchmaschine der Plattform auffindbar ist. Zudem haben wir gelernt, dass eine Vertragsstrafe iHv. 4.000 EUR und ein Schadensersatz iHv. 100 EUR pro Bild bei derartigen eBay-Fällen angemessen ist.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .


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